Clifford Ando: Law, Language, and Empire in the Roman Tradition (= Empire and After), Philadelphia, PA: University of Pennsylvania Press 2011, XI + 168 S., ISBN 978-0-8122-4354-3, GBP 32,50
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Karl-Wilhelm Welwei: Nachlese. Kleine Schriften zur Sozial- und Herrschaftsgeschichte in der griechischen und römischen Welt. Herausgegeben von Iris Samotta, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2012
Sitta von Reden: Money in Classical Antiquity, Cambridge: Cambridge University Press 2010
John F. Miller: Apollo, Augustus, and the Poets, Cambridge: Cambridge University Press 2009
Clifford Ando (ed.): Roman Religion, Edinburgh: Edinburgh University Press 2003
Clifford Ando: Imperial Rome AD 193 to 284. The Critical Century, Edinburgh: Edinburgh University Press 2012
Clifford Ando: The Matter of the Gods. Religion and the Roman Empire, Oakland: University of California Press 2008
Der enge Konnex zwischen Sprache und Recht ist so offensichtlich, dass er im Alltag kaum mehr als Problem wahrgenommen wird. Allerdings ist die Übertragung von rechtlichen Regelungen in eine adäquate, klare und allgemein verbindliche Sprache kein einfacher Akt, sondern eine linguistische Herausforderung, wie allein schon das Beispiel des Unterschiedes von "Besitz" und "Eigentum" lehrt, wobei ersteres umgangssprachlich (und fälschlich) oft die zweite Bedeutung mit umfasst.
Umso mehr stellt sich die Herausforderung für eine Rechtssprache, wenn der Kreis der Rechtsteilnehmer erweitert wird. Hier setzt die konzise Studie von Ando, seines Zeichens Professor für Classics mit Schwerpunkt Recht und Religion an der Universität Chicago, bezüglich der römischen Rechtssphären an: Für ihn lieferte das römische Zivilrecht sowohl die theoretischen Konstrukte als auch die sprachliche Flexibilität, um einerseits die im Zuge der Erweiterung des Imperium Romanum zum Römischen Reich erfolgende Integration neuer Bevölkerungsgruppen zu gewährleisten, andererseits Staats- wie internationales Recht konzeptionell zu formen.
Seine Argumentation baut Ando in fünf Kapiteln auf; daran schließt sich ein Appendix mit den zentralen Quellentexten im Original wie englischer Übersetzung zu Kapitel 1 an (115-131). Endnoten (133-152), ein Literaturverzeichnis (153-162) sowie ein Orte, Namen und Sachen umfassendes Register (163-165) beschließen den Band, wobei ein Quellenindex wünschenswert gewesen wäre.
Im ersten Kapitel (1-18) widmet sich Ando ganz der Rechtsfigur der "fiktiven Annahme" in Form des lateinischen atque si sowie der "Substitution", z.B. mit pro. Die Verwendung dieser Phrasen spiegele die Ausweitung des streng auf römische Vollbürger beschränkten römischen Zivilrechts, erweitere also geschickt auf Basis des traditionellen Rechtsempfindens den Kreis der Berechtigten. Hierfür gibt er eindrucksvolle Beispiele, etwa den Latinus Iunianus, ein personaler Rechtszustand für einen informell freigelassenen Sklaven, der seit augusteischer Zeit verliehen wurde; dieser Personenstatus knüpfte an das durch die Eingliederung der Bundesgenossen ins römische Bürgerrecht in der Späten Republik überkommene Konzept des "Latiners" an und stellte den ehemaligen Sklaven wie einen seit jeher freigeborenen römischen Bürger, der in eine latinische Kolonie gezogen ist (Gai. inst. 3,55f.); die Folgeprobleme, z.B. die dann eigentliche entfallende Herausbildung eines Patron-Klientel-Verhältnisses wurden dann über eine zweite Fiktion, die Nichtexistenz der Regelung, gelöst (Gai. inst. 3,56). Dass mit diesen Rechtsfiguren auch andere Rechtsprobleme "gelöst" wurden, erweist er unter anderem bezüglich der auftretenden erbrechtlichen Schwierigkeiten des peculium castrense eines unter patria potestas stehenden Haussohnes, der als Soldat diente.[1]
Die Auswirkungen der Constitutio Antoniniana des Kaisers Caracalla mit der Verleihung des römischen Bürgerrechts an alle freigeborenen Bewohner des Römischen Reiches außer an die dediticii beleuchtet Ando dann im zweiten Kapitel (19-36). Dabei zeigt er einerseits auf, inwieweit mit der nun einheitlichen Rechtsordnung das Problem der vorher bestehenden fremden Rechtsregeln in den unterschiedlichen Städten, insbesondere im Osten des Römischen Reiches, gelöst wurde; in der Regel bestätigte der Kaiser durch Reskripte bestehende Rechtspraktiken als consuetudines. Andererseits kann er am Beispiel der durch Justinian privilegierten dos-Rückforderung seitens der Frau nachweisen, wie fremdes, aus dem griechischen Rechtskreis stammendes Recht über kaiserliche Verfügungen in das römische Rechtssystem eingebaut wurde und dieses weiterhin einheitlich und systematisch, mithin als "urrömisch" erscheinen ließ (33-35). Dass trotz dieser Integrationsleistung das Rechtssystem der Spätantike als erstarrte, unflexible Ordnung wahrgenommen werde, schreibt Ando der Übertragung der res publica-Verantwortung über staatliche Stellen hinaus auf andere gesellschaftliche Institutionen oder Gruppen zu (36).
Den Einfluss zivilrechtlicher Praktiken auf das Staatsrecht untersucht Ando im Folgenden (37-63) anhand des vieldiskutierten Fetialrechts: Er zeigt dabei die Analogien zwischen der legis actio sacramento in rem und den Handlungen der Fetialen, etwa bei der rituellen Kriegserklärung, auf. Unter grundsätzlicher Skepsis bezüglich der Historizität der frührömischen Geschichte setzt er die wesentliche (Neu-)Konstruktion des Fetialrechts in augusteischer Zeit zur religiösen Legitimierung der Kriegshandlungen Oktavians respektive Augustusens an (45f.).[2] Dass sich das Recht dabei auf den innerrömischen Bereich, zur Herausbildung wie Stärkung eines Verantwortung zurückweisenden, gemeinschaftlichen bellum iustum-Gedankens, bezog und nicht der Einhegung des Krieges zwischen Völkern in Form von Kriegsrecht (ius belli) diente, ist eine bestechende, obgleich nicht gänzlich neue Folgerung.
Im vierten Kapitel wendet sich Ando dann den antiken Machtkonzepten zu (64-80): Im Vergleich mit dem strikten, exkludierenden top-down-Herrschaftsprinzip der Athener macht er im integrierenden maiestas-Verständnis der Römer den wesentlichen Faktor für die Erfolgsgeschichte römischer Herrschaft über den Mittelmeerraum aus. Innerhalb der Anerkennung dieser maiestas des römischen Volkes als Souveränitätsrecht habe nämlich Freiheit für die anderen Völkerschaften geherrscht, was dem griechischen Freiheitsbegriff der eleutheria jedoch nicht gerecht geworden sei. Insofern habe dann auf der Anerkennung des imperium Romanum, in Form der letztmaligen Translatio Imperii auf das römische Volk [3], das römische Verständnis von Freiheit (libertas) nach außen gegenüber den anderen Völkern aufbauen können.
Dieses antike libertas-Verständnis [4] unterzieht Ando im letzten Kapitel (81-114) einer sich wohltuend von der Vereinnahmung durch den modernen Liberalismus und Republikanismus absetzenden Revision: Indem es nicht Individualrechte, sondern ein kollektives Verständnis von Souveränität umfasst habe, sei es für die Römer auch kein Problem gewesen, unter der Anerkennung der maiestas, entweder des populus Romanus oder späterhin des princeps, diese libertas als auch im Innern bestehend anzusehen, zumal die römische Gesellschaftsstruktur (zum Beispiel patria potestas; Patron-Klientel-Verhältnis) dies begünstigt habe. Diese Konzeption, aus der aus der Akzeptanz der maiestas heraus die eingehegte libertas folgte, habe mithin auch die in den Kapiteln 1 und 2 beschriebenen Prozesse der Ausdehnung des Zivilrechts über die Quiriten hinaus sowie die Duldung eigenständiger Stadtrechte ermöglicht.
Andos kurze Studie besticht insgesamt gesehen durch den erfrischenden Blick auf das vorhandene Quellenmaterial; die immer wieder gezogenen Schneisen in die jeweils ihre Vorstellung des Imperium Romanum formende Rezeptionsgeschichte erhellen die Zeitgebundenheit der Sicht(en) auf die antiken Verhältnisse. Insbesondere die genauen sprachlichen Beobachtungen zu den Rechtsfiguren in den juristischen Texten sowie sein darauf fußendes Modell des direkten Zusammenspiels von maiestas und libertas als Bestands-, aber auch Integrationsfaktor des Römischen Reiches sind anregend und werden die weitere Diskussion reich befördern.
Anmerkungen:
[1] Vgl. dazu jetzt auch Christoph Schmetterer: Die rechtliche Stellung römischer Soldaten im Prinzipat, Wiesbaden 2012 (Philippika. Marburger altertumskundliche Abhandlungen; 54), 50f., 76-82.
[2] Vgl. dazu ausführlich auch Nadine Grotkamp: Völkerrecht im Prinzipat. Möglichkeit und Verbreitung, Baden-Baden 2009 (Studien zur Geschichte des Völkerrechts; 21), z.B. 21-67.
[3] Dazu Leonhard Schumacher: Die Herrschaft der Makedonen im Kanon der "Weltreich"-Abfolge des Pompeius Trogus (Iustin): Grundlage - Gestaltung - Zielsetzung, ZPE 131 (2000), 279-291.
[4] Vgl. grundlegend auch Leonhard Schumacher: Libertas: Rezeption, Verständnis und Nutzung römischer Freiheitssymbolik in der Neueren Geschichte, in: Emilio Gabba (Hrsg.): L'Impero Romano fra storia generale e storia locale, Como 1991 (Biblioteca di Athenaeum; 16), 299-331.
Sven Günther