Stefanie Albus-Kötz: Von Krautgärten, Äckern, Gülten und Hühnern. Studien zur Besitz- und Wirtschaftsgeschichte des Prämonstratenserstifts Adelberg im Mittelalter 1178-1535 (= Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde; Bd. 73), Ostfildern: Thorbecke 2014, XIV + 318 S., ISBN 978-3-7995-5273-8, EUR 39,00
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Angestoßen durch das DFG-Projekt "Stiftskirchen in Baden-Württemberg" entstand die hier zu besprechende Dissertation an der Philosophischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen bei Sönke Lorenz. Die Autorin, die bereits ihre Zulassungsarbeit (1999) über die Prämonstratenser in Adelberg erstellt hatte, will mit der vorliegenden Veröffentlichung ihrer geringfügig überarbeiteten Dissertation die bislang fehlende Studie zur Besitz- und Wirtschaftsgeschichte eines der bedeutenderen württembergischen Männerklöster bzw. -stifte im Mittelalter vorlegen. Dabei soll der Umfang des Stiftsbesitzes vor der Reformation rekonstruiert werden. Während die Autorin im ersten Teil ihrer Veröffentlichung Einblick in historische Abläufe und die Besitzentwicklung gewährt, listet sie im Hauptteil den Adelberger Grund- und Pfarrkirchenbesitz sehr detailliert in den einzelnen Orten auf.
Die Einrichtung des Stiftes, ebenso dessen endgültige Auflösung 1643, verliefen nicht gradlinig. Zwischen 1170 und 1178 kam es zu drei Gründungsversuchen, dessen dritter Anlauf erst zum Erfolg führte. Der Ministeriale Volknand von Staufen, ein welfischer Gefolgsmann, initiierte alle drei Unternehmungen auf seinen eigenen Gütern. Möglicherweise sollte beim ersten Anlauf das Kloster mit "grauen Mönchen" (Zisterzienser) besiedelt werden. Die Lage jedoch, auf einem Berg ("in monte Adelberg"), stellte sich als ungünstig für eine zisterziensische Gründung heraus, die ihre Anlagen stets in Tallagen gründeten. Das Scheitern wird vom Autor des Testimoniums (Clm 15330) mit den Worten kommentiert: "die grauen Mönche waren nicht vom Schlage, von denen die Kirche wie eine Stadt ('civitas') erbaut werden sollte". Vermutlich jedoch war die Tradition welfischer Klostergründungen, bei denen die Prämonstratenser favorisiert wurden, im Gegensatz zu den Hohenstaufern, die die Zisterzienser bevorzugten, der wahre Hintergrund. Adelberg wurde auf dem Schurwald in unmittelbarer Nähe zum Hohenstaufen und in Nachbarschaft zum benediktinischen Hauskloster der Staufer, Lorch, eingerichtet.
Nach dem ersten Scheitern regte Volknand die Besiedlung des Adelberger prediums mit einem Prämonstratenserkonvent, bestehend aus Kanonikern, Konversen und Schwestern aus dem Stift des Abtes Otheno von Rot an - aber auch dieses Vorhaben endete im Misserfolg. Der letztendlich gelungene dritte Schritt begann 1174 mit einem Konvent aus Roggenburg und wurde vollendet mit der Zustimmung des Hohenstauferkaisers Friedrich Barbarossa 1178. Für Stefanie Albus-Kötz ist die lang andauernde Gründungsphase mit den letzten staufischen Urkunden durch König Heinrich VII. 1228 und 1234 endgültig abgeschlossen, da damit für das Stift der staufische Teil seiner Geschichte endete. Adelberg gehörte zur 'Schwäbischen Zirkarie' des Ordens. Der erste Vorsteher, Propst Ulrich, konnte auf 42 Amtsjahre zurückblicken, als er 1216 verstarb. Zwar fällt in seine späten Amtsjahre ein Konversenaufstand, dennoch profitierte die Neugründung durch die aufgrund der langen Amtszeit mit zielgerichteter Konstanz aufgebaute materielle und spirituelle Basis. Seit Januar 1441 bezeichneten sich die Vorsteher Adelbergs als 'Äbte'. Bereits in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurden wiederholt Reformversuche durch die Kurie und den Orden veranlasst. Ganz im Sinne solchen Erneuerungsstrebens, etwa der übergreifenden Reformstatuten von 1505, wurde unter Abt Berthold Dürr (1459/60-1501) eine Gerichtsordnung für das Stift vorgelegt, die Klosterdisziplin verbessert, die historischen und liturgischen Wurzeln des Ordens betont, ebenso die Neujustierung der ökonomischen Grundlagen durch Anlegung neuer Lagerbücher vorangetrieben. Das Abbatiat Leonhard Dürrs (1501-1538) war von der Aufstandsbewegung des Armen Konrad und vom Bauernkrieg geprägt, in dessen Verlauf der Konvent nach Göppingen, Jebenhausen und schließlich nach Schondorf ausweichen musste.
Aus dem Stiftungsgut und dem Gebietszuwachs bis zum Abschluss der Gründungsphase 1202 lässt sich die weite Streuung des Adelberger Güterbesitzes ablesen. Die Zufälligkeit der Besitzlagen ändert sich bis etwa 1300 nicht. Wirtschaftlich und finanziell befand sich das Stift zu Beginn des 16. Jahrhunderts in einer guten Situation. Aufgrund seiner finanziellen Leistungsfähigkeit nahm es den vierten Rang unter den württembergischen Männerklöstern hinter den Zisterzen Bebenhausen, Maulbronn und Herrenalb ein. Die Stiftsgüter wurden zu Beginn des 16. Jahrhunderts in den drei Leiheformen Erblehen, Falllehen und dritteilige Güter an die grundherrschaftlichen Untertanen ausgegeben. Als wichtige "Bausteine" der Adelberger Grundherrschaft lassen sich die Glashütte in Nassach, zwei Salzpfannen in Hall (seit 1203), sechs (möglicherweise acht) Stadthöfe, u.a. in Stuttgart und Esslingen, sowie zahlreiche ausgereichte Mühlen nachweisen. Weitere Adelberger Besitzrechte lassen sich in 204 Orten belegen. Ein Gesamturbar hat sich für Adelberg nicht erhalten. "Aufgrund der bruchstückhaften Überlieferung der Lagerbücher, des Fehlens theoretischer Texte zur Organisation der Grundherrschaft und des Verlustes der Rechnungen kann kein auch nur annähernd vollständiges Bild der Wirtschaftsweise des Stiftes" gewonnen werden. Der Niederkirchenbesitz mit inkorporierten Gotteshäusern galt neben dem Grundbesitz als wesentliche Einnahmequelle geistlicher Gemeinschaften. Adelberg besaß bis zur Aufhebung Rechte an 23 Pfarrkirchen. An der Universität Tübingen waren wiederholt Adelberger Prämonstratenser eingeschrieben.
Das Typische an ursprünglichen Prämonstratenserstiften war deren Funktion als Doppelklöster. Seit wann neben dem 1178 gegründeten Männerkonvent in Adelberg ein Frauenkloster bestand, ist nicht mit Sicherheit nachzuweisen. Beide Konvente verfügten jedoch über gemeinsamen Besitz. 1317 wird erstmals in Adelberg ein Frauenkloster fassbar, mit einer "Meisterin" an der Spitze. 1476 wurde das Frauenkloster mit 17 Schwestern in die eine Tagesreise entfernte Stadt Lauffen in das dortige zerrüttete Dominikanerinnenkloster verlegt. Der Lauffener Konvent stand weiterhin unter dem Schutz des Adelberger Abtes.
Bis zur vergleichsweise späten Trennung von Männern und Frauen galt Adelberg als letztes Doppelkloster auf deutschem Boden. Doppelkonvente passten nicht mehr in die Zeit - bereits im 12. und 13. Jahrhundert waren die prämonstratensischen Frauenstifte in Frankreich untergegangen. Das Generalkapitel des Ordens kümmerte sich nicht mehr um die Frauen in anderen Regionen, so dass eine Aufhebung des Adelberger Doppelkonvents wohl auch im Sinne der Ordenszentrale in Prémontré war. Auf Befehl Herzog Ulrichs von Württemberg wurde im November 1534 eine Vermögensinventur des Stiftes vorgenommen. Die Stände der Prälaten, Städte und der Ritterschaft mussten sich gegenüber Landgraf Philipp I. von Hessen für die Bezahlung der ausstehenden Kriegslasten für den württembergischen Landesherrn über 153.000 fl verbürgen.
In die entscheidende Phase traten Reformation und Säkularisation der Klöster und Stifte im Lande durch die Einführung der Klosterordnung im Juli 1535. Die Säkularisation der Klostergüter wurde vom Juli 1535 bis Mai 1536 durchgeführt. 1548 kam es zur Wiederbesiedlung des aufgelösten Adelberg unter Abt Ludwig Werner, der bereits 1505 in das Stift eingetreten war und 1547 in Roggenburg heimlich zum Abt gewählt und vom Augsburger Bischof geweiht wurde. Nach dem Ableben des Abtes fiel das Stift 1565 an Württemberg zurück. Seit 1623 bemühte sich der Prämonstratenserorden erneut um die Rückgabe des Stiftes, was am 28. August 1630 auch gelang: Adelberg gehörte nun wieder der Schwäbischen Zirkarie an. Zwei Jahre später wurde das Haus erneut von Württemberg übernommen, 1635 kehrten Prämonstratenser ein letztes Mal zurück, bis schließlich 1643 das endgültige Aus für das Stift kam. Als letzter Adelberger Abt verstarb Georg Schönhainz im Februar 1673 im Stift Rot.
Stefanie Albus-Kötz gelingt mit ihrer Veröffentlichung die gleichermaßen spannende, interessante und empfehlenswerte Entwicklungs- und Wirkungsgeschichte eines der Schwäbischen Zirkarie zugehörigen Stiftes aufzuzeigen, für das, so die Autorin, bis heute eine moderne Gesamtdarstellung fehlt. Interessant sind ihre Hinweise zur staufischen und welfischen Klosterpolitik mit der Bevorzugung von Zisterziensern und Prämonstratensern. Die zumindest mittelbare Beteiligung von Kaiser Friedrich I. Barbarossa beim Gründungsvorgang sowie weitere Urkunden von Herzog Friedrich V. von Schwaben, König Philipp von Schwaben und dessen Ehefrau, Kaiser Friedrich II. und schließlich König Heinrich VII. stehen für die nahezu 60 Jahre lang andauernde staufische Förderung und damit für die Bedeutung der Gründung. Abgesehen von dem wenig gelungenen Buchtitel handelt es sich um eine sehr lesenswerte Darstellung, die künftig sowohl von Wirtschafts- und Sozial-, als auch von Landes- und Ordenshistorikern mit Gewinn verwendet werden wird.
Klaus Wollenberg