Susanne Lachenicht: Die Französische Revolution (= Geschichte kompakt), Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2012, 134 S., ISBN 978-3-534-15162-2, EUR 14,90
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Charles Walton: Policing Public Opinion in the French Revolution. The Culture of Calumny and the Problem of Free Speech, Oxford: Oxford University Press 2011
Edward James Kolla: Sovereignty, International Law, and the French Revolution, Cambridge: Cambridge University Press 2017
Matthias Klöppel: Revolution und Reichsende. Der Transformationsprozess von 1789 bis 1806 im Spiegel ausgewählter Leipziger Periodika, Wiesbaden: Harrassowitz 2019
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Hans-Ulrich Thamer: Die Französische Revolution, München: C.H.Beck 2004
Oliver Lamprecht: Das Streben nach Demokratie, Volkssouveränität und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts. Zum Staats- und Verfassungsverständnis der Deutschen Jakobiner, Berlin: Duncker & Humblot 2001
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Lehrbücher stellen höchste Qualitätsansprüche an Wissenschaftlichkeit, Didaktik und Gestaltung, denn sie verlangen gemeinhin nichts weniger als die Quadratur des Kreises: Klar und präzise sollen sie sein und zugleich doch jede Form von Vereinfachung und unangemessener Eindeutigkeit vermeiden, lehrreich, aber nicht belehrend und - neuerdings - in ihrer Gestaltung und Handhabbarkeit so ansprechend, dass sie es mit der elektronischen Konkurrenz des Internets aufnehmen können, ohne dabei auf die Vorzüge des Mediums Buch, wie etwa den Abdruck komplexer Texte, zu verzichten. Seit geraumer Zeit sucht die Wissenschaftliche Buchgesellschaft sich der Herausforderung zu stellen und produziert unter dem Rubrum "Geschichte Kompakt" Lehrbücher zur Geschichtswissenschaft, die als "Arbeitsgrundlage für Lehrende und Studierende ebenso wie als anregende Lektüre für historisch Interessierte" dienen sollen (VII). Dem Anspruch, "Basiswissen [...] klar, übersichtlich, präzise" zu vermitteln, versucht man auch buchgestalterisch gerecht zu werden: Zeittafeln leiten die Kapitel ein, neben den Lauftext sind diesen verschlagwortende Stichwörter gesetzt, eingeschobene kurze Erläuterungen zu Begriffen und Personen sowie Auszüge aus Quellentexten, Karten und Bildern ergänzen die Darstellung.
Der in diesem Jahr in der Reihe erschienene Band über Die Französische Revolution stammt von Susanne Lachenicht, Lehrstuhlinhaberin für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Bayreuth und Expertin für Europäische und Atlantische Geschichte, Kulturtransfer, Transnationalität und Komparatistik. Dass mit ihr eine Fachkennerin gefunden wurde, die den von den Herausgebern intendierten besonderen inhaltlichen Zuschnitt der Reihe zu bedienen versteht, nämlich in der zeitgemäßen Geschichtsschreibung die "Konzentration auf eine Nationalgeschichte" "zugunsten offenerer, vergleichender Perspektiven" zu überwinden (VII), steht außer Zweifel. Und so sind erwartungsgemäß auch die Ausführungen der Autorin zur Forschungsgeschichte ebenso untadelig, den neuesten Forschungsstand wiedergebend und fundiert wie die Präsentation von Faktenwissen in den folgenden Kapiteln zu Vorgeschichte und Ursachen der Französischen Revolution, zur Chronologie der Ereignisse und zur napoleonischen Zeit. Im zweiten, kürzeren Teil der Darstellung (Kapitel VI und VII) richtet die Autorin den Blick über die Ereignisse im revolutionären Frankreich geografisch hinaus und schildert deren Auswirkungen - zum Teil sogar bis 1848 - auf Europa und die atlantische Welt. Sie betrachtet dabei das Heilige Römische Reich, die Batavische Republik, die Schweiz, Italien, die Britischen Inseln, Haiti und Spanisch-Amerika und macht zusammenfassend deutlich, dass bei allen erkennbaren Parallelen die "Unterschiede in Ursachen, Verlauf und Wirkung" (120) überwogen. Diese Weitung des Blicks ist sicher die besondere innovative Stärke des Buches (die sich allerdings leider in seinem Titel nicht widerspiegelt).
Zugleich überfordert diese Ambitioniertheit die Leser allerdings auch ein wenig, die Eindeutigkeit der Fragestellungen und die Präzision der Darlegungen leiden unter der Fülle des Abzuhandelnden. Deutlich wird dies unter anderem schon bei der Formulierung der erkenntnisleitenden Fragestellung. "War die Französische Revolution wirklich ein Epochenumbruch?", lautet sie, und herausarbeiten will die Autorin, wie sie formuliert, "was denn diesen Epochenumbruch - wenn er wirklich einer gewesen ist - ausmacht" (2). Dass, wie und warum historische Zäsur, Kontinuität und Retardierungen unter den ganz besonderen Bedingungen der Französischen Revolution so eng miteinander und nebeneinander existierten, bleibt in den zusammenfassenden Darlegungen des Zwischenfazits aber etwas unstrukturiert und auch nicht immer ganz nachvollziehbar gewichtet. Ebenso verhält es sich mit den Ausführungen im zweiten Teil, wo Rundumschläge durch die Geschichte der skizzierten Territorien nötig werden, die die Autorin auch hier manchmal zu etwas unklaren inhaltlichen Gewichtungen verführen. Im Kapitel zum Heiligen Römischen Reich etwa erläutert Susanne Lachenicht als Folge der Französischen Revolution auf deutschem Boden die Sympathiebekundungen der deutschen Jakobiner ausführlich, verzichtet aber darauf, deren Organisationsstrukturen näher zu erläutern. In den Darlegungen erscheinen sie so mitunter als verstreut agierende Einzeltäter. Zudem grenzt die Autorin nicht klar ab zwischen tatsächlichen Jakobinern und solchen, die von den Zeitgenossen "mit dem schillernden Begriff 'Jakobiner' belegt wurden" (97), sich also lediglich solchermaßen von konservativen Geistern beschimpft sahen. Die Ergebnisse der französischen Besatzungspolitik im Heiligen Römischen Reich bleiben daneben unterbelichtet, die nicht ganz unbedeutende Gründung des Königreichs Westphalen etwa wird gar nicht erwähnt.
Das Schlusswort der Autorin, das zugleich eine Zusammenfassung des zweiten Teils darstellt, schließt an die Ausgangsfrage an: Gerade mit Blick auf die Betrachtung supranationaler Zusammenhänge plädiert Susanne Lachenicht abschließend dafür, Geschichte als offenen Prozess zu verstehen, "in dem es weniger um eine Wertung 'modern' / 'nicht modern' geht, als vielmehr um die Analyse von Kontinuität und Wandel und ihren Ursachen und Auswirkungen auf uns heute" (122). Dem ist sicher nicht zu widersprechen, allerdings irritiert vor diesem Hintergrund, dass die Ausgangsfrage gerade die nach dem "Epochenumbruch" war. Sie am Ende der Ausführungen, die sich bemühen, sie zu beantworten, im Grunde als nicht mehr ganz zeitgemäß zu charakterisieren, wirkt fast wie eine Kapitulation und weniger wie ein Plädoyer für eine (notwendige) Neuorientierung der Geschichtswissenschaft (die ganz so neu nicht ist, denn den Charakter der Revolution als Prozess mit offenem Ausgang hat François Furet schon 1978 betont, wie Lachenicht selber darlegt [91]). Das ist ganz sicher von der Autorin so nicht gemeint, aber eben doch ein wenig unglücklich hergeleitet.
Was die Frage der Angemessenheit und Zeitgemäßheit des Buches unter didaktischen Aspekten angeht, zwei Bemerkungen. Zum einen: Angehende Historiker(innen) müssen früh im Studium den kritischen Umgang mit historischen Quellen lernen. Insofern ist ein Lehrbuch, das es sich zum Prinzip macht, Auszüge aus Quellen vorzustellen, sicher sinnvoll. Notwendig wäre allerdings auch eine Anleitung zum 'richtigen' Lesen, also eine kurze Darlegung, um was für einen Text es sich jeweils handelt, wer ihn verfasst hat, in welchem Kontext und mit welcher Intention er geschrieben wurde. Das fehlt hier. Zum anderen: Mittlerweile können viele wichtige Quellentexte ohne größere Probleme im Internet gefunden und eingesehen werden, etwa auf den Homepages von Archiven und Bibliotheken. Wieso das Lehrbuch auf jegliche Hinweise zu solchen Quelleneditionen verzichtet, ist unverständlich.
Schlicht inakzeptabel ist jedoch die Tatsache, dass der Verlag bei diesem Buch auf das Lektorat verzichtet hat: Der Band enthält eine Reihe von Rechtschreibfehlern, die Quellennachweise sind uneinheitlich, mitunter fehlen hier die Seitenangaben. Nicht alle zitierten Werke finden sich im Literaturverzeichnis. Bei den Abbildungen wurde auf die Quellennachweise ganz verzichtet. An einer Stelle ist Lauftext versehentlich in einen Quellen-Kasten geraten, an anderen sind die Stichwörter, die neben den Lauftext gesetzt sind, um diesen übersichtlicher zu gestalten, an die falsche Stelle gerückt. Kursivsetzungen sind uneinheitlich verwendet, ins Namenregister sind Begriffe aufgenommen, die eigentlich in ein (fehlendes) Schlagwortregister gehören (wie etwa "Frühsozialisten" [132]). Auch auf kleinere inhaltliche Änderungsnotwendigkeiten hätte die Autorin hingewiesen werden müssen. Das Inhaltsverzeichnis etwa ist unsystematisch formuliert. Begrifflichkeiten, die zum selbstverständlichen Handwerkszeug der Autorin gehören, werden erst, nachdem sie bereits mehrfach aufgetaucht sind, erläutert. (Was unter "entangled histories" zu verstehen ist, erfährt man beispielsweise erst sehr spät im Fazit [121]. Der mehrfach verwendete und höchst wichtige analytische Begriff "Moderne" wird überhaupt nicht definiert.) Bei der Nennung von Eigennamen geschieht manchmal des Guten zu viel, vor allem dann, wenn die Kurzbiografie oder zumindest eine Kurzcharakteristik, um wen es sich jeweils handelt, erst einige Zeilen oder sogar Seiten später folgt.
Bei allem inhaltlichen Gewicht wiegt die ärgerliche Anhäufung dieser Schludrigkeiten traurigerweise so schwer, dass die vorgestellte Publikation als Lehrbuch nur bedingt zu empfehlen ist.
Heike Wüller