Peter Arnold Heuser (Bearb.): Die französischen Korrespondenzen Februar - Mai 1648. Unter Mithilfe von Rita Bohlen (= Acta Pacis Westphalicae. Serie II. Abt. B: Die französischen Korrespondenzen; Bd. 8), Münster: Aschendorff 2011, CX + 942 S., ISBN 978-3-402-13784-0, EUR 146,00
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Militärisch und politisch gerieten die Dinge im Frühjahr 1648 kräftig in Bewegung. Vereint setzten die schwedischen und französischen Truppenverbände unter ihren allerdings heftig zerstrittenen Feldherren Wrangel und Turenne zum Stoß gegen Bayern und die kaiserlichen Erblande an. Mit ihrem Sieg bei Zusmarshausen im Mai 1648 rissen sie endgültig die Initiative für die letzten Kriegswochen an sich und gaben damit auch der Diplomatie auf dem westfälischen Friedenskongress eine Wendung. In Münster war mit dem im Januar 1648 unterzeichneten und im Mai feierlich beschworenen Friedensschluss zwischen Spanien und den Niederlanden eine erneuerte Friedensdynamik in Gang gekommen, die den im Herbst erfolgenden Generalfrieden für das Reich mit vorbereitete. Damit verlagerte sich das Kongressgeschehen zu einem guten Teil von Münster nach Osnabrück, wo die Vertreter der Reichsstände um günstige Friedenskonditionen für ihre Auftraggeber rangen. Auch für die französische Kongresspolitik in Westfalen drängt sich in diesen Monaten der Eindruck beschleunigten Wandels auf, bis hinein in den von Veränderungen gekennzeichneten personellen Bereich. Zum einen hatte Frankreich den Verlust des wertvollen niederländischen Verbündeten zu verkraften, der nun für die Kriegführung gegen die Spanier nicht mehr zur Verfügung stand. Zum anderen konnte der zum Netzwerk um Kardinal Mazarin gehörige Friedensunterhändler Abel Servien endgültig seinen der Pariser Parlamentsaristokratie entstammenden Rivalen D'Avaux verdrängen, der im März 1648 vom Kongress abberufen wurde. Gemeinsam mit dem ihm eng verbundenen Residenten in Osnabrück, La Court, konnte der eifrige Servien den französischen Anteil an den Kongressgeschäften in Westfalen für die folgenden Monate der Verhandlungen ganz an sich ziehen.
Somit wird deutlich, dass die vorliegende APW-Edition der französischen Korrespondenzen aus dem Winter und dem Frühjahr 1648 einen zentralen Zeitraum und wesentliche Ereigniszusammenhänge der europäischen Politik- und Diplomatiegeschichte des 17. Jahrhunderts behandelt. Wie seine Vorläufer beruht der Band auf der dichten französischen Korrespondenzüberlieferung aus dem Umfeld des westfälischen Friedenskongresses, wobei hier einige höchst sinnvolle Akzentverschiebungen vorgenommen wurden. Neben dem Verhandlungsgeschehen in Münster und Osnabrück, dem sich Schreiben Mazarins, Serviens, La Courts und des Staatssekretärs Brienne widmen, kommen auch die inneren Entwicklungen in den niederländischen Provinzen zur Sprache. Dabei verdeutlicht der französische Gesandte im Haag, La Thuilerie, wie sehr die Angst vor einem weiteren Aufstieg Frankreichs die Haltung der niederländischen Eliten zugunsten eines Sonderfriedens mit Spanien beeinflusste (LXXXV). Daneben bemühte sich die französische Politik freilich weiterhin, durch Einflussnahme beim Prinzen von Oranien, bei den Generalstaaten und in einzelnen Provinzen, besonders in Utrecht und in Seeland, die Vereinigten Niederlande im Krieg gegen Spanien zu halten. Um die Auswirkungen des Verlusts eines besonders als maritime Macht bedeutenden Alliierten wenigstens für die Seekriegsführung so gering wie möglich zu halten, engagierte sich das Netzwerk um Mazarin sogar in einem geheimen Rüstungsprojekt, nämlich dem Ankauf des niederländischen Admiralsschiffs "Aemilia", das fortan im Kaperkrieg der Franzosen gegen die Spanier im Mittelmeer zum Einsatz kam (296-298). Hier überlagern sich, an einer Stelle, Diplomatie und Kriegsführung.
Die vielfachen Reflexionen und Aktivitäten, mit denen die französischen Diplomaten auf den Sonderfrieden der Niederlande mit der spanischen Krone reagierten, lassen deutlich erkennen, wie der Abschluss des seit langem ausgehandelten und nur an wenigen Punkten noch offenen französisch-spanischen Friedensprojektes ins Stocken geriet, um bald darauf ganz von der Agenda zu verschwinden. Im März 1648 gab sich Lionne, der Sekretär der französischen Regentin, in einem Brief an Servien bereits überzeugt, dass die nach ihrem diplomatischen Erfolg übermütig gewordenen Spanier die bisher ausgehandelten Grundlagen eines Friedensschlusses mit Frankreich in Kürze über den Haufen werfen würden (356). In der Tat zeigte sich im Verhältnis zwischen den beiden Großmächten eine steigende Verbitterung, die sich auch an kleineren Zwischenfällen am Rande des Kongressgeschehens ablesen lässt. Nicht zuletzt war dies auch den wirksamen Aktionen des spanischen Sekundargesandten Antoine Brun zuzuschreiben, eines geschickten Propagandisten und Pamphletisten, dessen Schlauheit die Franzosen trotz gegenteiliger Bekundungen fürchteten. Der von dem französischen Autor Guez de Balzac als "Demosthenes von Dole" gerühmte Jurist aus der Franche-Comté beunruhigte die Vertreter Frankreichs mit seinen Umtrieben (160 mit Anm. 4). Es war aus französischer Sicht zudem höchst unerfreulich, dass gerade Brun von der spanischen Krone nach dem Friedenschluss von Münster zum ersten Botschafter in Den Haag bestimmt wurde.
So kann der Band 8 der französischen Korrespondenzen mit einer ganzen Reihe interessanter Aspekte aus dem Getriebe europäischer Diplomatie in den letzten Monaten vor der Unterzeichnung der Instrumenta Pacis aufwarten. Sehr zu begrüßen ist es darüber hinaus, dass der Band im Register auch Begriffe der politischen Verkehrssprache wie "Autorité", "Cause commune", "République", "Souveraineté" etc. erfasst, um damit einem wachsenden Interesse der Geschichtswissenschaft an deren Bedeutungsspanne Rechnung zu tragen. Der Bearbeiter des Bandes, Peter Arnold Heuser, hat auch dem "Konkurrenzkonflikt" zwischen den Gesandten D'Avaux und Servien relativ viel Platz eingeräumt, da gerade die Erforschung derartiger Konflikte ein Desiderat der Forschung darstelle (XCVIII). Dem ist nur zuzustimmen, auch wenn es auf den Benutzer des Bandes verstörend wirken kann, mit welcher Beharrlichkeit Servien in seinen Schreiben an den der Königin nahe stehenden Lionne auf vermeintliche oder tatsächliche Fehltritte des unterlegenen Rivalen D'Avaux verweist (553, 623f.). Doch ist es für den Benutzer erfreulich, mit welcher Stetigkeit und gleich bleibenden Qualität die APW-Abteilung der Französischen Korrespondenzen sich ihrem Ziel nähert.
Thomas Nicklas