Joan-Lluís Palos / Magdalena Sánchez (eds.): Early Modern Dynastic Marriages and Cultural Transfer (= Transculturalisms, 1400-1700), Aldershot: Ashgate 2016, XV + 275 S., ISBN 978-1-4724-4321-2, GBP 95,00
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Dynastien, hier nicht zuletzt die Rolle der Frauen in den Herrscherhäusern, und Kulturtransfer sind seit etlichen Jahren besonders ertragreiche Arbeitsgebiete der Frühneuzeitforschung. Eher selten jedoch werden diese Themenfelder konsequent zusammengebracht. Häufig wird zwar die Frage nach den Handlungsspielräumen der Fürstinnen gestellt und dabei regelmäßig auf die (Kultur-)Patronage der Herrscherinnen hingewiesen. Da es sich bei den Geförderten nicht selten um Personen aus dem Herkunftsland der hochadligen Frauen handelte, schwingt freilich zumindest implizit das Thema Kulturtransfer oft mit.
Der vorliegende Sammelband bemüht sich um einen stärker systematischen Blick auf den Zusammenhang zwischen dynastischen Verbindungen und Kulturtransfer. Er geht im Kern auf eine Tagung zurück, die 2010 in Barcelona stattfand; zusätzlich wurden einige weitere Beiträge eingeworben. Mit dem intendierten neuen Blick auf dynastische Ehen wird das Ziel verfolgt, zu analysieren "how through dynastic marriages, certain cultural practices were transferred to other places, and how these practices were received, interpreted, and spread in different cultural settings" (4). Dabei wird die Aufmerksamkeit vor allem (aber keineswegs ausschließlich) auf die Rolle der Frauen gerichtet, die als "agents of cultural transfer" (17) begriffen werden. Alle Beiträge beziehen sich auf Personen und / oder Territorien, die in unterschiedlicher Weise mit Spanien verbunden waren; in den meisten Fällen geht es um die Vermittlung "spanischer" Kultur. Der zeitliche Schwerpunkt liegt in der Zeit der spanischen Habsburger; einzelne Beiträge greifen jedoch ins 15. oder 18. Jahrhundert aus.
Die zehn als Kapitel ("chapter") bezeichneten, aber keinem stringenten Narrativ folgenden Aufsätze sind in drei Sektionen und einen Epilog gegliedert. Zu jedem Beitrag gibt es eine eigene Bibliografie. Die erste Sektion "Princesses across Borders" behandelt zunächst zwei spanische Infantinnen, die auswärtige Fürsten heirateten. Catalina Michaela (1567-1596), die zweitälteste Tochter Philipps II., ging als Gemahlin Carlo Emanueles I. von Savoyen nach Turin. Der sorgfältig aus den Quellen, darunter Briefen des Hofmeisters Cristóbal de Briceños, gearbeitete Aufsatz von Magdalena S. Sánchez konzentriert sich auf den Aspekt der Durchsetzung der spanischen Hofetikette am Turiner Hof, wo das Zeremoniell unter französischem Einfluss bis dahin wesentlich weniger streng gewesen war. Die Autorin kann zeigen, dass die Infantin in einigen Bereichen keinen großen Widerstand gegen Lockerungen des spanischen Zeremoniells leistete, ohne dieses jedoch völlig aufzugeben. Im Ergebnis kam es zu einem "melting of cultural practices" (42). Weniger als eigenständige Akteurin wird Maria Theresia (1638-1683), die Tochter Philipps IV. und Gemahlin Ludwigs IV. von Frankreich in dem Beitrag von Mark de Vitis greifbar, der sich darauf konzentriert zu zeigen, wie in Festbeschreibungen, Porträts etc. Maria Theresia als ein spanisch-französisches Amalgam präsentiert wurde (auch um so die Ansprüche des Sonnenkönigs auf das spanische Erbe zu untermauern). Umso deutlicher arbeitet María de los Ángeles Pérez Samper heraus, dass Elisabeth Farnese (1692-1766), die zweite Gemahlin Philipps V., nicht nur in politischer Hinsicht lange die starke Frau am spanischen Hof war, sondern sich auch sehr aktiv als Agentin des Kulturtransfers engagierte. Ja sie wird von der Verfasserin in ihrem Wirken geradezu als "bridge between Italy and Spain" charakterisiert (72). Beispielsweise wirkten italienische Künstler maßgeblich an der Gestaltung des Königspalastes von La Granja de San Ildefonso mit und wurde der spanische Musikgeschmack unter anderem durch den Aufenthalt Farinellis am Madrider Hof beeinflusst. Leider fallen in diesem Beitrag einige Flüchtigkeitsfehler auf, wie die Verlegung des Friedens von Utrecht in das Jahr 1714 (70).
Die zweite Sektion "Male Consorts" ist vielleicht die originellste des Bandes, denn hier stehen einmal nicht Frauen im Fokus, die durch ihre Heirat an einen fremden Hof kamen, sondern Männer, die ein ähnliches Schicksal hatten. Im Fall Philipps des Schönen (1478-1506) kam es, wie Bethany Aram ausführt, zu erheblichen Spannungen zwischen Spaniern und Burgundern. Spätere Generationen von Habsburgern zeigten eine beachtliche kulturelle Anpassungsfähigkeit. Im folgenden Beitrag thematisiert Anna Santamaria López die (zweite) Ehe Philipps II. (1527-1598) mit Maria I. Tudor von England. Sie konstatiert eine größere Offenheit Philipps und der ihn nach London begleitenden Spanier für die englische Kultur als umgekehrt. Die Ablehnung, die dem Habsburger entgegenschlug, interpretiert sie nicht zuletzt als Ausdruck der Opposition gegen die Regierung Marias und weibliche Herrschaft überhaupt. Weniger gut in die Sektion passt der Aufsatz von Mafalda Soares da Cunha, der die Entstehung des kastilisch-portugiesischen adligen Familienverbandes der Soares de Alarcão und dessen Entwicklung im 16. und 17. beleuchtet. Einen relativ großen Raum nehmen die Loyalitätskonflikte im portugiesischen Unabhängigkeitskrieg ab 1640 ein. Fragen des Kulturtransfers stehen weniger im Zentrum des Beitrags, wenngleich zweifelsohne die Existenz solcher grenzüberschreitender Familienverbände vielfältige Austauschprozesse begünstigte.
Auch die dritte Sektion "Women's Contribution to a Cosmopolitan Nobility" entfernt sich von der Ebene der regierenden Fürstenhäuser, abgesehen vom ersten Beitrag, der die Gemahlin Herzog Cosimos I. von Florenz (später Großherzog der Toskana) Eleonora Álvarez de Toledo (1522-1562), die Tochter des spanischen Vizekönigs von Neapel, behandelt. Joan-Lluís Palos zeigt einerseits, dass Eleonora vor allem deshalb ein Feindbild für die Florentiner war, weil sie als Symbol einer autokratischen Herrschaft nach spanischen Vorbildern galt und auch ihre Repräsentationen in diesem Sinne aufgefasst wurden. Andererseits wird die ausgesprochen komplexe Identität Eleonoras deutlich, die keineswegs eine "reine" Spanierin war, allerdings auch keine Veranlassung sah, zu einer Florentinerin zu mutieren. Eine Wanderin zwischen den Welten war, wie Leticia de Frutos ausführt, Maria Mancini (1639-1715), die in unterschiedlichen Lebensabschnitten in den Metropolen Paris, Rom und Madrid lebte. Während sie Frankreich (und französischen Gütern) zeitlebens verbunden blieb, hegte sie dauerhaft einen heftigen Widerwillen gegen Rom (z.B. 197). Besonders deutlich wird der Aspekt des Kulturtransfers - hier vor allem von Spanien nach Wien - im Aufsatz von Laura Oliván Santaliestra zu Johanna Theresia Lamberg (1639-1716), der Tochter, Ehefrau und Mutter von kaiserlichen Gesandten am spanischen Hof, die als junges Mädchen und Erwachsene selbst mehrere Jahre in Madrid lebte und unter anderem spanische Kochrezepte und Medikamente in Österreich einführte.
Der "Epilogue" aus der Feder von Bartolomé Yun Casalilla fasst die Erträge des Bandes zusammen und ordnet sie in die Forschungsdiskussion ein. Seinem Fazit, dass die Analyse von grenzüberschreitenden Ehen (nicht nur) unter Hochadligen und ihren Folgen einen tiefen Einblick in die "social fabric of the Old Regime" zu gewähren vermag (254), ist zuzustimmen. Dafür spricht auch der vorliegende Band, der zahlreiche neue Erkenntnisse zu Kulturtransferprozessen infolge von dynastischen Ehen beisteuert. Auch wenn nicht alle Autorinnen und Autoren das Thema des Kulturtransfers konsequent in das Zentrum ihrer Beiträge gestellt haben, zeigen deren verschiedene Ansätze bzw. Akzentsetzungen unterschiedliche Möglichkeiten auf, wie eine weitere, systematische Erforschung dieses Themenfeldes angegangen werden könnte.
Der Band enthält eine Reihe von Abbildungen in meist guter Qualität. Es gibt einen kombinierten Personen-, Orts- und Sachindex. Manche Sachbegriffe, wie "nobility" oder "stability", versprechen jedoch aufgrund ihrer Unschärfe geringen Nutzen für die Texterschließung.
Matthias Schnettger