Jochen Krenz: Konturen einer oberdeutschen kirchlichen Kommunikationslandschaft des ausgehenden 18. Jahrhunderts (= Presse und Geschichte - Neue Beiträge; Bd. 66), Bremen: edition lumière 2012, XXVII + 365 S., ISBN 978-3-934686-99-1, EUR 44,80
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Joachim Bark / Hans-Christoph Graf von Nayhauss (Hgg.): Profile deutscher Kulturepochen. Aufklärung, Stuttgart: Alfred Kröner Verlag 2009
Als Hermann Goldhagen 1776 begann, in Mainz sein "Religionsjournal" herauszugeben, begründete der Exjesuit damit die erste katholische gegenaufklärerische Zeitschrift im Alten Reich. Dieser erste katholische Versuch der Aufklärung - und insbesondere der katholischen Aufklärung - publizistisch den Kampf anzusagen, griff dabei auf das moderne und eigentlich aufklärerische Medium der Zeitschrift zurück und setzte sich 16 Jahre lang kämpferisch mit den Publikationen und Zeitschriften der Aufklärung auseinander, die ihrerseits für eine katholische Aufklärungstheologie stritten.
Die 2008 an der Theologischen Fakultät der Universität Würzburg eingereichte Dissertation von Jochen Krenz setzt sich in einer interdisziplinären Studie zwischen Theologie, Kirchengeschichte, Presse- und Kommunikationsgeschichte mit den oberdeutschen theologischen Fachzeitschriften des späten 18. Jahrhunderts und den darin ausgetragenen Richtungskämpfen der aufklärerischen und gegenaufklärerischen Theologen auseinander.
Nach einem gelungenen Einstieg führt Krenz im zweiten Kapitel in einem ausführlichen Literatur- und Forschungsüberblick in die Thematik ein, um in einem kurzen dritten Kapitel sein Forschungskonzept und die methodischen Grundlagen vorzustellen. Im vierten, fünften und sechsten Kapitel folgen dann die methodische Analyse der untersuchten katholischen Zeitschriften, der protestantischen Zeitschriften sowie der Niederschlag der Französischen Revolution in diesen Zeitschriften. Abgerundet wird die Arbeit durch ein etwas ausführlicheres Resümee und eine sehr knappe Bewertung in den Kapiteln 7 und 8.
Krenz will mit seiner Arbeit "verschüttete Fundamente" aufklärerischer und gegenaufklärerischer kirchlicher Kommunikation freilegen, die er als verdrängte, aber dennoch legitime Bestandteile der katholischen Kirchengeschichte versteht (4). Die Topoi und auch die Argumentationsmuster der kirchlichen Kommunikation des 18. Jahrhunderts sollen durch seine Analyse herausgearbeitet werden.
Hierzu untersucht er nicht nur eine repräsentative Auswahl zeitgenössischer Zeitschriften, bei der alle relevanten Regionen berücksichtigt wurden, sondern legt auch besonderen Wert auf deren Beziehungen untereinander, weshalb insbesondere die Rezensionsteile der untersuchten Zeitschriften im Blick stehen.
Im Mittelpunkt seines Versuches die Konturen der kirchlichen Kommunikationslandschaft Oberdeutschlands zu umreißen, stehen auf Seiten der reichskirchlichen Aufklärung die "Salzburger Oberdeutsche Allgemeine Litteraturzeitung", die "Würzburger Gelehrte Anzeigen", "die Mainzer Monatschrift von geistlichen Sachen" sowie die Zeitschrift der Benediktinerabtei Banz.
Die josephinische Ausprägung der katholischen Aufklärung ist durch die "Wiener Kirchenzeitung" und die "Freyburger Beyträge zur Beförderung des ältesten Christenthums und der neuesten Philosophie" vertreten.
Für die katholische Gegenaufklärung wertete Krenz das "Religionsjournal" Hermann Goldhagens sowie die Augsburger Zeitschriften "Kritik über Kritiker", "Journal der Religion, Wahrheit und Litteratur" und "Augsburger Monatschrift für katholische Religion und Litteratur", alle drei ebenfalls mit exjesuitischer Provenienz, aus.
Als "protestantische Kontrollgruppe" (XXIV) dienen die aufklärerischen Zeitschriften "Rintelner Annalen", "Rintelner Neue Theologischen Annalen", "Marburger Theologische Nachrichten", das Weimarer "Archiv für die neueste Kirchengeschichte", die Braunschweiger "Religionsannalen" sowie die gegenaufklärerischen Zeitschriften "Acten, Urkunden und Nachrichten zur neuesten Kirchengeschichte" aus Weimar und die Gießener "Neuesten Religionsbegebenheiten mit unpartheyischen Anmerkungen".
Der zeitliche Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf den Jahren 1789 bis 1794. Die Untersuchung der einzelnen Zeitschriften ist klar gegliedert und folgt stringent der von Krenz festgelegten einheitlichen Systematik sowie einem in Kapitel 2.5 skizzierten Bewertungsraster. Zuerst beschreibt Krenz jeweils die politisch-gesellschaftlichen Verhältnisse des Erscheinungsortes, bevor er sich den Herausgebern, der Aufmachung und Erscheinungsweise sowie der Ausrichtung und exemplarischer Inhalte zuwendet, um dann die zeitgenössische Bewertung sowie deren Verbreitung, Leserkreis und Einfluss zu untersuchen. Dabei verliert sich Krenz nicht in den Details der einzelnen Zeitschriften, sondern arbeitet die wesentlichen Grundzüge heraus.
Krenz' repräsentative Analyse theologischer Fachzeitschriften des späten 18. Jahrhunderts steht im Kontext der Katholischen Aufklärung, die seit einigen Jahren vermehrt auf Interesse in der Forschung stößt. 1869/70 vom Ersten Vatikanischen Konzil verworfen und vor nunmehr 50 Jahren auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil größtenteils rehabilitiert, stellt die katholische Aufklärung des 18. Jahrhunderts eine innerkirchliche Traditionslinie dar, die im 19. und 20. Jahrhundert verleugnet und verdrängt wurde und erst langsam wiederentdeckt wird. Genauso wie das allgemeine Phänomen katholische Aufklärung, so wurden auch ihre publizistischen Erzeugnisse lange Zeit ausgeblendet und spielten innerhalb der Presse- und Kommunikationsgeschichte, die sie als notgedrungen herausgegebene kirchliche Propagandamittel provinziellen Charakters betrachtete, kaum eine Rolle.
Krenz kann für seinen Untersuchungsraum feststellen, dass die Französische Revolution die bisherigen Konflikte zwischen katholischen Aufklärern und Gegenaufklärern zum Überkochen brachte. Trotzdem werden die Grenzen der unterschiedlichen Diskursräume aufklärerischer und gegenaufklärerischer Prägung nur selten überschritten, nämlich nur dann, wenn als besonders skandalös empfundene Werke der Gegenseite angegriffen oder deren Ideen abgewehrt werden. Zwischen den reichskirchlichen und josephinischen Zeitschriften kann Krenz keine grundlegenden Dissonanzen ausmachen. Mit den Ergebnisen seiner Analyse zeichnet er insgesamt ein "buntes Bild der Theologie des Alten Reiches" (320) nach, das durch den Erfolg der gegenaufklärerischen Topoi und Argumentationsmuster im 19. Jahrhundert aus dem katholischen Bewusstsein verdrängt wurde.
Zu den großen Stärken des Buches zählen der interdisziplinäre Ansatz sowie die sehr gute Auswahl und angemessene Gewichtung der Untersuchungsobjekte. Der, zugegebenermaßen etwas zu lang geratene, aber der Thematik geschuldete, 50-seitige Forschungsbericht (Kapitel 2) ist lesenswert für alle, die sich mit der katholischen Aufklärung, der Presse- oder der Kommunikationsgeschichte beschäftigen. Bei der Untersuchung der katholischen Aufklärung trennt Krenz eindeutig zwischen einer reichskirchlichen Aufklärung und dem Josephinismus. Etwas befremdlich wirken die sicherlich gut gemeinten zwei Inhaltsverzeichnisse (ein knapper Überblick sowie ein ausführliches Verzeichnis), die dem Text vorangestellt sind. Hier stellt sich auch die Frage, ob die ersten drei Kapitel nicht besser unter einem Einleitungskapitel subsumiert worden wären, um die Gliederung etwas zu strafen und den eigentlichen, sehr gut gegliederten Hauptteil (Kapitel 4 bis 6) auch optisch mehr ins Zentrum zu rücken.
Neben dem übersichtlichen Quellen- und Literaturverzeichnis sticht vor allem das Register hervor, das neben Personen und Ereignissen auch alle relevanten Schlagworte von "Agenda-Settingsfunktion der Medien" über "Konzil - Mainzer zeitgenössische Sicht auf ein K." bis "Zölibat" enthält und zusätzlich auch auf die Stellen im Buch verweist, an dem diese Schlagworte auch erläutert werden.
Krenz ist es gelungen, eine Arbeit vorzulegen, die durch ihren interdisziplinären Ansatz überzeugt. Die Auswahl der untersuchten Zeitschriften ist ausgewogen und die umrissenen Konturen machen deutlich, dass die Zeitschriften der katholischen Aufklärung und Gegenaufklärung zu Unrecht von der bisherigen Forschung vernachlässigt wurden.
Sascha Weber