Tillmann Bendikowski: Friedrich der Große, München: C. Bertelsmann 2011, 336 S., 33 Farbtafeln, ISBN 978-3-570-01131-7, EUR 19,99
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Die im öffentlichen Umgang mit der Geschichte zunehmend in den Vordergrund tretende Event-Kultur mit ihren zumeist an der Oberfläche kratzenden Präsentationsformen, aber auch die Kommerzialisierung von Informationen sowie deren Nutzung in geschichtspädagogischer Absicht bringen es mit sich, dass neben dem historischen Roman, der wissenschaftlich fundierten Geschichtserzählung und dem fachwissenschaftlichen Werk auch ein Genre fröhlich Urstand feiert, das von allem etwas bietet. Dazu zählt das vorliegende Werk.
Eingangs beschreibt der Autor entlang bekannter Details, die im Kontext der tradierten Friedrich-Erzählung mehr oder minder unverzichtbar sind, das Leben des Helden. Gelegentlich wird aus Friedrichs zahlreichen Werken zitiert, hin und wieder kommt ein Historiker zu Wort.
Besinnliches zum Alten Fritz wechselt sich ab mit leiser Kritik, wie sie in den letzten Jahrzehnten formuliert wurde. Friedrich als Feldherr tritt zurück, dafür werden die Jugend, Rheinsberg sowie der fürsorgliche Landesvater in bekannter Weise etwas ausführlicher beschrieben. Dann wendet sich der Verfasser, etwas unerwartet für den Leser, seiner eigentlichen Intention zu, die Wahrnehmung des Königs durch die Nachgeborenen zu beschreiben (150-283, bes. 232-275). Hier fallen seine Beiträge zur Bundesrepublik vor 1989 und zum Umgang des kommunistischen Deutschlands mit Friedrich ins Auge.
Dagegen ist nichts einzuwenden, auch wenn man über die historische Gewichtung der einzelnen Passagen gewiss unterschiedlicher Auffassung sein kann, denn für die Konzeption der Friedrich-Legende war das 19. Jahrhundert mit all seinen Spannungen verantwortlich. Spätere Generationen haben die damals getroffenen interpretatorischen Richtungsentscheidungen nur noch unwesentlich verändert. Dies verdeutlicht der historiographische Überblick zu wenig. Die vom Verfasser getroffene Auswahl der herangezogenen Historiker und ihrer Schriften ist nicht immer nachzuvollziehen.
Bedenklich stimmt jedoch vor allem die "Machart" eines solchen Buches, die sowohl dem Lektorat als auch dem Autor ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Da liest man voller Verwunderung in einem kurzen Abschnitt zum Schicksal der bedauernswerten Elisabeth Christiane von Braunschweig, der Gemahlin Friedrich II., "...so blieben persönliche Kontakte mit Friedrich doch bis zu ihrem Lebensende im Jahr 1797 die Ausnahme" (67). Solche kleinen Fehlgriffe finden sich leider immer wieder.
Mit Interesse wird sich der Leser dennoch dem Teil dieses Buches zuwenden, wo der Autor die vielfach gebrochene Hinwendung zu Preußen und dessen größtem König in beiden Teilen Deutschlands nach 1945 behandelt, zumal diese Thematik nach wie vor Fragen aufwirft. Manche Details vermag der Autor auszubreiten, erhellenden Aufschluss über die Motivationslagen der Friedrich-Verehrer und Gegner findet der Leser jedoch nur partiell.
Den Rehabilitierungsversuchen in Ost und West lagen schließlich sehr unterschiedliche Absichten zugrunde. Im Westen war anfangs das Bemühen vorherrschend, Reste bewährter Traditionen zu bewahren und deren Mediatisierung durch die Geschichte des Nationalsozialismus abzuwehren. Dies verschlang eine Menge intellektueller Kraft und eine Menge Papier, um nicht sogleich als eine Entlastungsstrategie durchschaut zu werden.
Im Osten musste erst das schwer wiegende klassenkämpferische Verdikt über Preußen, das die offiziellen Stellungnahmen der 50er Jahre beherrscht hatte, punktuell gelockert und sachlich aufgebrochen werden, um Preußens historische Traditionen und damit auch Friedrich in ein erhofftes, von der Bevölkerung auch geglaubtes DDR-Nationalgefühl überführen zu können.
Einmal von der Staatsführung der DDR und den Kulturgewaltigen entschieden und beschlossen, war die wissenschaftliche Umsetzung des Vorhabens ein staatstragender Auftrag für eine marxistische Geschichtswissenschaft, der zur allgemeinen Zufriedenheit erfüllt wurde, wie der Verfasser zumindest in Ansätzen beschreibt.
Anders stellte sich die Situation im Westen dar. Dort ließ das Interesse an Friedrich und Preußen mit jedem Jahrzehnt, das verstrich, nach. Von der Wissenschaft wurden kaum noch wirksame Signale dazu in die Öffentlichkeit gesandt. Vielmehr waren es vor allem das bundesdeutsche Feuilleton, später das Hauptstadtfeuilleton und die Bildmedien, die sich immer wieder einmal des Themas in seiner Breite annahmen und plakativ Friedrich vermarkteten. Wobei man an der überlieferten "Markenpersönlichkeit" des Alten Fritz möglichst wenig rüttelte, um im Publikum den Wiedererkennungswert des Helden nicht zu gefährden.
Von alldem hören wir aber in dieser Publikation nichts. Stattdessen werden mehr oder minder bekannte Episoden einer wissenschaftlichen und publizistischen Friedrich-Rezeption beschrieben, die uns in der Frage, was an der historischen Person Friedrich oder auch an seiner Instrumentalisierung für eine breitere Öffentlichkeit heutzutage noch bewegt, nicht sonderlich weiterführen. Schließlich liefern sich heutzutage Museen und Feuilleton mit der universitär organisierten Wissenschaft nicht selten einen heftigen Konkurrenzkampf um öffentliche Deutungshoheit, insbesondere wenn ein Thema Chancen einer kommerziellen Vermarktung verheißt.
Peter-Michael Hahn