Karl-Heinz Weis: Karl Hofer 1878-1955. Stil und Stilwandel in seinem figürlichen Werk, Würzburg: Ergon 2008, 192 S., ISBN 978-3-89913-631-9, EUR 48,00
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Es gibt Neuerscheinungen, bei denen man aufmerkt, weil eine Behandlung des Themas längst überfällig erscheint. Der Maler Karl Hofer, der in den 1920er-Jahren und nach 1945 zu den zentralen Figuren der deutschen Malerei gerechnet wurde und dessen große Überblicksausstellungen schon Jahre zurück liegen - 1977/78 (Berlin und Halle/Saale) und 1991 (Kreis Unna) - ist eine dieser Künstlerpersönlichkeiten, die zum großen Teil in Vergessenheit geraten und deren Werke mitunter nur noch als Illustrationen zeitgeschichtlicher Ausstellungen bekannt sind. Eine wissenschaftliche Analyse seines Gesamtwerks, wie sie Karl-Heinz Weis in seinem Buch, das aus einer Würzburger Dissertation hervorgegangen ist, unternimmt, war überfällig, fällt jedoch im konkreten Fall leider nur oberflächlich aus. Der Aufbau der Studie ist schematisch angelegt und in dieser Selbstbeschränkung allzu sehr der wissenschaftlichen Qualifikationsarbeit verpflichtet. Der erste Teil beleuchtet Hofers gemischte und partikulare Rezeption in der Kunstgeschichte sowie seine primären Lebens- und Ausbildungsstationen in Paris, Rom und Berlin. Nach einer knappen Zusammenfassung widmet sich der zweite Teil ab Seite 45 dem Stil und Stilwandel Hofers, die zeitlich ebenfalls etwas sehr schematisch an den Karrierestationen festgemacht werden. Hierin liegt das eigentliche Ziel des Verfassers: "[...] für das umfangreiche Œuvre eine überzeugende Ordnung zu erarbeiten, die sich allein in Hofers Stil und Stil-Wandlungen begründet." (13) Das hier vorgelegte, mit nicht einmal 100 Seiten Text ausgesprochen schmal ausgefallene Buch bedeutet mit Blick auf eine wissenschaftliche Aufarbeitung Karl Hofers freilich nicht mehr als einen Anfang, denn es kann eine kritische, kontextualisierende Gesamtschau nicht ersetzen, die weiterhin ein bedeutendes Desiderat der Kunstgeschichtsschreibung der deutschen Moderne darstellt, da sich an Hofer der Weg einer "anderen Moderne" in Anknüpfung an das 19. Jahrhundert und in Auseinandersetzung mit der Avantgarde darstellen ließe. Die Limitation des Künstlers würde eine solche Studie allerdings auch schonungslos zutage fördern.
Der gesamte Ansatz der Untersuchung ist geleitet von dem Interesse, dem Künstler Karl Hofer die offensichtlich versagte Anerkennung zukommen zu lassen. Mit einer gewissen Akribie hat Weis die anerkennenden Äußerungen der Kunstkritiker und -historiker gesammelt, wobei er beispielsweise die verbale Hinrichtung durch Carl Einstein in seiner Propyläen-Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts wegblendet und Benno Reifenbergs lobende Worte von 1924 extensiv anführt. In analytischer Hinsicht ist anhand der mitunter bloß aufzählend wirkenden Zitatreihung wenig gewonnen, was durch einige Wiederholungen im knappen biografischen Abriss erneut deutlich wird und angesichts der Kürze des Textes negativ auffällt. Auch der Versuch einer ansatzweise vorgenommenen künstlerischen Kontextualisierung überzeugt nicht - auf den sehr vergleichbaren und doch anders gelagerten Fall Georg Schrimpf wird mit keinem Wort verwiesen - und gleich mehrere Fehler in der Schreibweise prominenter Künstler signalisieren, wenn nicht eine fehlende Kenntnis der zeitgenössischen Szene, dann eine fehlende kritische Durchsicht des Textes (41).
Weis gruppiert das malerische Gesamtwerk Karl Hofers - inzwischen liegt Bernhard Wohlerts dreibändiges, annähernd 3.000 Nummern umfassendes Gesamtverzeichnis der Gemälde vor, mit dem Weis arbeiten konnte, das aber zum Erscheinungsdatum der Schrift noch nicht publiziert war - periodisch: bis 1918 (Studium in Karlsruhe und Stuttgart sowie die Aufenthalte in Rom und Paris mit einem prägenden Einfluss Hans von Marées); die erste Berliner Zeit bis 1945 und die zweite Periode in der geteilten Stadt nach 1945 bis zum Tod des Malers 1955 (vgl. 45 und 85ff.). So sinnvoll eine solche Unterteilung auch erscheinen mag, so wenig überzeugen die knappen Vergleiche und Hinweise in diesem zweiten Teil. Der wichtige Vergleich mit Hans von Marées wird nicht in die Tiefe durchgeführt, die skulpturale Malerei Hofers nicht mit der zeitgenössischen figürlichen Plastik kurz geschlossen, die Ikonografie Hofers wird nicht im Vergleich mit den Expressionisten (etwa Hermann Max Pechstein) oder neusachlichen Malern (etwa Rudolf Wacker mit Blick auf die Maskenbilder oder Georg Schrimpf mit Blick auf die Mädchen am Fenster-Thematik) auf ihre inhaltliche Dimension hin analysiert, und der kryptische Hinweis auf eine mögliche Reaktion Hofers auf die Künstlergruppe COBRA bleibt im Ungefähren und erscheint zunächst wenig plausibel (siehe 73). Dagegen werden Hofers Bilder mit den Meistern der abendländischen Kunstgeschichte (Raffael, El Greco, Tizian) verglichen, ohne dass die Bezugnahmen kritisch beurteilt würden - dass Hofer die Kunstgeschichte kannte ist evident, dass er an ihr scheiterte aber auch. So bleibt Hofer doch wieder der Visionär, dessen düstere Bilderfindungen unzeitgemäß waren und von ihm in der Zeit des Nationalsozialismus z.T. mehrfach variiert wurden. Auch hier hätte eine Analyse einzusetzen, sowohl mit Blick auf die konkreten Entstehungskontexte als auch mit Blick auf die rätselhafte Ikonografie. Dass die Qualität der Arbeiten Hofers für sich selbst spreche und "keiner, noch so gut gemeinten, ergänzenden Interpretation bedürfen" (92) kommt einem kunsthistorischen Offenbarungseid gleich, den man zum Schluss einer Dissertation nicht ablegen sollte. Carl Einsteins Kritik an dem Kritiker Julius Meier-Graefe und seinen Auslassungen zu Hofer wäre mit Blick auf Weis zu modifizieren: "M. G. müsste präzise Unterscheidung zwischen Tradition und philologischer Ausnutzung fremder Bildelemente bringen. All diese Dinge wären eingehender zu erörtern [...]." [1]
Anmerkung:
[1] Carl Einstein: Meier-Gräfe und die Kunst nach dem Kriege, in: Carl Einstein: Werke Bd. 2: 1919-1928, hg. von Marion Schmid, Berlin 1981, 272.
Olaf Peters