Rezension über:

Evelyn Echle: Danse Macabre im Kino. Die Figur des personifizierten Todes als filmische Allegorie (= Film- und Medienwissenschaft; 6), Hannover: Ibidem 2009, XII + 112 S., ISBN 978-3-89821-939-6, EUR 24,90
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Rezension von:
Lars Grabbe
Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung, Kiel
Redaktionelle Betreuung:
Henning Engelke
Empfohlene Zitierweise:
Lars Grabbe: Rezension von: Evelyn Echle: Danse Macabre im Kino. Die Figur des personifizierten Todes als filmische Allegorie, Hannover: Ibidem 2009, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 5 [15.05.2010], URL: https://www.sehepunkte.de
/2010/05/17907.html


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Evelyn Echle: Danse Macabre im Kino

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Die aus einer Magisterarbeit hervorgegangene filmwissenschaftliche Analyse von Evelyn Echle befasst sich mit zwei spezifischen Strukturmomenten, die für das Verständnis des personifizierten Todes im Film von zentraler Bedeutung sind: Das personal-narrative System der Film-Figur und das symbolisch-metaphorische System der Allegorie stehen hier im Mittelpunkt. Die Argumentationen werden durch das close reading von drei Filmbeispielen präzise erarbeitet und verdeutlicht. Der müde Tod (Fritz Lang, 1921), Körkarlen (Victor Sjöström, 1921) und Det sjunde inseglet (Ingmar Bergman, 1956) bilden die Filmauswahl, um "in Verbindung mit dem narratologischen Zugriff zugleich Aspekte der Theorie und Geschichte der symbolischen, respektive der allegorischen Konstruktion" (2) zu erarbeiten.

In dem besagten narratologischen Zugriff analysiert Evelyn Echle das abstrakte Konzept des Todes vor dem Hintergrund einer konkreten filmischen Figuration. Die Darstellung des Todes in der körperlichen Anwesenheit der Figur, so wie er zumindest in den drei Filmbeispielen inszeniert wird, ermöglicht die Herausarbeitung eines dynamischen Figurenmodells: Der Tod als Figur wird zum Interaktionspartner der filmischen Figuren und bietet als "Knotenpunkt von Verweisen" (5) die Möglichkeit zur emotionalen Teilhabe durch den Rezipienten.

Das Konzept des personifizierten Todes bewegt sich Evelyn Echle zufolge "im Spannungsfeld zwischen der Unmittelbarkeit ihrer somatischen Präsenz und ihrer gleichzeitigen textuellen Abstraktion" (3). Die somatische Präsenz der Figur steht in interdependenter Beziehung zur Filmhandlung, so dass sukzessive vermittelte Informationen über die Figur des Todes in ein kohärentes Gesamt-Figurenmodell überführt werden. Evelyn Echle orientiert sich hier an dem von Murray Smith entwickelten Modell der structure of sympathy. Diesem Modell folgend werden die Analyse-Kategorien recognition, alignment und allegiance durch Evelyn Echle genutzt, um die Figur des Todes "im Hinblick auf narrative Strukturen, [...] Individualisierung oder auch als zentrale Bezugsgröße für die Teilhabe des Publikums" (18) zu analysieren.

Um die Kohärenz des Todes als Figur zu gewährleisten argumentiert Evelyn Echle für die Integration des symbolisch-metaphorischen Systems der Allegorie. Die Allegorie dient, als ikonographische Formel begriffen, der expliziten Markierung einer Film-Figur als 'Figur des Todes'. Diese Markierung greift auf Artefakte, wie z.B. "Stundenglas, Schachbrett oder Schädel" (2) zurück, die traditionell mit dem personifizierten Tod assoziiert sind. Das allegorische Vorwissen und die Handlungsentwicklung im Film bilden folglich die beiden wichtigen Strukturkomponenten der Figur des Todes. Dieser filmische Topos "oszilliert also zwischen narrativen Parametern der individualisierten, partiell psychologisierten filmischen Figur und tradierter Allegorik" (4).

Trotz der Kürze dieser Arbeit gelingt Evelyn Echle ein fundierter und präziser Überblick filmwissenschaftlicher Theorien, die sich mit dem Konzept der Figur und dem symbolisch-metaphorischen System der Allegorie befassen. Besonders aussichtsreich erscheint die Weiterführung dieses Analysegegenstands mit besonderem Fokus auf aktuellere Filmbeispiele. Diese zeigt eine Veränderung und Erweiterung der Thematik, dessen Analyse lohnenswert erscheint: Die dramaturgische Konzeption des Todes erscheint nicht länger auf eine körperliche Manifestation innerhalb einer Figur angewiesen. Wird der Tod in entkörperlichter Form dargestellt, wie er beispielsweise in den Final Destination Filmen (James Wong, 2000; David R. Ellis, 2003; James Wong, 2006; David R. Ellis, 2009) inszeniert wird, so verändern sich gleichermaßen das symbolisch-metaphorische System der Allegorie und die Relevanz des Figuren-Konzepts. Der Tod ist nicht länger der an die Körperlichkeit gebundene Schnitter oder Sensenmann, der allein durch sein 'Figur-Sein' Aspekte prototypischer Wahrnehmung konfiguriert, sondern er wird zu einer sphärisch-körperlosen Entität, die jede allegorische Sichtbarkeit vermissen lässt und nur anhand von physikalischen und den Tod provozierenden Effekten innerhalb der Diegese lokalisierbar wird.

Lars Grabbe