Klaus Bringmann: Kleine Kulturgeschichte der Antike (= Beck'sche Reihe; 1995), München: C.H.Beck 2011, 272 S., 45 Abb., 11 Karten, ISBN 978-3-406-62110-9, EUR 14,95
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Mit dem hier zu besprechenden Buch legt Klaus Bringmann, emeritierter Althistoriker an der Universität Frankfurt, einen kurzen Überblick über die antike Kulturgeschichte für ein breiteres Publikum vor.
Die Aufteilung des Buches in die einzelnen chronologischen Abschnitte folgt dem gängigen Schema: Zuerst behandelt wird das archaische Griechenland (26-74), dort insbesondere die homerischen Epen und die zeitgenössische Adelsgesellschaft, daneben etwa auch Solon, Sappho und die Mathematik. Im Kapitel zum klassischen Griechenland (75-111) wird vor allem die Bedeutung der athenischen Geldwirtschaft hervorgehoben, ausführlicher vorgestellt werden daneben die Sophistik und die Historiografie. Im Kapitel zum Hellenismus (112-161) kann der mit Bringmanns Werk vertraute Leser den Einfluss seiner früheren Forschungen ausmachen. Hierin nämlich geht er ausführlicher auf das Verhältnis zwischen den Griechen und den beherrschten Völkern der Großreiche und die damit einhergehenden Hellenisierungsprozesse ein, wobei vor allem das von Bringmann früher schon mehrfach behandelte antike Judentum berücksichtigt wird. Das Kapitel zum republikanischen Rom (162-202) ist vor allem dem Zwölftafelgesetz und dem Leistungsethos der Elite gewidmet. Der Schwerpunkt des Kapitels zur römischen Kaiserzeit (203-244) liegt auf Augustus - auch dies ist ein von Bringmann früher bereits behandeltes Thema - und weiterhin dem Prozess der Christianisierung in den ersten drei nachchristlichen Jahrhunderten; hier findet auch die Spätantike ihren Platz (siehe dazu noch unten).
Die hier genannten Themen bilden mit den wichtigeren Schwerpunkten des Buches jedoch nur einen Bruchteil des Inhaltes, das eine deutlich größere Anzahl an vielfältigen Phänomenen behandelt. Alleine eine Aufzählung der von Bringmann näher behandelten antiken Autoren würde eine deutliche Erweiterung des Umfanges dieser Rezension über die zulässigen Grenzen hinaus bedeuten.
Die Vielfalt der Inhalte dieses Buches ist auch in Bringmanns Kulturbegriff begründet. Der Gefahr, in weitschweifiges und womöglich unergiebiges Theoretisieren zu verfallen, entgeht er mit Erfolg. Hier wie auch sonst an den antiken Quellen orientiert, die daher auch oft in teils ausführlichen Zitaten sowie in Form von Abbildungen zu Wort kommen, lässt Bringmann Lukrez erklären, was Kultur ist (10-11): Materielle wie geistige Erzeugnisse sowie soziale Institutionen; beispielsweise Ackerbau, Literatur und Recht, um nur jeweils ein Beispiel anzuführen.
Sieht man von einigen wenigen Marginalien ab, welche die Qualität des Buches nicht beeinflussen [1], so bleibt nur ein nennenswerter Kritikpunkt: Die Spätantike wird weitgehend ausgeklammert. Zunächst einmal zeigt sich dies in dem Aufbau des Buches, der alle großen Epochen (archaisches, klassisches und hellenistisches Griechenland, römische Republik und Kaiserzeit) in eigenen Kapiteln behandelt. Lediglich die Spätantike wird als Teilbereich in dem Kapitel über die Kaiserzeit eingeordnet. Dieses aber widmet sich wie gesagt fast nur der frühen Kaiserzeit, insbesondere der augusteischen Epoche, und streift die Spätantike nur gelegentlich; die eingehendste Behandlung erfährt sie im Rahmen der kaiserlichen Schulgesetzgebung (229-232).
Diese Kritik ist allerdings gleich wieder etwas einzuschränken: Es dürfte allgemein bekannt sein, dass Bringmann auf dem Gebiet der Erforschung der Spätantike keineswegs untätig ist und eine Reihe von relevanten Studien zu dieser Epoche vorgelegt hat. [2] Somit wird die weitgehende Auslassung der späteren nachchristlichen Jahrhunderte nicht dem Irrtum, in der Spätantike hätte es keine wesentliche Kulturentwicklung gegeben, geschuldet sein, sondern vermutlich eher teils den Notwendigkeiten der unvermeidlichen Beschränkung im Umfang, teils den erwarteten Interessensschwerpunkten des intendierten Publikums. Aber vielleicht lässt sich diese Fehlstelle insofern nutzen, dass Bringmann demnächst die Leserschaft mit einer umso eingehenderen "Kulturgeschichte der Spätantike" erfreut.
Um es zusammenzufassen: Wer ein gut lesbares, in seinem Umfang überschaubares sowie fachlich kompetentes und mit Gewinn auf frühere Forschungen zurückgreifendes Überblickswerk sucht, um seine Kenntnisse zur Antike zu vertiefen oder sich allgemein für Kulturgeschichte interessiert, trifft mit diesem handlichen und preisgünstigen Buch eine gute Wahl. [3]
Anmerkungen:
[1] Um diese der Vollständigkeit halber anzuführen: Anstelle von "Wie immer" (27) ist "Wie auch immer" zu lesen; der Begriff des "Gesetzescodes" (70) ist etwas unschön; nach den von Bringmann angegebenen Zahlenangaben (80: 40 reguläre Volksversammlungen im Jahr) müsste alle neun Tage eine Volksversammlung zusammengetreten sein, nicht wie angegeben alle acht; die Bezeichnung des Polybios als "führender Historiker des 2. Jahrhunderts" (134) ist so etwas unpassend, da eine solche Formulierung eher für einen modernen Historiker dieser Zeitspanne zu erwarten wäre (besser wäre etwa "der Verfasser eines der wichtigsten erhaltenen Geschichtswerke zur hellenistischen Epoche"); der 228 genannte Klassische Philologe heißt Ludwig Radermacher, nicht Rademacher.
[2] Zu nennen wären vor allem: Ammianus Marcellinus als spätantiker römischer Historiker, in: Antike und Abendland 19 (1973), 44-60; Kaiser Julian, Darmstadt 2004; Julian, Kaiser und Philosoph, in: Kaiser Julian Apostata und die philosophische Reaktion gegen das Christentum, hg. v. Christian Schäfer, Berlin 2008, 87-104 sowie die drei Aufsätze zur Spätantike in seinem Schriftenband (Ausgewählte Schriften, Frankfurt a.M. 2001, 317-359).
[3] Auch die bisherigen Rezensionen urteilen ausgesprochen positiv: Lester L Grabbe, in: Journal for the study of the Old Testament 37 (2013), 182-183; Klaus Meister, in: Historische Zeitschrift 297 (2013), 146-148; Winfried Schmitz, in: Tyche 27 (2012), 243-245; Uwe Walter, in: Klio 94 (2012), Nr. 2, 498.
Raphael Brendel