Rezension über:

Eva Hausdorf: Monumente der Aufklärung. Die Grab- und Denkmäler von Jean-Baptiste Pigalle (1714-1785) zwischen Konvention und Erneuerung (= Berliner Schriften zur Kunst; Bd. XXV), Berlin: Gebr. Mann Verlag 2012, 336 S., ISBN 978-3-7861-2669-0, EUR 69,00
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Rezension von:
Johannes Myssok
Kunstakademie, Düsseldorf
Redaktionelle Betreuung:
Hubertus Kohle
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Myssok: Rezension von: Eva Hausdorf: Monumente der Aufklärung. Die Grab- und Denkmäler von Jean-Baptiste Pigalle (1714-1785) zwischen Konvention und Erneuerung, Berlin: Gebr. Mann Verlag 2012, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 1 [15.01.2014], URL: https://www.sehepunkte.de
/2014/01/22115.html


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Eva Hausdorf: Monumente der Aufklärung

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Das 18. Jahrhundert war eine Zeit der Umbrüche, Experimente und der Revolution. Die außerordentliche geistige Aktivität, welche diese Prozesse anbahnte und begleitete, ist bis heute staunenswert und schwerlich auf einen Nenner zu bringen - gleiches gilt für die vielgestaltige bildende Kunst der Zeit, für die man sich in der älteren Kunstgeschichte immer wieder bemüht hat, Kriterien einer Zuordnung zu dieser oder jener Epoche zu finden. Doch auch die in jüngerer Zeit versuchte Einordnung von Kunstwerken aus dem Zeitraum zwischen 1750-1780 in eine so behauptete 'Kunst der Aufklärung' erscheint problematisch, denn die Aufklärung war bekanntlich keine kunsthistorische Epoche und Kennzeichen aufklärerischen Denkens lassen sich bereits im 17. Jahrhundert finden.

Der Künstler, den diese Problematik so zentral wie allenfalls noch Falconet betrifft, war Jean-Baptiste Pigalle, der mit seinen Grab- und Denkmälern im Zentrum der Untersuchung von Eva Hausdorf steht. Wie Falconet übte auch Pigalle nahezu durchgängig eine Faszination auf die Künstler späterer Zeiten aus, fand aber bis heute keine entsprechende Würdigung in der Kunstgeschichte.

Das Buch ist mit 'Monumente der Aufklärung' betitelt - es dürften also in dem angesprochenen Sinne Werke aus der Aufklärung als Epoche gemeint sein - die Problematik einer solchen Einordnung wird indes nicht weiter reflektiert. Doch ist die Arbeit ja auch keine Künstlermonografie, sondern eine Auseinandersetzung mit einer bzw. zwei Monumentgattungen, deren herausragende Bedeutung für das Œuvre Pigalles außer Frage steht.

Die Autorin konzentriert sich dabei in vier umfangreichen Kapiteln auf die von ihr als zentral bezeichneten Werkkomplexe im Œuvre Pigalles: das Grabmal für Moritz von Sachsen, das Denkmal Ludwigs XV., die Sitzfigur des nackten Voltaire und das Grabmal des Grafen Harcourt. Knapp wird eingangs anhand der Frage nach der jeweils relevanten Begrifflichkeit die zunehmende Auflösung der Gattungsgrenzen in der Skulptur des 18. Jahrhunderts angesprochen, die zu einer verstärkten Vermischung der Vorstellungen zu Grabmal und Denkmal geführt habe. Als Konsequenz hieraus sieht sich die Autorin berechtigt, die vier Monumente in "getrennten, für sich stehenden Fallstudien der Reihenfolge ihrer zeitlichen Entstehung nach" zu untersuchen, doch wird zumindest die chronologische Reihenfolge allein schon durch die außerordentlich lange Entstehungszeit des Grabmals für Moritz von Sachsen in Frage gestellt.

Sehr zu begrüßen sind die eingangs deklarierten methodischen Ansätze der Arbeit, wie derjenige, die in der Tat überaus zahlreichen Schriftquellen zu Pigalles Werken möglichst vollständig auszuwerten. Diese umfassen erstaunlicherweise nicht nur solche der Rezeption, sondern auch Selbstaussagen des Bildhauers, ja Diskussionen mit ihm zu Gestalt und Bedeutung seiner Werke bereits während ihrer Entstehungszeit. Wie sich bei der Lektüre schnell zeigt, hat die Arbeit weniger das Problem einer mangelhaften Quellenlage, als vielmehr dasjenige einer völlig überbordenden Materialbasis, welche die Autorin jedoch souverän gemeistert hat. Ebenso begrüßenswert ist die Absicht der Autorin, "die Kunstwerke in ihrer materiellen und künstlerischen Erscheinung" in den Mittelpunkt zu stellen und dabei insbesondere auch Zeugnisse des Werkprozesses einzubeziehen, welche Aufschluss über die Ideen des Künstlers geben können.

Dem Einstieg in die Untersuchung mit der Analyse von Pigalles Grabmal für Moritz von Sachsen ist eine knappe, auf siebeneinhalb Seiten selektiv bebilderte Biografie des Bildhauers vorangestellt, deren Sinn sich allerdings nicht wirklich erschließt, außer dass sie die im Folgenden dann diskutierten Monumente in einen Zusammenhang mit Leben und Werk stellt. Ein schlüssiges Bild des Künstlers wird hier jedenfalls nicht entworfen, sondern eher die Verengung des Blicks auf die genannten Monumente vorbereitet, wichtige weitere Werkkomplexe wie etwa derjenige für die Madame de Pompadour werden dagegen regelrecht marginalisiert.

Fast 80 Seiten sind dann eingangs dem vielleicht bedeutendsten, auf jeden Fall den öffentlichen Ruhm Pigalles begründendem Monument gewidmet, dem Grabmal für Moritz von Sachsen. Neben einer ausführlichen Diskussion der Quellenlage, der Forschungs- und Auftragsgeschichte findet der Leser hier auch ebenso umfangreiche Analysen zu der Konzeption des Grabmals im Ganzen wie auch zu den einzelnen Figuren, zu ihrer Erfindung und Ableitung aus der Tradition der Neuzeit. Als konzeptioneller Orientierungspunkt des Straßburger Grabmals für Moritz von Sachsen wird völlig zurecht das Grabmal Turennes im Invalidendom angesprochen und die Konzeption beider Monumente anhand der zeitgenössischen Quellen verglichen, was zu einer weiteren schlüssigen Absetzung des Sachsen-Grabmals von älteren Prototypen des 'Lit d'honneur'-Typus' führt. Das keineswegs neue Fazit, mit dem Sachsen-Grabmal sei eine Abkehr von der "sentimentalen Auffassung des Heldentodes" vollzogen, "die in ein bewusstes Anknüpfen an apotheotische Bilder von Ehrendenkmälern der Antike und Renaissance mündet" ist sicherlich vollkommen zutreffend, doch wird diese Aussage in den folgenden Ausführungen dann nicht weiter verfolgt. Zwar ergeht in der Auseinandersetzung mit dem für Frankreich neuartigen Typus der stehenden Grabmalsfigur ein Verweis auf venezianische Grabmäler des Barock, in denen dies wie schon von Hüttinger erkannt, vorgezeichnet war und auch Berninis Grabmal für Alexander VII. wird in der Herleitung der Todesfigur am Sachsen-Grabmal pflichtschuldig angesprochen, die Ableitung der Apotheose aus antiken Traditionen, die in Italien in der Renaissance wiederentdeckt aber auch in neuartiger Weise adaptiert wurden, wird jedoch nicht weiter verfolgt, sondern nur auf sie hingewiesen. Anstelle einer Auseinandersetzung mit den für die Neuzeit prägenden Monumenten in Italien, findet sich in der Arbeit immer wieder der Blick nach England zu Roubiliac, den Pigalle zwar einmal in seinem Leben getroffen hat, bei dem sich jedoch die Frage stellt, welchen Einfluss der Bildhauer, dessen Werke weit entfernt im verfeindeten England entstanden, wirklich auf Pigalle gehabt haben könnte. Es beschleicht einen hier der Verdacht, dass es die dank David Bindman und Malcolm Baker neu gewonnene Popularität Roubiliacs im kunsthistorischen Diskurs ist, die zu dieser Prominenz geführt hat.

Eben diese Diskursorientierung der Arbeit zeigt sich dann auch an weiteren Stellen als problematisch, etwa in der Analyse der Herkulesfigur. In ihrer Herleitung der Figur geht Hausdorf knapp auf die ikonografische Tradition des Halbgottes ein, der Diskurs gewinnt jedoch sogleich ungebremst an Fahrt, als das Thema des Herkules Gallicus aufgerufen wird. Obwohl sie selbst die Darstellungskonventionen dieses Typus' und die vorherigen Verwendungszusammenhänge benennt, setzt der Diskurs offenbar einen Automatismus frei, der sie nicht nur entgegen allen zuvor benannten Indizien den Herkules am Grabmal als Herkules Gallicus identifizieren lässt, sondern sich sogleich von dem schönen, einmal gefundenen Diskurs auch noch weiter zu der Folgerung tragen lässt, der Herkules sei die Stellvertreterfigur des französischen Königs am Grabmal - was dann noch mal weitere Diskurse frei schaltet.

Der französische König steht dann jedoch eindeutig im Mittelpunkt des Reimser Denkmals für Ludwig XV., dessen inhaltliche Genese Hausdorf schlüssig auf Pigalle selbst zurückführen kann. Weniger die Königsfigur als vielmehr die Sockelallegorien - unter ihnen die veristische Figur des 'Bürgers' - sind es hier, die als neuartige, gegen die Tradition agierende Elemente die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und entsprechend vor dem Hintergrund der Diskussion um die Allegorie untersucht werden. Der 'Bürger' wird dabei jedoch weitestgehend darauf reduziert, dass er ein Selbstporträt Pigalles ist, die frappierende Nacktheit der Figur findet dagegen in nur einem Satz Erwähnung, die weitgehende Übereinstimmung der Sitzhaltung mit der Voltaire-Statue wird in dem diesbezüglichen Kapitel dann ebenfalls nur angemerkt. Hier zeigt sich erneut, dass die Arbeit weitgehend auf vorhandenen Diskursen aufbaut, denn sobald ein solcher wie der Nacktheitsdiskurs zur Voltaire-Statue verfügbar ist, wird er ausführlich aufgegriffen, fehlt er hingegen wie zur Figur des 'Bürgers', dann schweigt die Autorin - eine Verzahnung der Kapitel wäre gerade in dieser Perspektive sicherlich hilfreich gewesen.

So steht dann nach den Ausführungen zur Voltaire-Statue das abschließende Kapitel zum Harcourt-Grabmal eher für sich und wirkt als Fremdkörper, als eine Art Appendix der Arbeit, da sowohl die Bedeutung des Werks im Œuvre Pigalles als auch seine Einordnung unter die zuvor diskutierten Monumente fragwürdig sind.

In Eva Hausdorfs Buch sind die bedeutenden Monumente Pigalles auf neuestem Forschungsstand erschlossen. Die umfassende Berücksichtigung der zeitgenössischen Quellen bietet dem Leser die Möglichkeit, in die faszinierend lebendige Diskussion einzutauchen, die vielfach nichts an Schärfe und Aktualität eingebüßt hat.

Johannes Myssok