Guy Lobrichon: Bourgogne Romane, Lyon: Éditions Stéphane Bachès 2013, 372 S., zahlr. s/w-Abb., ISBN 978-2-35752-163-6, EUR 39,90
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Der Verlag Stéphane Bachès hat die Reihe "La Nuit des Temps" des Verlags Zodiaque wiederbelebt. Diese 1999 eingestellte Reihe, die zur Pflichtlektüre für Forscher sowie Kunst- und Kulturreisende gehört, wurde seit 1954 von den Benediktinern der Abbaye de la Pierre-qui-Vire in Burgund herausgegeben. [1] Sie umfasst insgesamt 88 Bände mit hochwertigen Schwarz-Weiß-Fototafeln in Kupfertiefdruck, die von den Mönchen hierfür angefertigt wurden. Die besondere Ästhetik dieser Bilder, ihre prägnante Licht-Schatten-Regie und die oftmals außergewöhnliche Perspektive haben interessierte Laien und Forscher begeistert und mittlerweile auch Eingang in die Forschungsgeschichte gefunden. [2] Bereits die Vielzahl der erschienenen Bände und Neuauflagen bezeugt, wie erfolgreich dieses Konzept war und wie schwierig die Herausforderung gewesen sein muss, ein solches Projekt weiterzuführen. Dieser Aufgabe stellt sich nun Guy Lobrichon, emeritierter Professor für Geschichte des Mittelalters an der Université d'Avignon et des Pays de Vaucluse, der den ersten Band zum romanischen Burgund verfasst hat.
Anders als in den Bänden der ursprünglichen Reihe liegt die Gewichtung bei Lobrichon vornehmlich auf dem Textteil. Im ersten Teil des Buches (43-147), der beinahe die Hälfte umfasst und als ausführliche Einleitung dient, erläutert Lobrichon die historischen, gesellschaftlichen und (kirchen-)politischen Voraussetzungen zur Romanik in Burgund, von ihren Anfängen im 10. Jahrhundert (43-55), dem Höhepunkt der cluniazensischen Reform im 11. Jahrhundert (95-121) bis hin zur sogenannten Blütezeit im 12. Jahrhundert. Daran anschließend entwirft der Autor im zweiten Teil des Buches sieben sogenannte Itinerarien. In den ersten vier untersucht der Autor einzelne Kirchen, die er ausgehend von der im Jahr 910 durch Wilhelm I. Herzog von Aquitanien und Graf von Mâconnais gegründeten Abtei von Cluny zusammengestellt hat. Abschließend sind drei weitere Itinerarien zur Region des Sénonais und des Auxerrois (319-345), zur zisterziensischen Kunst (347-355) und zu Kollegiatskirchen (357-361) hinzugefügt.
Während in der Erstauflage der Reihe aus dem Jahr 1954 fünf Kirchenbauten (Tournus, Paray-le-Monial, Saulieu, Autun und Vézelay) im Zentrum stehen, die zum Teil von unterschiedlichen Autoren behandelt wurden, geht Lobrichon in seiner Publikation den gegensätzlichen Weg: Statt sich wie ursprünglich "auf einige typische Bauwerke zu beschränken: die wichtigsten und die schönsten und bei diesen die originellsten und lehrreichsten Seiten hervorzuheben" [3], werden nun sowohl kleinere als auch größere, sowohl bekanntere (Cluny, Dijon, Avallon, Auxerre) als auch - vor allem außerhalb der Forschung - weniger bekanntere Kirchen (Chapaize, Gourdon, Saint-Julien-de-Jonzy) berücksichtigt. Zusätzlich zu den mehr als 60 Kirchen, die in den einzelnen Itinerarien verhandelt werden, finden sich jeweils daran anschließend noch weitere Kirchen zur Ergänzung, sodass - im Gegensatz zu den fünf Kirchen der Erstauflage, die in den folgenden Auflagen um nur wenige Kirchen erweitert wurden - nun insgesamt rund 160 Kirchen Eingang in den Band erhalten haben. Standen die Abbildungen in der ursprünglichen Konzeption der Reihe im Zentrum des Buches und zu Beginn des jeweiligen Kirchenbaus, sind diese nun in den Text integriert, teilweise zwar übernommen, jedoch auch um neuere oder zumindest überarbeitete Fotografien ergänzt.
Die insgesamt gelungene Publikation überzeugt vor allem durch die vielfältige Materialfülle zur Romanik in Burgund. Die ehemalige Abteikirche von Cluny erhält zu Recht und in dieser Reihe erstmalig eine besondere Aufmerksamkeit, doch wäre es ebenso denkbar wie wünschenswert gewesen, nicht beinahe alle Kirchen von Cluny ausgehend zu erläutern. Die oftmals sehr unterschiedliche Textlänge zu den einzelnen Kirchen stimmt dabei manchmal weniger mit der Bedeutung oder dem Rang in der kunsthistorischen Forschung überein, als mit den persönlichen und / oder historischen Interessen des Autors. Auch die Aufteilung in Haupt- und Ergänzungskirchen in den einzelnen Itinerarien bleibt bisweilen undurchsichtig. Die Art der neuerlichen Verwendung der Schwarz-Weiß-Abbildungen sowie der große Textanteil lassen bedauerlicherweise den ursprünglichen Charme der Zodiaque-Reihe vermissen. Aber dies mindert keinesfalls den Wert der anspruchsvollen Arbeit von Lobrichon. Er bietet eine gute Ergänzung zu den bisherigen Überblickswerken zur romanischen Kunst in Burgund [4] und damit eine unverzichtbare Grundlage für die weitere Forschung, vor allem jedoch - wie auch die früheren Bände - für Kunst- und Kulturreisende. Das Ortsregister (364f.), der Anmerkungsapparat sowie die Auswahlbibliografie (366-369) erleichtern die Handhabung und laden zum Nachschlagen sowie zur weiteren Recherche ein.
Anmerkungen:
[1] Der erste Band: Jean Baudry (u.a.): Bourgogne romane (= La Nuit des Temps; Bd. 1), La Pierre-qui-Vire 1954.
[2] Vgl. Cédric Lesec (éd.): Zodiaque. Le monument livre, Lyon 2012; Janet T. Marquardt: Defining French 'Romanesque': The Zodiaque series, in: Journal of Art Historiography 1 (2009), o. S. [Verfügbar unter: http://arthistoriography.files.wordpress.com/2011/02/media_139143_en.pdf; letzter Zugriff am 22.02.2015]; Dies.: La Pierre-qui-Vire and Zodiaque: A Monastic Pilgrimage of Medieval Dimensions, in: Peregrinations 2,3/4 (2009), 118-129. [Verfügbar unter: http://peregrinations.kenyon.edu/vol2_3_and_4.pdf; letzter Zugriff am 22.02.2015].
[3] Jean Baudry (u.a.): Bourgogne romane (= La Nuit des Temps; Bd. 1), La Pierre-qui-Vire 1954, 252.
[4] Vgl. etwa aus archäologisch-kunsthistorischer Perspektive Christian Sapin: Bourgogne romane, Dijon 2006.
Jeannet Hommers