Markus Beyeler: Geschenke des Kaisers. Studien zur Chronologie, zu den Empfängern und zu den Gegenständen der kaiserlichen Vergabungen im 4. Jahrhundert n. Chr. (= KLIO. Beiträge zur Alten Geschichte. Beihefte. Neue Folge; Bd. 18), Berlin: Akademie Verlag 2011, 462 S., zahlr. Abb., ISBN 978-3-05-005175-8, EUR 99,80
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Clément Sarrazanas: La cité des spectacles permanents. Organisation et organisateurs des concours civiques dans l'Athènes hellénistique et impériale, Pessac: Ausonius Editions 2022
Christer Bruun / Jonathan Edmondson (eds.): The Oxford Handbook of Roman Epigraphy, Oxford: Oxford University Press 2015
Babett Edelmann-Singer: Koina und Concilia. Genese, Organisation und sozioökonomische Funktion der Provinziallandtage im römischen Reich, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2015
"Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft." - Diese Regel galt in gleichem Maße in der Antike wie sie noch heute gilt. Besondere Bedeutung erlangen Geschenke in Situationen, da sie nicht nur Zeichen des Andenkens und der Zuneigung sind, sondern einen bestimmten Zweck erfüllen sollen. Zu diesen Geschenken gehörten jene des Kaisers an verdiente Untertanen, denen sich vorliegende Untersuchung von Markus Beyeler widmet. Es handelt sich hierbei um seine "geringfügig überarbeitete" Berner Dissertation aus dem Jahre 2009, zu der "vereinzelt" Literatur bis 2011 nachgetragen worden ist. [1]
Nach einer Einleitung (11-25), die einen konzisen Überblick über den Forschungsstand vermittelt, gliedert sich die Arbeit, wie schon der Untertitel erkennen läßt, in drei Hauptteile: 1. "Kaiserliche Freigiebigkeit und Organisation des Largitionswesens" (27-67), 2. "Chronologie kaiserlicher Vergabungen" (69-165), 3. "Überlegungen zu den Empfängern kaiserlicher Vergabungen" (167-238). Diesen schließen sich, nach einem prägnanten Fazit (239-242), drei umfangreiche Anhänge an: Ein Katalog der besprochenen Gegenstände (243-325), dem eine "Übersicht der Chronologie der Donative von Diokletian bis Theodosius" (328-340) sowie eine "chronologische Übersicht der Jahre 284-395" (341-371) folgt. Abgeschlossen wird die Studie mit einer umfangreichen Bibliographie (373-411) und einem Tafelteil (443-462), der die diskutierten Gaben in hochwertigen, oft farbigen Abbildungen darbietet. Aufgrund der vor allem im ersten Anhang en détail besprochenen Geschenke, sind die umfangreichen Indices (415-440) zu loben, die die Untersuchungen nach folgenden Kriterien erschließen: a) Sachen und Begriffe; b) Personennamen; c) Geographische Namen; d) Stellenregister. Aufgrund von Stichproben erscheinen die Indices zuverlässig.
Das erste Kapitel untersucht "kaiserliche Freigebigkeit und Organisation des Largitionswesens" und bietet damit die sachliche wie begriffliche Grundlage der folgenden Teile. Die Untergliederung ist auch hier durchweg schlüssig: nach Begriffsklärungen (liberalitas - largitio; alimenta - stipendium - donativum - donum) werden zunächst die "Gegenstände aus kaiserlicher Vergabung" bestimmt (1.3), die in der Folge eingehend untersucht und in den Katalog (Anhang I) aufgenommen werden. Beyeler grenzt eine Definition seines Lehrers Joachim Szidat dahingehend ein, dass er als Objekte kaiserlicher Provenienz nur solche identifiziert, "die durch Inschriften oder bildliche Darstellungen eindeutig als solche ausgewiesen werden" (31). Die Abschnitte 1.6-1.8 konzentrieren sich auf die Geschenke selbst. Hier kann Beyeler nachweisen, dass "alleine die von der Angabe des Herstellungsortes auf einem zu Zwecken der Vergabung hergestellten Gegenstand nicht die persönliche Anwesenheit des Kaisers" geschlossen werden könne (56). Dieses Ergebnis kann Beyeler später hinsichtlich der Frage nach den Empfängern der kaiserlichen Gaben sozialhistorisch fruchtbar machen (3.2; 3.4): Da sich der Kreis der Empfänger nicht nur auf den comitatus beschränkt habe, müsse man von einem wesentlich größeren Adressatenkreis kaiserlicher Gaben ausgehen als bisher angenommen (171-172).
Das zweite Kapitel widmet sich der "Chronologie kaiserlicher Vergabungen". Beyeler untersucht, beginnend mit dem Regierungsantritt Diokletians bis zum Sieg des Theodosius über Eugenius am Frigidus, in chronologischer Reihenfolge die Vergabe von Geschenken anlässlich wichtiger Ereignisse wie etwa Herrschaftsjubiläen. Nach den zuvor aufgestellten Maßstäben lassen sich in erster Linie Münzen präzise datieren und damit eindeutig auf ein bestimmtes Ereignis beziehen. Nur wenige Schalen - ein beliebtes Mittel kaiserlichen Gunsterweises - tragen eine Inschrift und somit eine Spur des Anlasses, zu dem sie vergeben wurden.
In der Folge sucht Beyeler, "den Empfänger- bzw. Besitzerkreis von Gegenständen kaiserlicher Vergabung einzugrenzen oder gar einzelne Empfänger namentlich zu identifizieren." (169) Hierbei kann sich Beyeler, wie oben bereits dargestellt, auf seine zuvor herausgearbeiteten Befunde zur dezentralen und serienweisen Herstellung stützen. [2] Bevor er auf knapp 50 Seiten einzelne Hortfunde untersucht (3.2.2), beweist Beyeler erneut ein hohes methodisches Problembewusstsein, welches ihn davor bewahrt, vorschnelle Schlüsse zu ziehen (174). So arbeitet er fünf Punkte heraus, etwa die Unvollständigkeit der Hortfunde, die bei der Deutung einen entscheidenden Faktor darstellen (so in den Funden "from the Mediterranean", 177-181, oder von S. Genesio bei Pavia, 216-221).
Die bereits in zwei Abschnitten vorbereitete "Eingrenzung des Empfängerkreises" löst Beyeler schließlich im dritten Kapitel ein. Aufgrund seiner umfangreichen Quelleninterpretationen kann er - gegen ältere Annahmen (171) - zeigen, dass, bei aller Lückenhaftigkeit der Quellen, keinesfalls nur Mitglieder des kaiserlichen comitatus mit Geschenken bedacht wurden. Auch wenn die Kaiser in erster Linie auf die Loyalität von Senatoren und hohen Militärs angewiesen waren (228-233), versuchten sie offenbar, durch Silbergeschenke auch die Gunst der Verwaltungsbeamten und Soldaten mittleren Ranges zu erlangen bzw. zu erhalten (3.4-5). Als verbindendes Element jener Personen, denen trotz ihres niedrigeren Ranges eine solche Auszeichnung kaiserlicher Gunst zuteil wird, macht Beyeler zurecht eine - oft sehr unterschiedlich geartete - Kaisernähe aus (238).
Als wichtig für die weitere Auseinandersetzung der Forschung wird sich der Katalog der von Beyeler untersuchten Gold- und Silbergeschenke erweisen. Die Stücke sind fortlaufendend numeriert, jeder Eintrag gliedert sich in eine genaue Beschreibung des Objekts, nennt Fundgeschichte, Aufbewahrungsort, Datierung und bietet umfangreiche Bibliographie. Unter der Rubrik "Bemerkungen" bietet Beyeler eine detaillierte Interpretation der Objekte auf neuestem Forschungsstand. Die gewonnene Chronologie wird im zweiten Anhang noch einmal tabellarisch aufgelistet. Auf die sich als Anhang III anschließende Chronologie der Jahre 284-395 hätte verzichtet werden können, da sie lediglich die ereignisgeschichtlichen Daten auflistet.
Beyeler löst, so lässt sich zusammenfassen, nicht nur die selbst gesteckten Ziele ein, seine Arbeit bietet auch zahlreiche kluge Detailbeobachtungen. Durch den Nachweis, dass der Adressatenkreis der kaiserlichen Geschenke wesentlich größer war als bisher angenommen, wird die Arbeit der Forschung zum Kaiserhof und zu Loyalitätsfragen der Spätantike neue Impulse geben. Die gleiche hohe Qualität, die Untersuchung und Argumentation auszeichnet, findet sich auch in Ausstattung und Drucklegung. Das Werk ist zudem sehr gut lektoriert; so finden sich fast keine Druck- oder Tippfehler. Zudem sei die hohe Qualität der teils farbigen Abbildungen und der Indices gerühmt, die der gelungenen Untersuchung gut zu Gesicht stehen.
Anmerkungen:
[1] Weitere vorliegende Rezensionen: Ulrich Lambrecht, in: H-Soz-u-Kult, 14.05.2012; Karsten Dahmen, in: Göttinger Forum für Altertumswissenschaften 16 (2013), 1011-1013, der 1011, Anm. 1 und 3 neuere Literatur nachträgt.
[2] Beyeler teilt die Vorstellung Richard Delbrücks, dass auch Consulardiptychen zu "hunderttausenden" produziert worden seien (58); dies dürfte übertrieben sein.
Christoph Begass