Marco Mostert: A Bibliography of Works on Medieval Communication (= Utrecht Studies in Medieval Literacy), Turnhout: Brepols 2012, XIV + 658 S., ISBN 978-2-503-54477-9, EUR 115,00
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Kommunikation im Mittelalter - wohl kein Forschungsgebiet präsentiert sich innerhalb der Mediävistik derart vielschichtig. Die 6843 Titel, die in der vorliegenden Spezialbibliographie Aufnahme fanden, künden von diesem extrem breiten Fach- und Themenspektrum. Wie könnte es auch anders sein, bilden Kommunikationsakte unterschiedlichster Form doch die Basis dessen, was eine Gesellschaft ausmacht - Zusammenarbeit und Interaktion.
Marco Mostert, Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Utrecht, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten wie kein Zweiter um die bibliographische Erfassung all derjenigen Titel verdient gemacht, die mit dem Themenkomplex "Kommunikation im Mittelalter" in Verbindung stehen. 1995 und 1999 legte er bereits einschlägige bibliographische Listen vor, die 702 bzw. 1580 Titel umfassten. [1] Die fast inflationär zu nennende Steigerung der Titelanzahl in den Folgejahren bis 2012 ist jedoch nicht allein auf vorherrschende Forschungskonjunkturen zurückzuführen - unbestritten ist, dass das Themengebiet "Kommunikation im Mittelalter" als "relatively late arrival in medieval studies" (2) diese Verspätung nicht zuletzt durch massive institutionalisierte Forschung im Rahmen von Sonderforschungsbereichen mehr als wettmachen konnte. Verantwortlich für die Vervierfachung der Titelanzahl waren auch die Einfügung neuer Kapitel bzw. Unterkapitel in der vorliegenden Bibliographie und die Einbeziehung von Arbeiten, die im skandinavischen und ostmitteleuropäischen Raum entstanden sind. Die Bibliographie verdeutlicht, dass tatsächlich keine Region Europas unbearbeitet geblieben ist - allerdings ist der Bearbeitungsstand unterschiedlich weit fortgeschritten. Während das Phänomen in Deutschland, England und Irland vergleichsweise gut erforscht ist, gilt dies für Frankreich, Italien oder die Iberische Halbinsel - geschweige denn für Ostmitteleuropa - nur noch eingeschränkt.
In einer überschaubaren, 27 Seiten umfassenden Einleitung geht Mostert knapp und konzise auf diese Forschungsgeschichte und -situation ein, äußert sich dazu, was bisher geleistet wurde, richtet den Blick aber auch auf die Zukunft, mithin auf das, was von der Forschung noch geleistet werden könnte.
Der Band umfasst insgesamt 15 Kapitel, die ihrerseits noch einmal untergliedert werden: 1. Introductions (mit gesondert ausgewiesenen Titeln zur "Münster School" (43f.) und zur "Freiburg School" (44)); 2. Surveys of the Introduction and Development of Written Culture; 3. Forms of non-verbal Communication; 4. Ritual; 5. Language; 6. Oral and Written Memory; 7. Teaching, mainly of Reading and Writing; 8. Production and Use of Written Texts; 9. The Preservation and Wilful Destruction of Written Texts; 10. Correspondence, Messengers and the Postal System; 11. Mandarin Literacy; 12. The Use of Writing by Different Social Groups; 13. Uses of Writing in Government, Management and Trade; 14. Literature; 15. Religion and Writing; 16. The Symbolism of the Book.
Auf welcher Grundlage wurden die Titel zusammengestellt? Maßgeblich war die elektronische Version der "International Medieval Bibliography" (bis zum Stichtag 18.1.2012), ergänzt durch die Bände des "Mediovo Latino" und der "Bibliography of the Modern Language Association" (bis 1995). Wenig systematisch, aber von nicht zu unterschätzender Bedeutung war auch der informelle Weg der Informationsbeschaffung durch Hinweise von Kollegen und Freunden auf an entlegener Stelle publizierte Beiträge.
Wenig überraschend werden Spezialisten auf ihrem jeweiligen Gebiet vom Inhalt der Bibliographie enttäuscht sein: drei Titel zum Komplex "Reliquien und Kommunikation" oder nur ein einziger Titel zu den "Augustinians" scheinen allzu überschaubar. Die Beispiele ließen sich hier beliebig vermehren. Nicht nachvollziehbar ist, dass in Kapitel 15.1 ("Sermons and Preaching") kein einziger Artikel erscheint, der im nun immerhin seit fast 50 Jahren erscheinenden Fachjournal der Predigtforschung, den "Medieval Sermon Studies", publiziert wurde. Und dass zu einem Lieblingsthema der Mittelalterforschung "Rituals of Rule: The Papacy" (c. 4.7.16), das nur fünf Titel umfasst, seit 1994 keine neue Literatur erschienen sein soll, ist schwer zu glauben.
Und doch täte man der Bibliographie unrecht, würde man den Inhalt allein unter Spezialistengesichtspunkten bewerten. Zum einen zielt der Band auf einen Benutzerkreis, der sehr viel weiter gefasst ist als der Kreis der "Kommunikationsexperten", zum anderen sollte der Blick auf die der Zusammenstellung zugrunde liegenden (elektronischen) Spezialbibliographien nicht vergessen machen, dass auch diese - so gut sie sein mögen - bei weitem nicht sämtliche erscheinenden Zeitschriften erfassen und auswerten. Lücken sind somit unvermeidlich.
Aufbau und Untergliederung der einzelnen Kapitel überzeugen, doch stellt man sich unweigerlich die Frage, weshalb der "Mandarin Literacy" mit immerhin fast 100 Titeln ein eigenes Kapitel gewidmet ist (ganz unabhängig von der Frage, ob nicht-englischsprachigen Benutzern tatsächlich bewusst ist, dass es sich hierbei um Titel zur Experten- bzw. Bürokratenkultur des Mittelalters handelt).
Kritik an solchen groß angelegten, bibliographischen Unternehmungen haftet stets etwas Besserwisserisches an - und der Rezensent gesteht, noch niemals eine unumschränkt positive Besprechung eines solchen Werks gelesen zu haben. Lücken und Fehlstellen sind unvermeidbar und es ist ein Leichtes, eben diese aufzuzeigen.
Viel wichtiger ist also die Frage danach, wie diese Bibliographie ergänzt und auf dem neuesten Stand gehalten werden kann. Wie kann Aktualität gewährleistet werden? Mostert ist Realist und gibt seinem Zweifel Ausdruck, "whether another printed version will ever be published" (26). Die Antwort muss hier wohl klar "Nein!" lauten. Das mediale Problem einer Druckfassung stellt freilich nur eine Seite der Medaille dar. Methodisch sehr viel komplexer ist dasjenige der Titelerhebung: nachdem die Attraktivität von Begriffen wie "Mündlichkeit" oder "Schriftlichkeit" in den Titeln von Aufsätzen oder Monographien in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen ist, wird es für den Bibliographen immer schwieriger, vom Titel auf tatsächlich vorhandene, kommunikationsrelevante Aspekte zu schließen.
Eine Verlagerung der Bibliographie ins Netz erscheint sinnvoll. Ergänzungen sollen künftig unter http://www2.hum.uu.nl/Solis/ogc/medievalliteracy abrufbar sein.
Möglichst großen Nutzen aus der Bibliographie ziehen Benutzer, die im Umgang mit dem Inhaltsverzeichnis und bei der Stichwortsuche ein Mindestmaß an Phantasie an den Tag legen: viele Beiträge könnten unter mehreren Stichworten zu finden sein. Die Suche erleichtern in diesem Fall ein sorgfältig gearbeiteter Sach- und ein Verfasserindex.
Anmerkung:
[1] Marco Mostert (ed.): Communicatie in de Middeleeuwen. Studies over de verschriftelijking van de middeleeuwse cultuur, Hilversum 1995, 89-128; Ders. (ed.): New Approaches to Medieval Communication (Utrecht Studies in Medieval Literacy, 1), Turnhout 1999, 193-318.
Ralf Lützelschwab