Julia Bruch: Die Zisterze Kaisheim und ihre Tochterklöster. Studien zur Organisation und zum Wirtschaften spätmittelalterlicher Frauenklöster mit einer Edition des Kaisheimer Rechnungsbuches (= Vita regularis. Ordnungen und Deutungen religiosen Lebens im Mittelalter. Editionen; Bd. 5), Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2013, XII + 675 S., ISBN 978-3-643-12370-1, EUR 69,90
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Ginge es darum, den Beweis erbringen zu müssen, dass sich die Institution Kloster im Verlauf des 14. Jahrhunderts zusehends ökonomisierte, rangierte das Kaisheimer Rechnungsbuch an erster Stelle der Beweiskette. Sein Sitz im Leben ist zwar die Visitation, die gemäß Ordensstatuten geistliche, genauso wie weltliche Belange einer regelmäßigen Prüfung unterziehen sollte. Doch von geistlichen Dingen, den spiritualia, ist im Kaisheimer Rechnungsbuch nirgends die Rede. Seine Schreiber interessieren sich ausschließlich für materielle Fragen, das heißt, die Einnahmen und Ausgaben der Kaisheim unterstellten Tochterklöster, die in der Sicht der Zeit das Grundgerüst für eine auch spirituell prosperierende Gemeinschaft bilden.
Auf eben dieses Rechnungsbuch fokussiert Julias Bruchs Dissertation, das im Anhang (Teil D) auch ediert wird (423-655). Die Auswertung beschränkt sich auf Teil A und B, bestehend aus einem Einleitungsteil zu den Grundlagen der Inkorporation und Visitation (1-38) und dem Analyseteil, dem wissenschaftlichen Kernstücke der Arbeit (39-205). Auf den Analyseteil folgen eine umfassende Bibliographie (207-252) und tabellarische Anhänge (253-420), wobei die Übersicht über die Urkunden, "die Besitzveränderungen dokumentieren" (C 4.7) fast 150 Seiten umfasst (288-420).
Ziel der Arbeit ist es, mit Hilfe des Rechnungsbuches sowohl die Qualität der Verbindung zwischen Mutter- und Tochterkloster zu bestimmen (117-131) als auch die Organisationsstrukturen und Wirtschaftsformen der Filialklöster aufzudecken (133-173; 175-196). Die Arbeit hat Handbuchcharakter: Nacheinander werden die sechs Kaisheimer Tochterklöster Kirchheim, Niederschönenfeld, Oberschönenfeld, Pielenhofen, Seligenthal und Zimmern detailliert vorgestellt, von ihrer Gründung (gegebenenfalls) bis zu ihrer Auflösung. Das Augenmerk gilt der Einbindung in den Orden und der unterschiedlichen Kommunikationsdichte zwischen Mutter- und Tochterkloster, gemessen an der unterschiedlichen Präsenz des Vaterabtes bei der Urkundenausstellung. Vorgestellt werden aber auch die Stifter und deren Memoria u.a. in Gestalt von Grablegen.
Die Informationen werden parataktisch aneinandergereiht; die Synthese erfolgt erst im Anschluss, wobei die Verfasserin im Syntheseteil alles weghobelt, was nicht so gut ins Gesamtbild passt: Erwartet hätte man beispielsweise, dass die Figur des Augsburger Weihbischofs Heinrich von Chalcedon, ehedem Abt des Mutterklosters Kaisheim, intensiver beleuchtet würde, da er vier der sechs Tochterklöster besonders förderte. Kommunikationsverdichtung oder -lockerung hat bekanntermaßen zuweilen auch "persönliche" (personenbezogene) Gründe. Erwartet hätte man auch eine intensivere Diskussion über das Institut des Beichtvaters in Kloster Seligenthal. 1238 nämlich schenkte Seligenthal dem Mutterkloster Kaisheim eine bedeutende Reliquie, den Kopf einer der 11.000 Jungfrauen, wünschte sich als Gegenleistung aber, dass Kaisheim dem Kloster für sieben Festtage im Jahr einen Beichtvater bereitstelle. Das ist ein sehr hoher Preis für das "Bisschen" geistliche Betreuung. Über die Beichtväter der restlichen fünf Filialklöster erfährt man nichts. Untereinander scheinen sich die Tochterklöster wenig ausgetauscht zu haben, mit Ausnahme derjenigen Einrichtungen, die räumlich nahe beieinander lagen.
Auf der Ebene der Kommunikation überwiegen alles in allem die Gemeinsamkeiten (ich vermute, das Bild sähe etwas anders aus, wenn die Autorin ihre Befunde mit den klösterlichen Jahrzeitenbüchern abgeglichen hätte); auf der Ebene der Organisation und der Wirtschaftsführung überwiegen demgegenüber die Differenzen, den beachtlichen ökonomischen Unterschieden entsprechend, die auf der Ebene der Einkünfte zu verzeichnen sind. Der Teil zu den Strukturen bzw. Klosterämtern wirkt sehr statisch, weil das Werden bzw. die Geschichtlichkeit der Institutionen nicht eigens markiert wird.
Der Leser hätte sich insgesamt eine etwas gründlichere redaktionelle Überarbeitung des Analyseteils gewünscht. Die zahlreichen Wort- und Sachwiederholungen wirken ermüdend bzw. störend. Die dafür nötige Energie hat wohl der Urkundenteil und die Quellenedition verschlungen. Dessen ungeachtet hat Julia Bruch einen überaus wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis einer Ordenswelt beigesteuert, die sich im 14. Jahrhundert in einem radikalen Umbruch befand bzw. die sich im 14. Jahrhundert neu definierte.
Gabriela Signori