Fedor Schlimbach: San Juan de Baños und der Kirchenbau im westgotischen Königreich von Toledo (= Iberia Archaeologica; Bd. 17), Mainz: Philipp von Zabern 2014, 545 S., zahlr. Fabr-, s/w-Abb.; 9 Beilagen, ISBN 978-3-8053-4845-4, EUR 65,50
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[Zu diesem Beitrag liegt eine
Stellungnahme von Fedor Schlimbach vor.]
Das umfangreiche Buch, das trotz auffallend kleiner Schriftgröße eine Länge von 459 Seiten erreicht, stellt eine 2008 an der Universität Göttingen abgeschlossene Dissertation dar, die für den Druck offenbar kaum überarbeitet wurde. Der Autor geht der Frage nach, ob sich die Datierung der frühmittelalterlichen Kirche von Baños de Cerrato in Spanien (Kastilien, südlich von Palencia) ins 7. Jahrhundert - und damit in die Zeit der westgotischen Herrschaft vor der islamischen Eroberung der Iberischen Halbinsel - anhand von Architektur und Bauskulptur begründen lässt. Diese Datierung beruht auf einer Inschrifttafel über dem Eingangsbogen zum Altarraum, die den Bau als Stiftung König Reccesvinths aus den Jahren 652/661 ausweist und San Juan de Baños damit zu einem Schlüsselwerk der - ansonsten vorwiegend undatierten - westgotischen Architektur in Hispanien macht. Allerdings wurde dieser Zeitansatz im Laufe der Forschungsgeschichte immer wieder in Zweifel gezogen. Zuletzt plädierten 1998 Luis Caballero Zoreda und Santiago Feijoo Martínez [1] mit bauarchäologischen Argumenten dafür, die Inschrift und wesentliche Teile der Bauskulptur als zweitverwendete westgotenzeitliche Spolien in einem Bauwerk des 9. Jahrhunderts anzusehen.
Nach einer knappen Einleitung (Kap. 1) stellt der Autor zunächst den Bau selbst und die bauarchäologischen Befunde vor (Kap. 2). Seine Rekonstruktion der ursprünglichen Baugestalt und der Bauphasen weicht nur in wenigen Details von derjenigen von Caballero Zoreda / Feijoo Martínez ab. Die von diesen in einer Bauaufnahme dokumentierten Befunde - die Pläne wurden Schlimbach für sein Buch zur Verfügung gestellt - und die sich daraus ergebende relative Bauchronologie sind also unumstritten. Kapitel 3 ist "Geschichte und Forschungsgeschichte" betitelt. Abgesehen von den nur wenigen Quellenzeugnissen seit der ersten Erwähnung der Kirche im frühen 12. Jahrhundert gibt der Autor darin eine äußerst kleinteilige Übersicht über die Forschung von den ersten historiografischen Erwähnungen bis zur Diskussion des aktuellen Forschungsstands. Sodann beginnen mit Kapitel 4 über die Bauskulptur seine eigenen Untersuchungen. Erst das folgende Kapitel 5 ist der Architektur gewidmet. In Kapitel 6 nimmt er das nähere und weitere Umfeld von San Juan de Baños historisch in den Blick. Kapitel 7 fasst als eine Art Anhang zum Teil umfangreiche Abhandlungen der westgotenzeitlichen Quaderbauten zusammen, die bereits in Kapitel 5 mit der Kirche verglichen wurden.
Kernstück des Buchs ist die Untersuchung der Bauskulptur in Kapitel 4. Hier werden alle skulpturalen Elemente beschrieben, in Bezug auf ihre Technik und ihr Verhältnis untereinander und zum umgebenden Mauerverband analysiert und hinsichtlich von Wiederverwendung oder Anfertigung für den bestehenden Bau bewertet. Durch seine genaue Beobachtung kommt der Autor zu einer überzeugenden Einordnung der Skulptur und ihres Verhältnisses zum Bau. Er zeigt, dass von den acht, jeweils paarweise gleichen Kapitellen der Langhausarkaden nur zwei wiederverwendete ältere Stücke sind, an denen sich die übrigen sechs Kapitelle orientieren, indem sie deren Formen - jedoch in anderer Technik und Qualität - wiederholen, was sie als bauzeitlich erweist. Diese Argumentation, die in ähnlicher Weise für die Kämpferplatten und Dekorfriese im Inneren und am Außenbau fortgeführt wird, ist in sich schlüssig und überzeugend und führt mithilfe der Stiftungsinschrift auch zu einer absoluten Datierung. Da der Mauerverband um die Inschrift ungestört ist, müssen ihr Versatz und die dazu gehörenden Konsolen bauzeitlich sein. Deren technische Ausführung wiederum stimmt mit der der bauzeitlichen Kapitelle und Friesteile überein. Zwar könnte die Inschrift selbst wiederverwendet sein, doch spricht ihre prominente Anbringung an zentraler Stelle über dem Triumphbogen dafür, dass sie für diesen Ort geschaffen und nicht aus einem älteren Bauwerk übernommen wurde. Die Analyse der Bauskulptur liefert so ein starkes Argument dafür, den Bau mit der Inschrift in die Mitte des 7. Jahrhunderts zu datieren.
Der folgende Versuch, diese Datierung in ausgedehnten Vergleichen mit Bauskulptur anderer, vor 711 errichteter Bauten zu untermauern, führt dagegen zu keinem greifbaren Ergebnis. Leider unterbleibt als Gegenprobe der Vergleich mit der asturischen und mozarabischen Bauskulptur des 8. und 9. Jahrhunderts, der die westgotenzeitliche Datierung gegenüber der Spätdatierung von Caballero Zoreda / Freijoo Martínez genauso hätte absichern können. Ähnlich unbefriedigend verläuft auch die ausführliche Untersuchung des "asymmetrischen" Mauerwerks von San Juan de Baños. Dieses Mauerwerk, das zahlreiche schräg geschnittene Quader beinhaltet, die wiederum in schräg verlaufenden Lagen und mit zahlreichen Versprüngen versetzt wurden, findet sich auch an anderen Bauten, für die eine Datierung in die Westgotenzeit angenommen wird. Trotz eingehender Diskussion dieser Bauten und ihrer Vergleichbarkeit mit Baños, einer historischen Übersicht über die Verwendung "asymmetrischen" Mauerwerks bis ins 9. Jahrhundert und Überlegungen zu möglichen Funktionen dieses Mauerwerks gelangt der Autor zu keinen klaren Ergebnissen. Dies ist auch seiner überdetaillierten Untersuchungsweise geschuldet, die die eigenen Schlüsse immer wieder relativiert. So überrascht es, dass er am Ende in seiner Diskussion der frühmittelalterlichen Siedlungsgeschichte des Landstrichs, der in der spanischen Historiografie als "campi Gothorum" bekannt ist, trotz aller Einschränkungen zu dem Schluss gelangt, dass San Juan de Baños als Eigenkirche auf einem Landgut der in der Gegend begüterten westgotischen Herrscherfamilie gegründet wurde.
Hinsichtlich der Funktion der Kirche scheinen jedoch Zweifel an dieser Schlussfolgerung angebracht. Der Bautyp mit den ehemals drei durch Zwischenräume voneinander abgesetzten Altarräumen wird in Kapitel 5 nur kurz und ergebnislos besprochen. Die liturgische Nutzung wird sogar schon am Ende von Kapitel 3 abgehandelt, ohne den Quellenzeugnissen aus späteren Jahrhunderten, die von einem Kloster bzw. einer Pfarrkirche mit Tauffunktion sprechen, Relevanz zuzubilligen. Allerdings wird ein für die Funktionsfrage wesentlicher Grabungsbefund - eine große Sickergrube im Langhaus auf der Kirchenachse - nicht als solche und damit als Rest einer ehemaligen Taufanlage erkannt. Der gut publizierte Parallelbefund im karolingischen Dom von Halberstadt ist nicht erwähnt. [2] Hier wie auch bei der Analyse der Mauerwerkstechnik hätte man sich für die Drucklegung eine breitere Einbeziehung von Literatur zu Fragen von Bauforschung, Bautypologie und Funktion - auch über die Iberische Halbinsel hinaus - gewünscht.
Problematisch für die Handhabung des Buchs ist die Art und Weise der Informationsdarbietung. Kapitel 3, das bis zu vier Unterkapitel-Ebenen und knapp 70 Seiten umfasst, enthält die wesentlichen Informationen zu Baugeschichte, Bildquellen, Restaurierung, Archäologie und Bauforschung, die jedoch in der chronologischen Ordnung ihrer Publikation präsentiert werden. Eine geschlossene Darstellung der einzelnen Themenkomplexe gibt es nicht. Das Kapitel endet lediglich mit einer thematisch geordneten Bewertung der Forschungsergebnisse. Die grundlegenden Informationen zum Bau sind also quer über den gesamten Forschungsüberblick verstreut, aber an keiner Stelle gebündelt zu finden. Informationen, die in der Forschungsgeschichte nur en passant angesprochen werden, gehen praktisch unter. Die Kapitelüberschriften nennen nur den Autor, aber nie den thematischen Kontext. Auch wird bei Rückverweisen stets nur das Kapitel angegeben ("s. Kap. 3.2.10.7."), sodass man erst im Inhaltsverzeichnis nachschlagen muss, um die Seitenzahl zu finden. Der Leser, der sich ein eigenes Bild machen will, hat daher große Mühe, den Überblick zu bewahren. Dazu kommt, dass trotz des umfangreichen Bildanhangs zum Teil Detailaufnahmen fehlen, um die Analysen des Autors wirklich nachvollziehen zu können. Schließlich ist unklar, warum von der Bauaufnahme Caballero Zoreda / Feijoo Martínez ausgerechnet der Längsschnitt der Kirche nach Süden fehlt, obwohl gerade für die südliche Obergadenwand mögliche Mauerwerkserneuerungen diskutiert werden (die fraglichen Partien sind auch nicht im Foto abgebildet).
Auch ohne in allen Punkten Problemlösungen anzubieten, hätte das Buch aufgrund seiner umfassenden Bestandsaufnahme zu einem Standardwerk über westgotenzeitliche Quaderbauten werden können, wenn der Autor mehr Zeit und Mühe in übersichtliche Darstellung und praktische Handhabbarkeit investiert hätte. So muss man statt dessen befürchten, dass auch die gelungene Analyse der Bauskulptur in der ermüdenden Kleinteiligkeit und immer wiederkehrenden Infragestellung von Ergebnissen untergeht, anstatt als standardsetzender Maßstab zu wirken und zu neuem Nachdenken über die Rezeption antiker Modelle und den Umgang mit Spolien anzuregen.
Anmerkungen:
[1] Luis Caballero Zoreda / Santiago Feijoo Martínez: La iglesia altomedieval de San Juan Bautista en Baños de Cerrato, in: Archivo Español de Arqueología 71 (1998), 181-242.
[2] Gerhard Leopold / Ernst Schubert: Der Dom zu Halberstadt bis zum gotischen Neubau, Berlin 1984, 29-30.
Kristina Krüger