Stefanie Lieb / Petra Sophia Zimmermann: Die Dynamik der 50er Jahre. Architektur und Städtebau in Köln, Petersberg: Michael Imhof Verlag 2007, 168 S., 18 Farb-, 149 s/w-Abb., ISBN 978-3-86568-295-6, EUR 29,95
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Keine andere deutsche Stadt wurde und wird von den städtebaulichen Planungen und der Architektur der 1950er-Jahre stärker geprägt als Köln. Mit dem vorliegenden Band, der begleitend zu einer gleichnamigen Ausstellung erschien, möchten die Autorinnen zum einen eine "aktuelle Aufarbeitung der 50er-Jahre-Architektur in Köln" (7) präsentieren und zum anderen "das allgemeine Bewusstsein für den Wiederaufbau [...] schärfen und aus ganzheitlicher Sicht einen überlegten Umgang mit den baulichen Erzeugnissen dieser Zeit anregen." (7) Dazu stellen die Autorinnen die wichtigsten städtebaulichen Planungskriterien und die herausragenden architektonischen Bauwerke Kölns aus der Wiederaufbauzeit vor und verweisen auf deren Bedeutung auch für die aktuellen Stadtplanungen. Interviews mit Protagonisten des Wiederaufbaus und ein umfangreicher Katalog ergänzen den Band.
Zwei einführende Artikel skizzieren die Grundlinien von Architektur und Städtebau der 50er-Jahre in Köln. Petra Sophia Zimmermann beschreibt in ihrem Text "Das Neue Köln" - die Wiederaufbauplanungen nach dem zweiten Weltkrieg" die städtebaulichen Entwürfe des 1946 zum "Generalplaner für den Wiederaufbau" (9) ernannten Rudolf Schwarz. Schwarz wollte durch seine Planungen die 2000-jährige Geschichte Kölns im Stadtbild sichtbar werden lassen und dabei gleichzeitig die Stadt als zeitgenössischen Organismus behandeln, der die Anforderungen an ein modernes und zukunftsorientiertes Leben erfüllen sollte. Zimmermann konzentriert sich auf Schwarzens Planungen für die Altstadt und legt ihren Ausführungen einen in der Fachliteratur zwar bereits publizierten, bisher jedoch nur spärlich ausgewerteten Plan zugrunde, den Schwarz im Oktober 1948 entwickelte. Diesen vergleicht sie mit den Konzeptionen, die Schwarz in einer von der Stadt Köln herausgegebenen Schrift von 1950 vorstellte. [1] Schwarz unterteilte die Altstadt in verschiedene "Kirchspiele", um die "Stadtmasse" im Sinne der Stadtplanungstheorie der aufgelockerten und gegliederten Stadt in überschaubare Einheiten zu untergliedern. Die Autorin geht detailliert auf Schwarzens Planungen zur Lage und Ausprägung der Brücken und der Ringstraße sowie zum Verlauf der Ost-West-Achse und der Nord-Süd-Straße ein. Ein Unterkapitel widmet sie den Planungen zur Hohenzollernbrücke und der Diskussion um die Verlegung des Hauptbahnhofs. Als prägend für das Stadtbild beschreibt Zimmermann den Wiederaufbau von zehn der zwölf damals zum Teil stark kriegszerstörten romanischen Kirchen sowie verschiedener profaner Großbauten, beispielsweise des Rathauses mit Turm, des Gürzenichs von Karl Band und Rudolf Schwarz, einiger Patrizierhäuser sowie der Bebauung am Alten Markt. Als ebenso wichtig für das Stadtbild bezeichnet sie die Errichtung von Neubauten, die heute zu den "Inkunabeln" der 50er-Jahre-Architektur zu rechnen seien, so beispielsweise die Empfangshalle am Bahnhof, die Oper von Wilhelm Riphahn sowie verschiedene Kinos, etwa die Hahnentor-Lichtspiele.
Auch Stefanie Lieb geht in ihrem Aufsatz zur "Form- und Materialästhetik der Kölner 50er-Jahre-Architektur" auf diese Bauten ein. Die Autorin weist auf die formalen Wurzeln der Architektursprache der 50er-Jahre hin und zeigt deren eigene Ästhetik an Kölner Beispielen auf. Es folgt eine sachkundige Beschreibung des Gürzenich und der Kapelle Madonna in den Trümmern von Gottfried Böhm, die für Lieb den "Umgang mit der alten Bausubstanz sowie ihre Kombination mit neuen Formvorstellungen" (25) geradezu versinnbildlicht.
Des Weiteren wendet sich Lieb gegen die Auffassung, dass die Fassaden der 50er-Jahre-Architektur vorwiegend von gleichförmigen und damit langweiligen Rastern gekennzeichnet seien. Vielmehr böten mehrere Bauten in ihrer Außenhaut interessante Varianten, so beispielsweise das Verwaltungsgebäude der Concordia-Versicherung am Maria-Ablaß-Platz von Wilhelm Riphahn und Paul Doetsch oder das Autohaus Fleischhauer ("Ringhof") von Hans Schilling am Hohenzollernring. Aber auch der Kölner Wohnungsbau der 50er-Jahre fasziniere durch einen "Variantenreichtum in der Reliefierung und Akzentuierung" (29), die durch die gekonnte Anordnung von Fenstern, Balkonen, Erkern oder Treppenhäusern erzielt werde. Zudem beschreibt sie verschiedene, bis heute nachvollziehbare Innenraumkonzepte, die vor allem durch ihre Stimmigkeit bis ins Detail als Gesamtkunstwerke zu werten sind. Als Beispiele werden die ehemalige Kantine des WDR-Funkhauses am Wallrafplatz von Peter Friedrich Schneider, in dem heute das Restaurant Campi logiert, und die Informationshalle im Kölner Verkehrsamt an der Straße Unter Fettenhennen von Hans Joachim Lohmeyer angeführt. Wie auch Zimmermann bietet Lieb dabei einen kundigen und informativen Überblick über Architektur und Städtebau der 50er-Jahre in Köln, der hauptsächlich auf einer Auswertung der einschlägigen Fachliteratur fußt.
Den beiden einführenden Aufsätzen folgen Interviews mit Protagonisten des Wiederaufbaus in Köln. Rudolf Schwarz, Gottfried Böhm, Hans Schilling und Erich Schneider-Wessling berichten dort rückblickend und in aufschlussreicher Weise von ihrem persönlichen Erleben der Kriegs- und Nachkriegszeit und von den Anfängen des Wiederaufbaus. So berichtet Gottfried Böhm beispielsweise, dass auch er angesichts der schockierenden Zerstörungen der Bausubstanz einen Teil der Ruinenfelder als Mahnmal erhalten wollte. Hans Schilling resümiert, Köln sei durch den Wiederaufbau "sehr viel schöner geworden, als es je war" (41), denn die "muffige" Vorkriegsbebauung sei nun ersetzt durch "prächtige Dinge" und "schöne Bauten" (42). Erich Schneider-Wessling würdigt nochmals das "sehr verständliche städtebauliche Konzept" von Rudolf Schwarz, "Dörfer mit Mittelpunkten" zu schaffen. Er nennt hier speziell die städtebauliche Funktion der mittelalterlichen Kirchen, die Schwarzens Hauptthema von "öffentliche[n] Bauten im Kern und individuelle[n] Bauten drum herum" (44) folgen. Diesen Teil des Bands beschließt ein Interview mit Ulrich Krings, dem langjährigen leitenden Stadtkonservator Kölns (1993-2005), der als nicht direkt Beteiligter am Wiederaufbau ein differenziertes Fazit der Planungen zieht.
Das fünfte Kapitel der Publikation schließlich widmet sich der Dokumentation von verschiedenen Kölner Projekten des Städtebaus und der Architektur der 50er-Jahre. Diese werden in Text, Plan und Bild vorgestellt. Die qualitätvollen, teils großformatig abgebildeten Fotos und das Kartenmaterial von Vorkriegszustand, Zerstörung und Aufbau werden teilweise durch zeitgenössische Zustandsbetrachtungen ergänzt und vermitteln so einen umfassenden Eindruck von den Planungen im Köln der 50er-Jahre. Sie machen die Betrachtung dieses Buchs zu einem optischen Vergnügen.
Insgesamt vermittelt das Buch informativ und kurzweilig zahlreiche Einsichten in die Planungen und die Bautätigkeit der 50er-Jahre in Köln und über deren Bedeutung für Kölns heutiges Stadtbild.
Anmerkung:
[1] Rudolf Schwarz: Das neue Köln, ein Vorentwurf, in: Das neue Köln, ein Vorentwurf, hg. von der Stadt Köln, Köln 1950.
Sandra Wagner-Conzelmann