Bahargül Hamut: Silsilat aẕ-Ẕahab. Kommentierung einer čaġatai-uigurischen Handschrift zu den Aqtaġliq Ḫoǧilar, einer mystischen Gruppierung in Xinjiang im 16.-18. Jahrhundert (= Studien zur Sprache, Geschichte und Kultur der Türkvölker; 10), Berlin: Klaus Schwarz-Verlag 2011, 348 S., ISBN 978-3-87997-384-2, EUR 74,00
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In der Islamwissenschaft haben wir es häufig noch immer mit der Erschließung wichtiger, aber sprachlich und paläographisch extrem schwieriger Handschriften zu tun. Bisweilen geht es auch um Regionen, die von der "westlichen" scientific community aufgrund ihrer "Randlage" (und wegen der hohen philologischen Anforderungen) nur rudimentär behandelt worden sind. Eine solche Gegend ist Xinjiang, obgleich dieser zentralasiatische Raum in der Geschichte für den Austausch von Gütern, Menschen und Ideen (Stichwort: Seidenstraße) eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hat. Insofern kann man es durchaus als Glücksfall ansehen, dass sich hier eine Bearbeiterin gefunden hat, die über die sprachlichen Kompetenzen (uigurisch, chinesisch, persisch, arabisch, deutsch, englisch) verfügt, einen 1990 in Ucturfan entdeckten und für die Forschung sehr bedeutenden hagiographischen Text aus dem Jahre 1876 angemessen zu bearbeiten. In dem von einem gewissen Mulla Huabärdi Hälifa verfassten Werk Silsilat aẕ-Ẕahab geht es um die Geschichte der - der Naqsbandiyya zuzurechnenden - sufischen Gruppe der Aqtagliq Hogilar und ihres bekanntesten Großmeisters Afaq Hoga in Xinjiang in der Zeit vom 16. bis in das 19. Jahrhundert hinein. Zusammen mit ihren Konkurrenten, den Qaraqtagliq ("Schwarz-Bergler") hatten die Aqtagliq ("Weiß-Bergler") großen Anteil an dem religiös-gesellschaftlichen Leben in der Region.
Die Arbeit, eine Promotionsschrift, die 2009 von der philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern angenommen worden ist, setzt ein mit einer Übersicht über die bisher zu diesem Thema geleistete Forschung. Und gerade hier sieht man, wie wichtig es ist, dass jemand wie Bahargül Hamut sich der ersten Aufbereitung des Manuskripts gewidmet hat. Denn neben der rudimentären westlichen Beschäftigung mit der vormodernen Geschichte Xinjiangs, die erst mit den Aufsätzen von Thierry Zarcone und vor allem mit der 2005 in Paris erschienenen Monographie von Alexandre Papas (Soufism et politique entre Chine, Tibet et Turkestan.) etwas in Schwung gekommen ist, gibt es nämlich eine Reihe ernstzunehmender nicht-westlicher Beiträge zum Thema. In China sind neben den Untersuchungen von Cui Weiqi, Chen Guoguang und Pan Xiangming vor allem die Studien von Liu Zhengyin und Wei Liangtao zu nennen (insbesondere ihr Buch The Khwajas of the Western Region (chin.). Peking 1998). Aber auch die uigurische Forschung (etwa die Beiträge von Hörmätgan Abdurrahman Fikrät und Ähmätgan Häsän) darf nicht vernachlässigt werden, ebensowenig wie die Arbeiten des Japaners M. Sawada.
Auf einen kurzen historischen Abriss über die Geschichte der Hogilar (35-43) und einigen Erläuterungen zur Handschrift (44-49) folgt ein sehr informativer Kommentar (50-98), der sich eng an den Text hält und Kapitel für Kapitel vorgeht. Insbesondere kontextualisiert die Verfasserin die wichtigsten Personen (Sayyid Mawlana Galaliddin, Ahmad Kasani, Muhammad Yusuf, Afaq Hoga, Sahib-i Qiran) und die in der Silsilat aẕ-Ẕahab erwähnten Schlüsselereignisse (die Hogilar als Geiseln in Ili, der Aufstand der Brüder Hogilar). Darüber hinaus finden sich auch sehr hilfreiche Erklärungen zur "Ahnenkette" (silsila) von Mahdum-i A'zam und Informationen zur Rivalität zwischen den Aqtagliqlar und den Qaratagliqlar. Es schließt sich eine mit zahlreichen nützlichen Anmerkungen versehene Paraphrase (= "verkürzte Übersetzung", wie die Verfasserin schreibt) der Hagiographie an (102-187). Der deutsche Text liest sich flüssig und kann insgesamt überzeugen. Literaturverzeichnis, Index, vier Diagramme verschiedener "Ahnenketten" und eine genealogische Darstellung der Aqtagliq Hogilar, eine Karte der Region und eine Photographie des Mausoleums von Afaq Hoga in Kasgar sowie Faksimiles der Handschrift runden die Arbeit ab. Alles in allem haben wir es mit wirklicher Grundlagenforschung zu tun - ein sehr schwieriger Text liegt dank der Dissertation von Bahargül Harmut vor und kann nun weiter bearbeitet und erschlossen werden.
Stephan Conermann