Madeleine Haehl: Les Affaires étrangères au temps de Richelieu. Le secrétariat d'État, les agents diplomatiques (1624-1642) (= Diplomatie et Histoire; 11), Bruxelles [u.a.]: Peter Lang 2006, 370 S., ISBN 978-90-5201-284-1, EUR 31,60
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Das 17. Jahrhundert gilt als das große Jahrhundert der französischen Diplomatie - nicht nur der militärischen Macht, auch dem Geschick und dem Können seiner Diplomaten sei der Aufstieg des Königreichs Frankreich zur Hegemonialmacht und zum Modell für das restliche Europa zu verdanken, so die allgemeine Lehrmeinung. Daher richtete sich das Interesse der Historiker bereits seit dem 19. Jahrhundert auf die Entstehung des französischen Außenministeriums (bzw. Staatssekretariat für die auswärtigen Angelegenheiten) und des Gesandtschaftswesens der französischen Monarchie; zahlreiche weitere Studien folgten. [1]
An diese Tradition knüpft die vorliegende, aus einer an der Universität Lyon III eingereichten rechtshistorischen Thèse herausgegangene Untersuchung von Madeleine Haehl an. In den einleitenden Kapiteln beschreibt sie die institutionellen Voraussetzungen (Kap 1-2, Entstehung der Staatssekretariate) sowie die Aufgaben des Staatssekretariats für die auswärtigen Angelegenheiten (Kap 3), und porträtiert anschließend die Staatssekretäre, deren wichtigsten Mitarbeiter, die "premier commis", schließlich abschließend die Gesandten Frankreichs, vom Botschafter bis zum einfachen Informanten. Ihre Studie gründet vor allem auf der Auswertung der Korrespondenzen Richelieus und der Überlieferung der Archives du Ministère des Affaires étrangères in Paris. Diese werden ausgiebig zitiert und kommentiert.
Das Staatssekretariat für die auswärtigen Angelegenheiten entstand wie auch die anderen Staatssekretariate in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nach einem Erlass Heinrichs III., der die Arbeit des conseil du roi besser organisieren wollte. Ursprünglich gab es keine festen Zuordnungen nach dem Ressortprinzip, der Zuständigkeitsbereich der vier Staatssekretäre umfasste sowohl innere als auch äußere Angelegenheiten. Erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts begann sich eine Spezialisierung herauszubilden, und erst in der Epoche Richelieus wurden die wegweisenden Regelungen erlassen, die zur Entstehung des Staatssekretariats als eines veritablen Außenministeriums führten. Doch darf man dabei nicht vergessen, dass in diesem "Ministerium" nur wenige Mitarbeiter beschäftigt waren: Der Staatssekretär, dazu im frühen 17. Jahrhundert noch ein oder zwei "premier commis" sowie einige subalterne Angestellte für die Ausführung der Schreibarbeiten. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kann man eine veritable Behördenstruktur erkennen, mit einer Aufteilung in mehrere Büros mit spezifischen Zuständigkeitsbereichen.
Zwei Phasen der Entwicklung des Staatssekretariats unter Richelieu können unterschieden werden. Eine erste, von 1624 bis 1626, stand noch ganz im Zeichen der institutionellen Zersplitterung - in diesen Jahren war das Staatssekretariat zwischen drei Staatssekretären aufgeteilt (Lomenie de Brienne, Phélypeaux d'Herbault und Potier d'Ocquerre). Die entscheidende Zäsur für die Herausbildung des Staatssekretariats als "Behörde" stellt das "Règlement" vom 11. März 1626 dar, mit dem die Verantwortung für die Kommunikation mit den französischen Gesandten im Ausland in die Hand eines Staatssekretärs gelegt wurde, Phélypeaux d'Herbault.
Dessen Tod im Jahre 1629 nutzte Richelieu, um die vollständige Kontrolle über das Staatssekretariat zu erhalten, indem er es mit seinem Vertrauten Claude Bouthillier besetzte. Als dieser 1632 in die surintendance de finances wechselte, übernahm sein Sohn Léon Bouthillier, comte de Chavigny, die auswärtigen Angelegenheiten. Chavigny war einer der engsten Vertrauten und Mitarbeiter Richelieus und genoss zugleich auch das Vertrauen Ludwigs XIII. Eine eigenständige Rolle im außenpolitischen Entscheidungsprozeß aber hatte er nicht - die Richtlinien der Außenpolitik bestimmte der Kardinal. Nach Richelieus Tod änderte sich nichts an dieser Konstellation, jetzt war es Mazarin, der die Außenpolitik kontrollierte. Dem Staatssekretär für die auswärtigen Angelegenheiten als einem der wichtigsten Ratgeber des Königs begegnet man erst nach dem Tode Mazarins und der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Ludwig XIV. im Jahre 1661. Erster in einer langen Reihe von Amtsinhabern war Hugues de Lionne (1611-1671), der noch unter Richelieu als Diplomat "ausgebildet" wurde.
Diese Fakten sind an sich bereits lange bekannt und Haehl fügt ihnen nichts Neues hinzu. Ihrer Studie fehlt eine veritable Fragestellung und so bleibt die gesamte Darstellung auf einem rein deskriptiven Niveau. Störend sind die zahlreichen Wiederholungen, sei es das Verweisen auf das "Règlement" von 1626, seien es biographische Hinweise. Der Informationsgehalt ihrer prosopographischen Angaben ist beschränkt: Einzig das "Dictionnaire historique" von Moreri (Ausgabe 1712) wurde bei der Ermittlung biographischer Daten herangezogen, dabei gibt es zahlreiche einschlägige zeitgenössische Nachschlagwerke, die zur Rekonstruktion von Lebensläufen und Karrieren herangezogen werden können, ganz zu schweigen von den Möglichkeiten, die beispielsweise die Archives Nationales und die Bibliothèque Nationale bieten. Hier haben Delavaud, Piccioni und Ranum weitaus gründlicher gearbeitet. Die Bemerkungen über die Verfassung des Alten Reiches (255-257) gründen auf dem Kenntnisstand der 1930er Jahre, so scheint es. Dabei gibt es auch in französischer Sprache mittlerweile Darstellungen zur Geschichte des Alten Reiches, die die Ergebnisse von rund 50 Jahren Forschung zur Reichsgeschichte in Deutschland rezipieren.
Angesichts der Forschungslage - die Genese des Staatssekretariats und die Karrieren der "premier commis" sind gut erforscht - wäre eine Konzentration auf eine Untersuchung des diplomatischen Personals sinnvoller gewesen: Ausgehend von einer Prosopographie hätte eine Analyse der Netzwerke und der Klientelverbindungen das System der Macht Richelieus weiter erhellen können.
Will man sich über die Geschichte des Staatssekretariats der Auswärtigen Angelegenheiten informieren, so ist man weiterhin auf die älteren Spezialstudien angewiesen, die von Haehl nicht ersetzt werden. Einzig die Zusammenstellung der diplomatischen Vertreter Frankreichs in Europa 1624-1642 besitzt einen gewissen Informationsgehalt, aber mehr auch nicht.
Anmerkung:
[1] Armand Baschet: Histoire du dépôt des archives des affaires étrangères à Paris, Paris 1873; Louis Delavaud: Quelques collaborateurs de Richelieu, in: Lair, J.; Courcel, Baron de (Hrsg.), Rapports et notices sur l'édition des Mémoires du Cardinal de Richelieu préparés par la Société de l'histoire de France, 3 Bde., Paris 1905-14, Bd. 2 (fasc.5, Nr. XVI), 44-308; Camille Piccioni: Les Premiers commis des Affaires étrangères au XVIIe et XVIIIe siècle, Paris 1928; Camille-G. Picavet: La Diplomatie française au temps de Louis XIV 1661-1715, Paris 1930; Orest Ranum: Les Créatures de Richelieu. Secrétaires d'Etat et Surintendants des Finances 1635-1642, Paris 1966 [zuerst Oxford 1963]; Jean-Pierre Samoyault: Les Bureaux du secrétariat d'Etat des affaires étrangères sous Louis XV, Paris 1971.
Sven Externbrink