Christian Stadelmaier: Zwischen Gebet und Pflug. Das Grangienwesen des Zisterzienserklosters Tennenbach (= Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte; Bd. LVIII), Freiburg / München: Verlag Karl Alber 2014, 311 S., ISBN 978-3-495-49958-0, EUR 39,00
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Durch fundierte Forschungen in jüngerer Zeit konnten, zumindest für den südwestdeutschen Raum, einige überholte Ansichten zur zisterziensischen Grundbesitzorganisation und Wirtschaftsverfassung relativiert werden. Auf diesen Kenntnissen konnten weitere Forschungen zur zisterziensischen Wirtschaftsgeschichte und dazugehörigen Themenbereichen aufbauen. Dennoch fehlen weiterhin Arbeiten, die sich ausführlich mit Teilbereichen der mittelalterlichen Agrargeschichte von Einzelklöstern in der Region befassen. Eine besondere Forschungslücke stellen Studien zum Grangienwesen einzelner Klöster im agrargeschichtlichen Kontext dar. (15) Diese Lücke will Christian Stadelmaier für das Kloster Tennenbach schließen, in dem er eine detaillierte, räumlich, zeitlich und inhaltlich-thematisch bewusst klar begrenzte Untersuchung zum Grangienwesen Tennenbachs vorlegt. Die Arbeit ist eine für die Publikation überarbeitete Fassung einer 2011/12 an der Universität Gießen vorgelegten und von Werner Rösener betreuten Dissertation.
Die räumliche Eingrenzung wird durch den Fokus auf Tennenbach vorgegeben, so dass der Schwerpunkt der Studie sich auf die Orte beschränkt, an denen Tennenbach Grangien aufbaute (im heutigen Baden-Württemberg). Der Zeitraum der Arbeit umfasst die Periode von der Gründung des Klosters zwischen 1158 und 1161 bis in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts, dem Zeitpunkt, an dem Tennenbach die Eigenwirtschaft auf den meisten Grangien aufgab. (22-23)
Die agrargeschichtlichen Themenbereiche umfassen Fragen nach der Art und Weise der Landnutzungs- und Produktionsstruktur, z. B. die Bodennutzungssysteme und der Einsatz von Agrartechnik, sowie agrarrechtliche Aspekte der Klosterwirtschaft. Diese werden in den Kontext der agrargeschichtlichen Entwicklungen des Oberrheins und des süddeutschen Raums im Hochmittelalter gestellt und mit anderen Zisterzienserklöstern der Region verglichen. Des Weiteren wird die Entwicklung Tennenbachs vor dem Hintergrund der spirituellen Grundzüge des Ordens und der Entwicklung der Ordensverfassung näher untersucht.
Das Buch ist in vier Teile gegliedert. Teil I besteht aus einer Einleitung, mit Einführungen zu Forschungsstand und -vorhaben, Quellen und Methode (15-24) und einem Kapitel, in dem "inhaltliche Grundlagen" zur Agrargeschichte und -wirtschaft der Region (25-47), zum Grangienwesen der Zisterzienserklöster der Region (48-50), zu Wirtschaftsprinzipien und wirtschaftsrelevanten Privilegien des Ordens (51-54) und zur Wirkung von Geboten und Verboten für Klosterangehörige auf die Agrarwirtschaft des Ordens beschrieben werden (56-57). Diese Punkte bilden die Grundlage für die vergleichende Analyse im zentralen Teil II, in dem ausführlich das Grangienwesen von Kloster Tennenbach aus agrarhistorischer Perspektive dargestellt wird. Nach einer Einführung, in der die Kriterien für eine eigenbewirtschaftete Grangie sowie die in den Quellen verwendeten Terminologien, Flächen- und Hohlmaße definiert werden (59-74), erfolgt die Analyse der 14 Grangien des Klosters nach dem gleichen Schema einzeln in alphabetischer Reihenfolge (75-234). In Teil III werden die gewonnen Erkenntnisse im Kontext der anfangs erläuterten übergeordneten agrargeschichtlichen Entwicklungen sowie im Verhältnis zu anderen Zisterzienserklöstern im Südwesten verglichen (249-265). In einem Anhang (Teil IV), mit Quellen-, Literaturverzeichnis und Register, werden die Ergebnisse zu den Grangien noch einmal tabellarisch aufgelistet (269-277) - eine Übersichtskarte hätte hier zusätzlich gute Dienste geleistet.
In seiner historischen Einleitung zum Hauptteil "Das Kloster Tennebach im Mittelalter" teilt Stadelmaier nur die Basisdaten in einem kurzen Abschnitt mit. Erstaunlicherweise findet man in keinem Teil des Buches (auch nicht in den "inhaltlichen Grundlagen") Details zur Größe des Konventes oder zur erweiterten Klosterfamilie bzw. des -haushaltes, obwohl diese nicht ohne Relevanz für die Klosterwirtschaft gewesen sein können, schon allein in Bezug auf das Volumen des Eigenbedarfs an den landwirtschaftlichen Erzeugnissen.
Die Hauptquelle für die Untersuchung des Grangienwesens Tennenbachs ist - zusammen mit anderen erhaltenen Urbaren, Urkunden sowie historischem Kartenmaterial - das einzigartige "Tennenbacher Güterbuch", das zwischen 1317 und 1341 entstand (17-20). Vereinzelt konnten auch Daten aus der Mittelalterarchäologie, vor allem der Archäobotanik, ergänzend herangezogen werden (22).
Die Kapitel mit den Analysen der einzelnen Grangien sind nach einem einheitlichen Muster gegliedert. Nach einer kurzen Vorstellung des jeweiligen Siedlungs- und Naturraumes wird die Geschichte der Besitzentwicklung und Genese der Grangie dargestellt. Es folgt eine detaillierte Beschreibung der Agrarwirtschaft mit den nachgewiesenen Sektoren: Ackerbau und Getreidewirtschaft, Viehhaltung und Viehwirtschaft, Waldwirtschaft, Weinbau, Gartenbau und Gartenpflanzen, Öl- und Faserpflanzen, Fischerei. Für jede Grangie werden auch deren spezielle Rechte und Privilegien ermittelt, die die Grundlage für eine besonders effiziente Landwirtschaft und das erfolgreiche Grangiensystem bildeten (54-55, 246-48).
Aufgrund seiner Lage im Breisgauer Altsiedelland erfolgte der Besitzausbau Tennenbachs, je nach den gegebenen örtlichen Voraussetzungen, sowohl durch die Erschließung und Kultivierung von Brachflächen als auch durch eine gezielte Arrondierungspraxis, darunter auch das "Bauernlegen". Nur eine Grangie erwies sich als 'typische' Rodungsgrangie. Die Grangien befanden sich mehrheitlich nicht in isolierter Lange, sondern zusammen mit ihren Wirtschaftsflächen am Rande bestehender Siedlungen und Feldmarken (235-37). Alle Bodennutzungssysteme konnten nachgewiesen werden und es gibt Anzeichen dafür, dass Tennenbach sich aktiv an der Einführung neuer Bodennutzungsformen beteiligt haben könnte. Der Ackerbau war der bedeutendste landwirtschaftliche Sektor aller Grangien, mit der Getreidewirtschaft als wichtigstem, klar marktorientiertem Zweig der Klosterökonomie. Es wurde vor allem das Brotgetreide Roggen angebaut und Brot auf den städtischen Märkten verkauft. Das Kloster besaß z. B. eine Brotlaube in der Freiburger Altstadt, in der das von Konversen auf der Grangie gebackene Brot verkauft wurde (239-40, 104).
Bei der Viehwirtschaft sind vor allem Schweine belegt, daneben Rinder und Schafe. Es wurden Hühner gehalten und Pferde und Maultiere sind überliefert. Die Eigenwirtschaft im Weinbau konnte trotz der langen Tradition in der Region nur für drei Grangien Tennenbachs nachgewiesen werden. Den Großteil seiner Rebanlagen verpachtete das Kloster. Zum Gartenbau sind nur wenige Details überliefert. Die Quellen nennen Obstsorten wie Äpfel, Birnen und Kirschen, dazu Nüsse. Auch Zwiebeln kommen darin vor. Der Anbau und die Verarbeitung von Öl- und Faserpflanzen werden durch die Erwähnung von entsprechenden Mühlen belegt. Auch die Fischereiwirtschaft stand in enger Beziehung zu den Mühlen, mit den unterschiedlichen Wassernutzungsrechten für Mühlkanäle und Mühlteiche, auch wenn eine klösterliche Fischzucht nicht konkret nachgewiesen werden konnte (242-45).
Die innovativen Leistungen Tennenbachs im hochmittelalterlichen Breisgau liegen in der Größe der Ackerflächen, im Ausmaß des Getreideanbaus und der Viehbestände und in der systematischen Düngung der landwirtschaftlichen Nutzflächen. Als technisches Novum kann die Einführung und Verwendung des Bleuels gelten (259-67).
Die Ergebnisse der Studie bestätigen den gängigen Forschungsstand zum Grangienwesen der Zisterzen der Region. Bei den Grangien Tennenbachs zeigen sich aber auch verschiedene Eigenheiten und weniger verbreiteter Charakteristika. Es ist deshalb notwendig im Detail zu differenzieren, denn nur so können solche Spezifika von Einzelklöstern herausgearbeitet und mit den Daten zu anderen Klöstern verglichen werden. Für solche Vergleiche fehlen allerdings noch immer die entsprechenden Studien (257).
Christian Stadelmaier legt mit seiner soliden Arbeit ein Modell für die noch fehlenden Untersuchungen zum Grangienwesen anderer Zisterzen vor.
Cornelia Oefelein