Rezension über:

Kunst und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland (Hg.): Florenz! Die Stadt der Medici kommt an den Rhein. Katalogbuch zur Ausstellung, München: Hirmer 2013, 384 S., 373 Farb-, 37 s/w-Abb., ISBN 978-3-7774-2089-9, EUR 49,90
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Rezension von:
Daniel Leis
Venedig / Mainz
Redaktionelle Betreuung:
Sebastian Becker
Empfohlene Zitierweise:
Daniel Leis: Rezension von: Kunst und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland (Hg.): Florenz! Die Stadt der Medici kommt an den Rhein. Katalogbuch zur Ausstellung, München: Hirmer 2013, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 1 [15.01.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/01/23923.html


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Kunst und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland (Hg.): Florenz!

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Die vorliegende Publikation erschien als Katalog zur gleichnamigen Ausstellung in der Bundeskunsthalle in Bonn. Der Katalogteil nimmt etwa zwei Drittel des Bandes ein und stellt die in der Ausstellung gezeigten Objekte vor, die von wenigen Ausnahmen abgesehen, durch eine Abbildung gezeigt werden. Sie sind nach thematischen Gruppen geordnet, denen jeweils ein meist einseitiger Text zur Einführung vorangestellt ist. Der Essayteil im ersten Drittel des Bandes behandelt eine Reihe von Aspekten zu Geschichte, Stadtorganisation und künstlerischer Produktion.

Der Band ist ansprechend gestaltet, verfügt über sehr viele gute Abbildungen. Essays und Hauptteile des Kataloges werden durch ganzseitige Abbildungen eingeleitet, das im ganzen Band einheitliche Schriftbild ist im Katalogteil in der Schriftgröße kleiner und der Text wird dort in drei Spalten pro Seite unterteilt, die durch senkrechte rote Striche getrennt sind, welche unterbrochen werden, um die Zuordnung von Bild und Text zu erleichtern. Diese Zuordnung ist allerdings nicht konsequent durchgehalten (vgl. etwa 226/275), was vor allem bei nebeneinanderliegenden Seiten auffällt (etwa 176/177 und 324/325) und feinsinnige Ästheten stören mag. Fußnoten und eine umfangreiche Bibliographie finden sich am Ende des Bandes.

Das Ausstellungsprojekt wurde durch eine Kooperation der Bundeskunsthalle mit dem Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte in Florenz, der TU Darmstadt und der Denkmalpflege in Florenz realisiert. Ideale Voraussetzungen also, sowohl für den Zugang zu den Objekten, als auch hinsichtlich einer entsprechenden fachlichen Kompetenz. Wissenschaftler der beteiligten Institutionen liefern denn auch den größten Teil der Essays und Katalogbeiträge.

Wer das Buch zur Hand nimmt, darf also erwarten, dass er umfassend und unter Berücksichtigung neuerer Ergebnisse und Forschungsansätze mit Florenz vertraut gemacht wird, denn der Anspruch ist reichlich weit gesteckt und wird schon im Titel ausgedrückt: Florenz! Das Ausrufezeichen ersetzt einen wie auch immer gearteten Untertitel, da es eben nicht um eine bestimmte kunst- oder kulturhistorische Frage geht, sondern um mehr. Wie Bernd Roeck in seinem Essay "Weltkultur am Arno" (93-99) schreibt, habe schon Marsilio Ficino die Künste der Grammatik, Rhetorik, Malerei, Architektur, Bildhauerkunst und Musik unter dem Ausruf "Das alles ist Florenz!" subsummiert (93).

Die Bandbreite der im Katalog versammelten Objekte und der zur Sprache kommenden Aspekte rechtfertigt dieses Ausrufezeichen dann auch. Dabei ist es ein hohes Verdienst der Autoren, dass sie der womöglich naheliegenden Versuchung nicht nachgeben, nämlich die Stadtgeschichte in ein Vor- und Nachleben um jene Epoche der Renaissance zu unterteilen, die das Bild der Stadt Florenz in allgemeiner Wahrnehmung prägt, was wohl nicht wenig von ihrer touristischen Vermarktung beeinflusst sein dürfte. Die Epoche der Renaissance hat aber am Katalog keinen signifikanten Überhang (189-246), und die Künstler werden mehr exemplarisch und in der Regel nicht durch ihre bekanntesten Werke vorgestellt. Michelangelo ist mit zahlreichen Architekturzeichnungen vertreten (Kat. Nr. 137-142), Leonardo mit Ingenieursprojekten (Kat.-Nr. 134-135). Und auch die Aufsätze widmen sich nur indirekt den Großen der Florentiner Kunst oder einzelnen Werken, geben vielmehr eine Einführung zu Voraussetzungen, Umfeld und geistigem Klima. Dabei wird Wert auf einen bewusst breiten Zugang gelegt, welcher sich schon im zeitlichen Rahmen äußert. Dieser beginnt am Übergang vom Hoch- zum Spätmittelalter, als die Kommune ein wichtiges Handels- und Finanzzentrum darstellte, und erstreckt sich bis ins 19. Jahrhundert, als sich Florenz als Geburtsstadt der Renaissance definierte.

Politik und Wirtschaft werden in je eigenen Beiträgen vorgestellt (67-81), ebenso die Sozialfürsorge der spätmittelalterlichen Stadt (33-43) oder die Geschichte der Wissenschaften (101-111), jene der Sammlungen und der aus ihnen hervorgegangenen Museen (83-91; 113-130) und natürlich der Ruf Florenz' als Kunststadt und ihrer Künstler (45-53). Die Verständlichkeit der Texte ist auch für Leser ohne spezielle Vorkenntnisse durchgängig gut, dabei stehen kennerschaftliche Ausführungen, die ohne Belegstellen auskommen (Volker Reinhardt 67-73, Christian Barteleit 75-81), neben solchen einer tiefen, aber wohltuend unaufdringlichen Gelehrsamkeit (Wolf-Dietrich Löhr 45-53).

Hinsichtlich der Wahrnehmung von Florenz als Kunstmetropole verweist der Band auf die von den Medici gepflegte Kunstpolitik. Diese ließen nicht nur den Ruhm der Florentiner Kunst durch den Künstler Vasari schriftstellerisch verbreiten, sondern zentralisierten auch die kunsthandwerklichen Fähigkeiten in hofeigenen Werkstätten (113-121 und Kat.Nr. 240-251), die ein besonderes Know-How erwarben und bewahrten und die direkt dem Hof unterstanden, der ihre Erzeugnisse als Geschenke an andere Herrscher und Höfe weiterzugeben und so in Diplomatie umzusetzen wusste. Wer im 16. Jahrhundert ein ehernes Reiterstandbild oder versierte Steinschneider haben wollte, der musste sie in Florenz erbeten. Es war diese Innovationskraft, die die Arnometropole zu einer Großmacht der Kunst machte, und durch die sie imstande war, dass eigene Überleben im Konzert der Großmächte zu sichern.

Nach dem Ende der mediceischen und habsburgischen Herrschaft begann für Florenz im 19. Jahrhundert eine Neubesinnung auf die eigene Geschichte, und das hieß vor allem auf die Florentiner Renaissance. Die Stadtentwicklung des 19. Jahrhunderts war ganz dem Wiederherstellen und Vollenden einer Renaissancestadt gewidmet, sichtbar in dem die Neubauviertel dieser Zeit durchziehenden Historismus in Florentiner Renaissanceformen, durch die Restaurierung alter Palazzi oder der Vollendung der Figurengalerie in den Uffizien, deren Nischen nun erst mit jener Reihe illustrer Toskaner ausgestattet wurden. Diese Bautätigkeit ging einher mit einer Identitätssuche und dem eigenen Platz im sich einenden Italien, dessen Hauptstadt Florenz für einige Jahre war. Zugleich begann auch die Selbstvermarktung als Tourismusmetropole, die noch heute unsere Vorstellung von Florenz prägt. Der Entdeckung der Renaissance durch die (kunst)historische Forschung im 19. Jahrhundert mit ihrem Heroen- und Virtuosenkult widmet sich Christine Tauber (133-141), wobei vor allem die deutsch- und englischsprachigen Reisenden und Gelehrten es waren, die sich an Florenz abarbeiteten, dort ihre Künstler- und Gelehrtenkreise unterhielten, was schließlich auch zur Gründung des Kunsthistorischen Institutes führte, das die Ausstellung mitkonzipierte.

Der Band regt an, über viele scheinbar altbekannte Fragen neu nachzudenken, und zugleich gibt er jedem, der nach Florenz fährt eine Einführung in die Fülle dessen, was diese Stadt und ihr Kunstschaffen ausmacht. Nicht zuletzt aber zeigt er darüber hinaus, dass die Faszination für Florenz, seine Geschichte und Kunst nichts an Aktualität verloren hat und dass auch die kunsthistorische Beschäftigung mit der Stadt nach eineinhalb Jahrhunderten noch über die Innovationskraft verfügt, neue Untersuchungsfelder zu erschließen und Fragen aus unserer Gegenwart heraus zu formulieren. Etwa wenn der Katalog arabische Objekte ins Gedächtnis ruft, die schon im ausgehenden Mittelalter und erst recht in der frühen Neuzeit zusammen mit indianischen oder afrikanischen Kunstobjekten in den Sammlungen verwahrt und studiert wurden (Kat.Nr. 81, 210-220) oder wenn das kunsthandwerkliche Schaffen, vom Suchen nach verborgenem Wissen begleitet wurde. Die hohe Wertschätzung bei der Verwendung von Edelsteinen etwa, gründete nicht allein in der Schönheit ihres Materials, sondern auch in wirkungsvollen Kräften, die ihnen zugeschrieben wurden (89). So waren es denn ursprünglich jene Steinvasen, die zusammen mit Kleinbronzen in der Tribuna, dem berühmten Sammlungsraum der Uffizien, ausgestellt waren, ehe eine spätere Kunstauffassung die heutige Mischung aus Bildern und Statuen dort zusammenführte (91).

Daniel Leis