John L. Meloy: Imperial Power and Maritime Trade. Mecca and Cairo in the Later Middle Ages, Chicago: Middle East Documentation Center 2010, XIII + 305 S., ISBN 978-0-9708199-5-6, USD 59,95
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John L. Meloy, seines Zeichens Associate Professor in dem Department of History and Archaeology an der American Universiy of Beirut, hat eine sehr interessante Studie zur Geschichte von Mekka während des 15. Jahrhunderts vorgelegt. Obgleich die Mamlukenzeit recht gut erforscht ist, liegen bemerkenswerterweise über den zentralen Pilgerort der Muslime in dieser Epoche so gut wie keine Abhandlungen vor. Dabei geht es Meloy nicht darum, Mekka als einen zentralen Knotenpunkt im Netz der überregionalen Wallfahrtsaktivitäten zu verorten, sondern er stellt die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Scherifen in den Mittelpunkt seiner Abhandlung. Diese Familie, die ihre Ahnen auf den Propheten zurückführten, herrschte vor Ort seit dem späten 12. Jahrhundert. Ihre Macht beruhte zum einen auf der Kontrolle der Pilgerzentren, aber auch auf der strategisch günstigen Lage, denn vor allem in ihrem Hafen Jidda liefen über das Rote Meer die Handelswelten des Indischen Ozeans und des Mittelmeers zusammen. Vom späten 14. bis in das 16. Jahrhundert hinein, als die Portugiesen in den Asienhandel eingriffen, nahm der Rotmeerhandel kontinuierlich zu und sicherte die Grundlage der Mekkanischen Prosperität. Voraussetzung für die Ausübung der Herrschaft der Scherifen im Hijaz war jedoch stets, zu einem modus vivendi mit den Mamluken zu gelangen. Angesichts der massiven Krisen im 15. Jahrhundert nutzen die in Kairo ansässigen Mamlukenherrscher ihre günstige geopolitische Lage und übernahmen die Kontrolle über die Ein- und Ausfuhr bestimmter lukrativer Güter des Überseehandels. Diesen Monopolisierungsbestrebungen konnten sich auch die Machthaber in Mekka nicht entziehen. In dem hier zu besprechenden Buch zeichnet John L. Meloy die Geschichte der Stadt innerhalb dieses Spannungsfeldes: auf der einen Seite der mit den Warenströmen verbundene Wohlstand, auf der anderen Seite die hegemonialen Ansprüche der Sultane, die stets an den Einkünften des long-distance trade partizipieren wollten. Die gesellschaftlich-ökonomischen Bedingungen vor Ort basierten in erster Linie auf dem Zusammenspiel von Wallfahrt, Viehwirtschaft, Patronage und Schutzleistungen. Für die Scherifen stellte Politik eine Gratwanderung dar, denn es galt, sowohl die mamlukischen Ambitionen zu befriedigen wie auch den vielfältigen Ansprüchen der lokalen Familien, tribalen Allianzen und ansässiger Notabeln gerecht zu werden. Insgesamt kann die Mekkanische Geschichte während des 15. Jahrhunderts, so der Verf. in einer Paraphrase eines Ausspruches von C. Snouck Hurgronje, beschrieben werden als "the loss of Mecca's isolation within the context of Mediterranean-Indian Ocean trade." (5).
Der Autor wählt zur Präsentation seiner Ergebnisse ein strikt chronologisches Vorgehen. Diesen Teilen stellt er allerdings zwei Kapitel voran, in denen er den Forschungsstand und die Quellen präsentiert ("The Rise of Mecca in the Later Middle Ages: Politics and Historiography", 11-39) sowie Mekka in den weiteren Kontext des überregionalen Handels einordnet ("Local Contexts of Maritime Trade in Mecca", 39-80). Um die in der Regel vorherrschende Asymmetrie zwischen einheimischen zeitgenössischen Darstellungen und den in Kairo verfassten Geschichtswerken auszugleichen, stützt sich der Verf. vornehmlich auf Mekkanische historiographische Texte. Er hat Glück, denn mit al-Fasis (gest. 832/1429) biographischem Wörterbuch, das 3500 Biogramme Mekkanischer Würdenträger umfasst, mit Najm al-Din Umars (gest. 885/1480) Ergänzungen und Izz al-Din Abd al-Azizs (gest. 922/1517) umfangreicher Stadtchronik liegt ein exzellentes Material in sehr guten Editionen vor. Auf der Basis dieser ganzen Texte können natürlich die gesellschaftspolitischen Ereignisse und Strukturen bestens nachgezeichnet werden. Doch erlauben die zum Teil sehr detaillierten Angaben auch Rückschlüsse auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Die nautischen Kenntnisse lassen sich ebenso gut wie die geostrategischen Vorteile und die Zusammensetzung der Kaufmannschaften rekonstruieren.
Das erste Hauptkapitel ("Brokering Power in Mecca: Mamluk Seasonal Domination and the Rule of the Sharifs, 797-824/1395-1421", 81-112) folgt der Karriere des Scherifen Hasan ibn Ajlan (gest. 829/1426). Meloy möchte hier vor allem die Macht- und Herrschaftstrukturen der Herren über den zentralen muslimischen Pilgerort beschreiben. Der Sultan in Kairo hatte ihnen den Titel eines Emirs verliehen, um sich auf diese Weise ihrer Loyalität zu versichern und sie indirekt in die mamlukische Administration einzubinden. Die Scherifen akzeptierten dies, da es ihre Herrschaft vor Ort legitimierte und sie sich dadurch besser gegen die verschiedenen lokalen Gegner durchsetzen konnten. In den ersten beiden Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts gründete sich die Position von Hasan ibn Ajlan in erster Linie auf sein Geschick, sowohl die Vorteile des Transithandels als auch seine Rolle als Makler zwischen den Mekkanern und den Mamluken während der alljährlichen Wallfahrt auszunutzen.
Die Zeit vom Ableben Hasans über die Regierung seines Sohnes und Nachfolgers Barakat bis zum Tode des Mamlukensultans Barsbay im Jahre 1438 steht im Mittelpunkt des folgenden Abschnittes. ("Mamluk Expansion and the and Meccan Resistance, 824-41/1421-38", 113-140) Anhand der Politik des in Kairo ansässigen Herrschers im Hijaz skizziert Meloy die Reichweite und die Grenzen des Einflussbereiches der Zentrale an den Grenzen des Reiches. Da es dem Sultanat nicht gelang, sich in der Region politisch durchzusetzen, war man bestrebt, wenigstens wirtschaftlich Dominanz auszuüben. Als Gegenleistung erhielten die Scherifen von Barsbay und auch noch von seinem Nachfolger al-Zahir Jaqmaq (gest. 857/1453) eine gewisse Autonomie.
Das nun folgende Kapitel "Forging Mutual Interests, 841-67/1438-63" (141-170) widmet sich der politischen Situation in Mekka und Jidda während der letzten Jahre des Scherifen Barakat (gest. 859/1455) und der ersten beiden Dezennien der Herrschaftsausübung seines Sohns und Nachfolgers Muhammad (gest. 903/1497). Diese Zeitspanne korrespondiert in etwa mit den Regierungszeiten der Sultane al-Ashraf Inal (gest. 865/1461) und al-Zahir Khushqadam (gest. 872/1467). Der Autor fasst seine Ergebnisse zusammen: "The central element governing Meccan politics was the exchange of political and economic capital, creating a system that was virtually impenetrable to outsiders. The acceptance of this system led sultans and sharifs to abandon the adversarial relationship of previous years for one based on mutual interests." (7)
Der nächste Teil des Buches ("Mecca as Sultanate: Foundations of Economic Power, 867-903/1463-97", 171-204) befasst sich mit der Konsolidierung der Macht von Muhammad ibn Barakat in den 1460er Jahren - kurz nach der Inthronisierung des Sultans al-Ashraf Qaytbay (gest. 901/1496). Mekka und Kairo bestätigten noch einmal ihr Interesse an einer möglichst reibungslosen Zusammenarbeit unter Achtung der jeweiligen Einflusszonen. Die damit gewährleistete Stabilität erlaubte es Muhammad, die Ambitionen seiner Vorgänger wieder aufzunehmen und seine Herrschaft auf eine solide wirtschaftliche Grundlage zu stellen. Fast hatte man den Eindruck, dass das Emirat zu einer unabhängigen politischen Größe heranreifte, doch letztlich waren diesen Bestrebungen nur eine kurze Zeit der Hoffnung gegönnt. Schon kurz nach dem Tode von Muhammad brach das Machtgefüge in Mekka aufgrund innerer Spannungen wie äußerer Ereignisse in sich zusammen. ("Politics, Trade, and the New Dispensations in Mecca, 903-23/1497-1517", 205-232) Hinzu kamen die Angriffe der Portugiesen im Indischen Ozean und im Roten Meer, die kurz über lang zu einem kommerziellen Niedergang der Region führten. Daran konnten auch die militärischen Unternehmungen des vorletzten Mamlukensultans al-Ashraf Qansuh al-Ghuri (gest. 922/1516) nichts mehr ändern. Dem Scherifen Barakat ibn Muhammad (gest. 931/1525) gelang es allerding, mittelfristig eine gewisse Machtposition im Hijaz aufrecht zu erhalten. Aber auch er musste sich in die neue Großmachtkonstellation einfügen.
John Meloy hat insgesamt auf hohem Niveau und unter Heranziehung zahlreicher bisher nicht ausreichend gewürdigter historiographischer Quellen ein sehr interessantes und informatives Buch über die Geschichte Mekkas und der dort herrschenden Scherifen während der Mamlukenzeit verfasst. Das Zusammenspiel und auch die Spannungen zwischen den Interessen der lokalen Machthaber einerseits und den Sultanen in Kairo vor dem Hintergrund des transregionalen Handels wird überzeugend herausgearbeitet.
Stephan Conermann