Rezension über:

Pete Hamill: Vietnam. The Real War. A Photographic History by The Associated Press, New York: Abrams 2013, 304 S., 300 s/w-Abb., ISBN 978-1-4197-0864-0, GBP 24,99
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Rezension von:
Michael Ploetz
Institut für Zeitgeschichte München - Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Empfohlene Zitierweise:
Michael Ploetz: Rezension von: Pete Hamill: Vietnam. The Real War. A Photographic History by The Associated Press, New York: Abrams 2013, in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 12 [15.12.2013], URL: https://www.sehepunkte.de
/2013/12/24140.html


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Pete Hamill: Vietnam. The Real War

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Im Januar 1973 besiegelte das Abkommen über die Beendigung des Krieges und die Wiederherstellung des Friedens in Vietnam das Ausscheiden der USA aus dem zweiten Indochina-Krieg. Für die in Nord und Süd gespaltenen Vietnamesen ging der Krieg allerdings bis in den April 1975 hinein weiter. Der Autor Bao Ninh, seinerzeit Soldat der nordvietnamesischen Volksarmee, spricht in seinem Roman "The Sorrow of War" lapidar von den "Schlachten nach dem Pariser Vietnam-Abkommen", welche er in eine Reihe mit den blutigen Großkämpfen der Tet-Offensive und der Kleinen Tet-Offensive des Jahres 1968 sowie der Oster-Offensive von 1972 stellt. [1]

Jahrestage wie der vor allem für die USA relevante des Pariser Vietnam-Abkommens von 1973 schlagen sich häufig in Buchproduktionen nieder, und so hat der hier angezeigte Bildband mit Kriegsfotos der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) wohl auch diesem vierzigsten Jubiläum sein Erscheinen zu verdanken. Ein weiterer Grund dürfte indes sein, dass sich die Reihen der Erlebnisgeneration rapide lichten. So verstarb der 1933 geborene deutsche Fotojournalist Horst Faas, von dem zahlreiche der im Band versammelten Aufnahmen stammen, 2012, der ebenfalls 1933 geborene Eddie Adams bereits 2004. Faas selbst hatte 1997 zusammen mit dem britischen Fotografen Tim Page den Bildband "Requiem" [2] herausgebracht, der ganz bewusst als Vermächtnis und Erinnerungsort für die im Vietnam-Krieg gefallenen Foto-Journalisten konzipiert ist. Pete Hamill, 1935 geboren, gehört ebenfalls zu den journalistischen Zeitzeugen dieses Krieges.

Bis auf einen mehrere Seiten langen Prolog aus Farbfotos handelt es sich bei den von Hamill ausgewählten und kommentierten Bildern um Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die zur Gänze den Archiven von Associated Press entstammen. Faas und Page hatten dagegen auf Bilder unterschiedlicher Provenienz zurückgegriffen. Insbesondere die Verwendung von Larry Burrows Fotostrecken aus der Illustrierten "Life" macht ihr Werk zum eindrucksvolleren der beiden Bände, was allerdings nicht als Herabsetzung von Hamills Arbeit verstanden werden darf. Vielmehr ergänzen sich beide Bücher gut, und die Zahl der Doppelabdrucke hält sich in Grenzen. Hamills Fondsedition besticht vor allem durch eine vorzügliche Dokumentation. So werden neben dem Entstehungszeitpunkt häufig auch Namen, Einheiten und Herkunftsorte der abgebildeten Soldaten genannt; ferner wird der Ereigniszusammenhang erläutert, aus dem heraus die fotografischen Momentaufnahmen entstanden sind. Hamill hat überdies einen autobiographisch angereicherten Überblick zum Kriegsverlauf beigesteuert, der auch über die verschiedenen AP-Journalisten und ihre wichtigsten Arbeiten informiert. Die Auswahl der Bilder ist aber insofern eingeschränkt, als vor allem die Perspektive der Bodentruppen gezeigt wird. Aufnahmen vom Luftkrieg fehlen dagegen fast völlig; nur ein Foto zeigt US-Soldaten vor einer schwarz qualmenden Feuerwand aus Napalm.

Dem Umstand, dass der Foto-Journalismus im Vietnam-Krieg auf Seiten der USA und ihrer Verbündeten kaum Einschränkungen unterlag, verdanken wir Aufnahmen von ungeheurer Authentizität, die das Kriegsgeschehen weitgehend ungefiltert widerspiegeln. Zu den beklemmendsten Fotos zählen zweifellos die brutalen Verhöre frisch in Gefangenschaft geratener Vietcong-Kämpfer oder verdächtiger Zivilisten. So zeigt uns Hamills Buch einen Partisanen, dem ein südvietnamesischer Soldat das Messer in den Bauch drückt. Bei einem anderen kommunistischen Kämpfer fliegt nach einem Stiefeltritt der Kopf zur Seite. Einer älteren Frau presst ein amerikanischer Soldat die Gewehrmündung tief in die Schläfe, während sie ein südvietnamesischer Übersetzer befragt. Und ein anderer Vietcong gibt nach zwanzig Minuten Waterboarding ein Waffenversteck preis.

Zu diesem Genre zählt auch das berühmte Foto von Eddie Adams, das festhält, wie der südvietnamesische Polizeigeneral Nguyen Ngoc Loan einem gefangenen Vietcong mit dem Revolver in den Kopf schießt. Adams dokumentierte die Tat mit einer ganzen Reihe von Fotos, die zunächst zeigten, wie der Gefangene abgeführt wurde, dann seine Erschießung und das Ausbluten des Toten auf dem Asphalt. Laut eigener Aussage war Adams überrascht von der Tat: "Wenn jemand zu seiner Pistole greift, drohen sie normalerweise: 'Du wirst jetzt dies oder jenes tun, oder ich erschieße Dich'. Und in der Regel passiert nichts." Wie Adams weiter berichtete, kam Loan nach dem Schuss auf ihn zu und sagte: "Sie haben viele von meinen Leuten getötet, und von euren auch." Dann ging er fort. (196 f.) Adams bedauerte später, das Foto gemacht zu haben, da der getötete Vietcong einem Killerkommando angehörte, das einen Polizeimajor und dessen sechsköpfige Familie ausgelöscht hatte. [3]

Kriegsfotos erzählen in der Regel nicht, warum etwas geschieht. Was die Bilder des Vietnam-Kriegs aber zuverlässig wiedergeben, sind die Wucht des Augenblicks und die Emotionen der dem Krieg ausgesetzten Menschen. Die von Hamill ausgewählten Bilder zeigen immer wieder die psychische Anstrengung der Kombattanten, ihre völlig ausgepumpten und apathischen Gesichter nach den Gefechten. Wir sehen auch Frauen, die, vor Todesangst schreiend, mit ihren Kindern fliehen, sowie von Napalm verbrannte Körper. Wir sehen immer wieder Bilder von Toten; darunter drei gefallene US-Soldaten, einer davon mit einer klaffenden Kopfwunde, die für den Abtransport mit dem Hubschrauber bereitgelegt sind, während ihre Kameraden im Hintergrund unruhig kauern, ebenfalls auf den Abflug wartend. Wir sehen Fotos von Sanitätern, die sich in panischer Verzweiflung mühen, Leben zu retten.

Um das Geschehen auf Kriegsbildern einigermaßen zuverlässig deuten zu können, bedarf es ergänzender Lektüre in den autobiographischen Werken der Teilnehmer. Dies wird an einem der Farbbilder in Hamills Band deutlich, das eine Wiese voller toter Vietcong-Kämpfer zeigt. Neben allerlei Wunden - einer der Toten ist von seinem faulig-braunen Gedärm bedeckt, bei einem anderen ragt der Knochen aus dem abgerissenen Beinstumpf - haben viele der Leichen noch die Seile um Beine oder Hals geschlungen, an denen sie, hinter Fahrzeugen her, zu ihrem Begräbnisort geschleppt wurden. In "Requiem" gibt es ein ergänzendes Foto von einem amerikanischen Schützenpanzer, der einen gefallenen Gegner am Seil hinterherschleift. Was wie der barbarische Akt einer Soldateska wirkt, war der raschen Verwesung in der tropischen Hitze geschuldet. Bao Ninh erwähnt in seinem autobiographischen Roman eine nordvietnamesische Panzerbesatzung, die die Fahrt in ihrem von Leichengestank verseuchten Fahrzeug völlig entnervt hat. Einen anderen Panzermann lässt er in der Nachkriegszeit den Stoff schildern, aus dem seine Alpträume sind: "Weißt Du noch, als wir die Süd-Soldaten der 18. Division durch Xuan Loc jagten? Meine Panzerketten waren vollgesaugt mit Haut und Haaren und Blut. Und die verfluchten Maden! Und die beschissenen Fliegen! Musste durch einen Fluss fahren, um das Zeug aus den Ketten zu kriegen." [4]

Eben weil sie lediglich Momente festhalten, lässt sich leider auch mit authentischen Kriegsfotos viel Schindluder treiben. Bei dem hier angezeigten Band ist das zum Glück nicht der Fall; man kann vielmehr von einer vorbildlichen Aufbereitung der Bilder sprechen. Hierzulande ist ein ähnlich sorgfältiger Umgang mit Kriegsfotos leider nicht zu erkennen. Statt dessen sind immer noch der Bildgebrauch eines Guido Knopp und der ersten Wehrmachtsausstellung stilbildend.


Anmerkungen:

[1] Bao Ninh: The Sorrow of War. A Novel, London 1998, 110.

[2] Horst Faas / Tim Page: Requiem. By the Photographers Who Died in Vietnam and Indochina, New York 1997.

[3] Eddie Adams: The Tet-Photo, in: Al Santoli (ed.): To Bear Any Burden. The Vietnam War and its Aftermath in the Words of Americans and Southeast Asians, London 1986, 182-185.

[4] Bao Ninh, a.a.O., 95 und 141.

Michael Ploetz