Michael F. Laffan: The Makings of Indonesian Islam. Orientalism and the Narration of a Sufi Past, Princeton / Oxford: Princeton University Press 2011, XX + 301 S., ISBN 978-0-691-14530-3, USD 39,50
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Michael F. Laffan, der 2001 an in Südostasiatischer Geschichte an das University of Sydney promoviert wurde und nun an dem Department of History der Princeton University arbeitet, hat ein hochinteressantes und spannendes Buch vorgelegt, das die bisher erzählte Geschichte des Islams in Indonesien auf geschickte Weise dekonstruiert, indem er stets den Fokus auf die koloniale Ausdeutung der Ereignisse und Strukturen richtet. Im Mittelpunkt seiner Ausführungen steht die Figur des niederländischen Orientalisten Christiaan Snouck Hurgronje (1857-1936). Der 1857 in Oosterhout geborene Hurgonje studierte in Leiden Theologie und erhielt dort 1880 auf der Basis einer Dissertation zum Thema "Het Mekkaansche Feest" einen Doktorgrad. Als einer der ersten europäischen Gelehrten durfte er 1885 an der Wallfahrt nach Mekka teilnehmen. Vier Jahre später erhielt er in Leiden eine Professur für die malaiische Sprache und wurde zum offiziellen Berater der niederländischen Regierung für Kolonialangelegenheiten.
1800 hatte man die Besitzungen der finanziell abgewirtschafteten Vereenigde Oost-Indische Compagnie nationalisiert und als Nederlands-Oost-Indië zu einer Kolonie unter die direkte Verwaltung des Mutterlandes gestellt. In der Region war ein Islam weit verbreitet, der sich in seiner Lebenspraxis durch den Einbezug religiöser Elemente aus anderen Religionen durchaus unterschied. Interessanterweise gab es im 19. Jahrhundert eine Reihe von orthodoxen Muslimen, die diese Form des muslimischen Glaubens strikt ablehnten. Obgleich holländische Missionare recht aktiv waren, hatten die niederländischen Kolonialherren in der Regel eine säkulare Einstellung und versuchten daher, sich in religiösen Angelegenheiten neutral zu verhalten. Dennoch kam es aus sozialen, politischen und religiösen Gründen zu zahlreichen Unruhen, unter anderem zum Padri-Aufstand auf Westsumatra (1803-1837) und zum militärischen Konflikt mit dem Sultanat von Aceh (1873-1904). Ab 1871 stand dem Generalgouverneur ein "Berater für die Belange der Einheimischen" zur Seite. Diese Funktion übernahm letztlich Snouck Hurgronje, als er 1889 als Professor für Arabisch in Batavia und zur Erforschung des islamischen Erziehungswesens in Buitenzorg nach Indonesien reiste. Er heiratete nicht nur eine Einheimische, sondern begab sich unter dem Decknamen Hajji Abdul Ghaffar in diplomatischer Mission nach Aceh. Er lieferte der Obrigkeit schließlich einen ausführlichen Bericht ab, in dem er sich für eine grundsätzlich taktische (und nicht militärische) Lösung des Konflikts aussprach. 1898 wurde Hurgronje engster Vertrauter des Militärkommandanten von Aceh, Joannes Benedictus van Heutsz (1851-1924). Der Gelehrte hatte in den darauffolgenden Jahren nicht unerheblichen Anteil an der Beilegung des Krieges. Dennoch kehrte er 1906 - aus verschiedenen Gründen recht enttäuscht - in seine Heimat zurück, wo er noch lange Zeit als Orientalist tätig war. Insgesamt verfasste Hurgronje mehr als 1.400 Texte über die Situation in Aceh, den Islam in Indonesien und die niederländische Kolonialherrschaft.
Die Analyse der orientalistischen Verstrickungen des niederländischen Islamwissenschaftlers beginnt mit dem dritten Teil des Buches ("Orientalism Entangled", 123-174). Im Vordergrund steht zunächst Hurgronjes Kritik an den Vorwürfen, die man konservativen Muslimen in Indonesien machte. Seiner Meinung nach stellte diese Gruppe die gelehrtere und damit glaubhaftere Variante des Islams da, die sich mittelfristig daher auch als der bessere Partner für die holländische Kolonialmacht anböte. Ganz deutlich tritt hier seine tiefe Abneigung gegenüber dem populistischen Sufismus zu tage. Laffen folgt anschließend Hurgronje ins Feld und kann sehr schön zeigen, dass er nicht nur den Europäern als Informant diente, sondern auch von der anderen Seite als Vermittler instrumentalisiert wurde. Doch es gab sowohl innerhalb der Missionare wie auch unter Muslimen nicht wenige, die die Meinungen und Aktivitäten des Holländers ablehnten. Für die einen war zu nah an den Einheimischen, für die anderen war seine Interpretation des indonesischen Islams zu wenig auf internationale Reformbewegungen im muslimischen Lager ausgerichtet.
Die Narration entlang des Lebenslaufs von Hurgronje endet im vierten und letzten Kapitel ("Sufi Pasts, Modern Futures", 175-233) der Studie. Nach einer kurzen Vorstellung einiger für den indonesischen Kontext relevanter muslimischer Reformer sehen wir den Professor nach seiner Rückkehr nach Europa von Leiden aus wirken. Die von ihm ausgebildeten Kolonialbeamten unterstützten konservative Aktivisten wie die Anhänger des Sarekat Islam oder der von Migranten aus dem Hadramaut gegründeten Irshadi-Bewegung, in denen sie (und ihr Lehrer) Garanten für einen orthodoxen - und damit besser kontrollierbaren - Weg in eine von den Kolonisatoren gelenkte Moderne sahen. Für die Niederlande war dies eine zweischneidige Angelegenheit, denn diese Strömungen entwickelten zunehmend einen eigenen Nationalismus, der ab einem gewissen Punkt auf politische Unabhängigkeit pochen würde. Allerdings endete alles bekanntermaßen in der Besetzung des Landes durch die Japaner im Jahre 1942. Dies ist dann auch der logische Schlusspunkt des Buches.
Begonnen hatte Laffan seine Ausführung mit einer sehr guten Einführung in die Islamisierung Indonesiens und einer Übersicht über die damit einhergehende Formierung islamischer Diskurse. Eine indigene sufische Interpretation sah sich im 18. Jahrhundert mit eher formalistischen Auslegungen konfrontiert, die Religionsgelehrte vertraten, die neu ins Land gekommen und Teil eines transregionalen Gelehrtennetzwerkes waren. Die indigenen Autoritäten begrüßten diese auf die Anwendung des islamischen Gesetzes und der damit einhergehenden Herrschaftsregularien ausgerichtete Deutung, da sie ihnen handhabbarer und rationaler als die mystischen Lehren erschien. Der erste Teil des Buches ("Inspiration, Rememoration, Reform", 1-64) schließt mit einer Schilderung der zunehmenden ökonomischen Durchdringung von Nederlands-Oost-Indië. Darüber hinaus fassten neue Orden (etwa die Naqshbandiyya) auf dem Archipel Fuß, ein Zeichen dafür, dass der indonesische Islam sich zunehmend an nahöstlichen Vorbildern zu orientieren begann.
Im Zentrum des zweiten Kapitels ("Power in Quest of Knowledge", 65-174) wechselt Laffan die Perspektive und beschäftigt sich mit der niederländischen Wahrnehmung des Islams in Südostasien. Die protestantischen Christen nahmen die Andersgläubigen zwar durch die Brille eingefahrener Schablonen war, doch entwickelten sie durch die Kenntnis malaiischer Texte auch neue Sichtweisen. Mit der Einrichtung der holländischen Kolonie änderte sich auch die Haltung gegenüber den Muslimen. Unter dem Einfluss neuer Wissenschaftskulturen und einem veränderten Verständnis ihrer Rolle bemühten sich die Kolonialherren darum besser zu verstehen, wie sich der Islam regional organisierte. Um Nederlands-Oost-Indië effizienter beherrschen und verwalten zu können, bildete man ferner die eigenen Beamten im islamischen Recht aus. Dennoch blieben die Kenntnisse häufig an der Oberfläche, da man sich zu sehr auf die Interpretation von Texten verließ und sich zu wenig um den Kontext und die Lebenswelt der Muslime kümmerte.
Michael F. Laffan hat ein dichtes, überaus informatives und sehr anregendes Buch geschrieben, das für jeden, der sich mit dem Islam in Indonesien und dem Niederländischen Orientalismus befassen möchte, Pflichtlektüre sein sollte. Es biete eine ausgezeichnete Ergänzung zu Laffans Erstling "Islamic Nationhood and Colonial Indonesia: the umma below the winds" (London 2003)!
Stephan Conermann