Armin Heigl: Cuius regio, eius religio? Vom Versuch die Oberpfälzer zu Calvinisten zu machen (= Regensburger Beiträge zur Regionalgeschichte; Bd. 6), Regensburg: Edition Vulpes 2009, 148 S., ISBN 978-3-939112-18-1, EUR 16,00
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Schon das Fragezeichen im Titel "Cuius regio, eius religio? " der vorliegenden Publikation Armin Heigls signalisiert, dass die im Augsburger Religionsfrieden erfolgte Festschreibung für das Territorium der Oberpfalz kritisch zu hinterfragen ist; dies unterstreicht der Untertitel "Vom Versuch die Oberpfälzer zu Calvinisten zu machen".
Dem Umstand, dass die Abhandlung bereits 1999 als Zulassungsarbeit für das Erste Staatsexamen am Institut für Neuere Geschichte an der LMU München eingereicht wurde, aber erst zehn Jahre später im Druck erschien, ist es geschuldet, dass die "neueren Arbeiten [zur Konfessionalisierung] bei der Druckvorbereitung aus Zeitgründen nur kursorisch berücksichtigt werden konnten" (9). Die Arbeit versteht sich vor allem im Hinblick auf die reiche Überlieferung, die sich im Staatsarchiv Amberg findet und über die Erwin Stoiber ein "Findbuch" erstellte, das seinerseits Aufnahme in die Publikation fand, als "strukturierende Vorstudie", die als Dissertation hätte fortgeführt werden sollen. Diese Absicht unterstreicht auch das im Hinblick auf den Gesamtumfang des Buches (148 Seiten) relativ breit angelegte erste Kapitel über "Forschung, Fragestellung und Methode" (13-34).
In diesem stellt Heigl mit Konfessionalisierung, Sozialdisziplinierung, Kirchenzucht und Volkskultur sowie Volksfrömmigkeit "wichtige Forschungsgebiete und -paradigmen der Frühen Neuzeit vor" (12). Aus den Forschungsdesideraten entwickelt er Fragestellung und Methode, "um daran anschließend den Wert der Visitationsakten als mentalitätsgeschichtliche Quelle zu beschreiben" (12).
Im zweiten Kapitel, dem Hauptteil seiner Arbeit, widmet sich der Verfasser den "Reaktionen der Oberpfälzer Bevölkerung auf die Calvinisierung". Hier beschäftigt er sich eingangs mit den "Handlungsspielräumen der Oberpfälzer Bevölkerung", beginnend mit der nicht immer einfachen Territorialgeschichte und -struktur der Oberpfalz. Diese erklärt mit, warum das im Hausvertrag zu Pavia von 1329 an die Kurpfalz gekommene Gebiet "ungestört vom Landesherrn eine eigene Spielart der Reformation entwickeln konnte" (38). Bedeutsam wurde dies freilich erst, "als der Interessengegensatz zwischen der Heidelberger Zentrale und den Ständen auch zu einem Konfessionskonflikt wurde" (38).
Da "die sozialen und wirtschaftlichen Strukturen, in die ein Mensch eingebunden ist, [...] wesentlich seine Mentalität [prägen]" (40), geht Heigl im Folgenden auf die von der Landwirtschaft und der Montanindustrie geprägte Wirtschaft der Oberpfalz ein. Die besondere Wirtschaftsstruktur und Agrarverfassung verstärkten "sowohl die vertikalen als auch die horizontalen Abhängigkeiten" (40), und schufen somit ein regionales Sonderbewusstsein, "das gegen eine Einflussnahme von außen relativ resistent war und für das das Luthertum als Widerstandsideologie fungierte" (41).
Von der Agrarverfassung schlägt Heigl den Bogen zur Verfassung und den sozialen Normen dörflicher Gemeinschaften, die, wenn sie oder ihr Bestand bedroht wurden, durchaus zur Abwehr fähig waren (vgl. 52). Den Gedanken der Abwehr, wenngleich von existentiellen Bedrohungen, thematisiert Heigl ebenso im Zusammenhang mit der Volksfrömmigkeit, in die "problemlos Elemente der offiziellen Religion" assimiliert werden konnten (54).
Deren Darstellung beginnt Heigl mit dem Umstand, dass nach der Einigung im Augsburger Religionsfrieden zwei Konfessionen im Reich bestanden, die katholische und die geduldete protestantische. Obwohl der Calvinismus nicht anerkannt war, trat Kurfürst Friedrich III. 1559 offen für diesen ein und "veröffentlichte 1563 die erste deutsche calvinistische Kirchenordnung mit dem Heidelberger Katechismus" (55), dessen Verfasser "den Calvinismus mit keinem Wort [erwähnten], um nicht vom Religionsfrieden ausgeschlossen zu werden" (75). Im Gegensatz zur Rheinpfalz verhinderte "das Selbstbewusstsein der Oberpfälzer Stände im Bund mit Statthalter Ludwig (VI.)" (59) den Aufbau analoger Strukturen zum Heidelberger Kirchenwesen.
Doch war es dies nicht allein. Von großer Bedeutung waren ebenso die Spannungen, die aus dem Verhältnis der protestantischen Konfessionskirchen und der Volkskultur resultierten, "denn fast kein Bereich der Volkskultur wurde den neuen moralischen und religiösen Standards der Kirchenzucht gerecht" (61). Dabei zeigt sich, dass "vor allem die reformierten Kirchenordnungen mit den Lebensweisen der ländlichen Gesellschaft kollidideren" (62), wenngleich auch das Luthertum das religiöse Leben "verkirchlichte" (65).
Vor diesem Hintergrund widmet sich Heigl anhand der Chronologie der Ereignisse von der Einführung der "Reformation von unten" bis zur Statthalterschaft Christians von Anhalt der Frage, wie sich die im ersten Abschnitt des zweiten Kapitels "behandelten Faktoren im Lauf der Zeit veränderten, bei welchen Konstellationen sie zu offenem Widerstand führten und wann es bei Resistenz blieb" (70).
Eine Betrachtung "der Reformation von unten bis 1556" kommt nicht an der exorbitanten Stellung der Stadt Amberg vorbei, die diese dabei innehatte. Kurfürst Ottheinrich konnte seine "territoriale Konfessionspolitik" (74) bereits auf dem Prinzip "cuius regio, eius religio" begründen.
Ihm folgte die erste Einführung des Calvinismus unter Kurfürst Friedrich III., die die Stände der Oberpfalz entschieden ablehnten. Um sein Ziel zu erreichen, ersetzte Friedrich nicht nur die lutherische Regierung, berief calvinistische Prediger und gestaltete das Amberger Pädagogium um. Noch einmal wandte sich das Blatt, nachdem Ludwig - wenngleich nur für wenige Jahre (1576-1583) - Kurfürst geworden war. Für seinen noch unmündigen Sohn, den späteren Kurfürsten Friedrich IV., übernahm der calvinistische Pfalzgraf Johann Casimir die vormundschaftliche Regierung und leitete die zweite Calvinisierung der Oberpfalz ein, die bis 1618 andauern sollte. Der religionspolitische Kurs seiner Regentschaft eskalierte rasch und erreichte im "Amberger Lärmen" den Höhepunkt der Auseinandersetzungen.
Eine neue - wenngleich für die lutherischen Stände der Oberpfalz wesentlich gefährlichere - Entwicklung markiert die 1595 beginnende Statthalterschaft Christians von Anhalt, "der die dazu nötigen diplomatischen und politischen Fähigkeiten besaß" (95). Um die Kenntnisse über die calvinistischen Glaubensgrundsätze zu nähren, wurde mit dem "Institutionswerk" ein "flächendeckendes Kathecheseprogramm" (96) eingeführt, gegen das sich vor allem die Stadt Amberg sträubte, dessen Luthertum daraufhin Anhalt "an seiner ökonomischen und sozialen Basis" (97) angriff, dem Eisenhandel.
Der Widerstand auf dem flachen Land entzündete sich dagegen vielfach am sozialen Gegensatz zwischen den landfremden calvinistischen Pfarrern und ihrer Gemeinde. "Hätten die calvinistischen Kirchendiener leichteren Zugang zu den Gemeinden gefunden, dann hätte sich womöglich auf lange Sicht der Calvinismus durchsetzen lassen" (100). Letztlich beendete die Außenpolitk des Statthalters einen positiven Fortgang seiner Konfessionspolitik.
Nach einer Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse seiner Arbeit regt Heigl abschließend an, die Visitiationsprotokolle mit der sprachwissenschaftlichen Methode der Diskursanalyse zu untersuchen (106-108). Ein Quellen- und Literaturverzeichnis, der bereits erwähnte Überblick über die einschlägigen Archivalien von der Hand Erwin Stoibers sowie ein Register runden die Arbeit ab.
Insgesamt ist es zu begrüßen, dass die Arbeit nicht "ungelesen in einem Archiv verstaubt" (9) ist, sondern aufgrund des Engagements von Prof. Dr. Peter Schmid und dem Leiter des Archivs des Katharinenspitals Regensburg, Dr. Artur Dirmeier, in den "Regensburger Beiträgen zur Regionalgeschichte" erscheinen konnte. Dies umso mehr, als der Ansatz einer mentalitätsgeschichtlichen Analyse der Visitationsprotokolle Neuland in der Bewertung der Entwicklung der Konfessionalisierung der Oberpfalz darstellt. Es ist bedauerlich, dass Vieles nicht weiter ausgeführt werden konnte, sondern einer zukünftigen Darstellung vorbehalten bleiben muss. Daneben ist es natürlich auch nicht unproblematisch, die zwischen dem Einreichen der Zulassungsabeit und ihrer Drucklegung erschienene Literatur nur sehr sporadisch zur Kenntnis zu nehmen. Trotzdem würde es der von Heigl eingeschlagene Weg verdienen, weiter gegangen zu werden.
Johannes Laschinger