Agnès Molinier-Arbo: La Vie de Commode dans l'Histoire Auguste (= Études anciennes; 49), Nancy: Adra 2012, 291 S., ISBN 978-2-913667-33-4, EUR 30,00
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Der Commodus-Vita in der Historia Augusta widmet die Straßburger Latinistin Agnès Arbo [1] eine eigene Monographie. Herausgekommen ist dabei aber kein Kommentar, sondern eine Untersuchung der Vita als antike Biographie und vor allem ihrer Quellen.
Erfreulich knapp werden die grundsätzlichen Fragen zur Historia Augusta abgehandelt (Introduction: 7-11). Es folgen drei in Unterkapitel aufgeteilte Abschnitte.
Der erste Abschnitt (15-88) behandelt Aufbau, historischen Wert und Tendenzen der Vita. In einer Übersicht gliedert Arbo den Text zunächst in chronologische und thematische Abschnitte und versucht dann darauf aufbauend, die Entstehung der Vita zu deuten, wobei sie für Teile eine retractatio a posteriori annimmt. Es folgt ein Kapitel zum historischen Wert der Commodus-Vita, das aber sehr oberflächlich bleibt. Besonders der Abschnitt zur Prosopographie bietet in den Fußnoten kaum mehr als PIR-Verweise und bleibt so weit entfernt von einem Nutzwert. Speziell untersucht Arbo - nicht als erste - die in der Vita überlieferten Verwünschungen des Senats nach dem Tod des Commodus und einen Abschnitt, der Ämter und Auszeichnungen des Commodus auflistet. Insgesamt attestiert Arbo der Vita einen grundsätzlich verlässlichen Informationsgehalt auf Basis zuverlässiger Quellen. Im dritten Kapitel beschäftigt sie sich mit den ebenfalls altbekannten Problemen der Vita, die Commodus als 'klassischen' Tyrann darstellt und ihre prosenatorischen Tendenzen nicht verleugnet. Spätestens in diesem Kapitel offenbart sich ein gewisser Widerspruch zwischen dem umfangreichen Literaturverzeichnis und den doch häufig recht dünn gesäten konkreten Verweisen in den Fußnoten. Nicht alle Titel des Literaturverzeichnisses scheinen aufmerksam gelesen worden zu sein: Die öffentlichen Küsse des Commodus für seinen Liebhaber und Günstling Saoterus deutet Arbo zu Recht als Affront gegenüber den Senatoren, die den Kuss des Kaisers als Zeichen der Gleichrangigkeit für sich einforderten. Dies hat allerdings z.B. Meyer-Zwiffelhoffer in seinem - von Arbo aufgelisteten - Aufsatz Ein Visionär auf dem Thron? bereits betont. [2] Auch die Parallele zu einer vergleichbaren Episode in der Caligula-Vita Suetons bleibt dem Leser verborgen, obwohl Arbo den Parallelen zwischen Caligula- und Commodus-Vita ein eigenes Kapitel widmet (dazu weiter unten mehr) und sich mehrfach auf G. Porta, der diese Parallele bereits 1975 deutlich gemacht hatte, beruft. [3]
Der zweite, zentrale Abschnitt (91-162) befasst sich mit der Frage der Quellen der Vita. Gänzliches Neues kann Arbo auch hier nicht bieten, statt einer direkten Benutzung von Cassius Dio und Herodian nimmt sie Marius Maximus als gemeinsame, leider verlorene Quelle an. Die Diskussion über die Frage wird aber auch nach den Ausführungen Arbos nicht beendet sein.
Der dritte Abschnitt handelt von weiteren Einflüssen auf die Commodus-Vita. Im ersten Kapitel widmet sich Arbo den möglichen Parallelen des ausgehenden 4. Jahrhunderts (z.B. princeps puer / clausus) und spekuliert am Ende, dass Arcadius in der Commodus-Vita der Historia Augusta stecken könnte. In Kapitel zwei werden mögliche Reminiszenzen an Cicero oder Plinius d.Ä. vorgeschlagen. Im dritten Kapitel werden zu guter Letzt die - wie bereits erwähnt - vor allem von G. Porta offengelegten Parallelen zwischen der Caligula-Vita Suetons und der Commodus-Vita der Historia Augusta thematisiert. An dieser Stelle hätte Arbo u.a. die ingeniöse Caligula-Monographie Winterlings nützlich sein können. [4]
Der Erkenntnisgewinn des Buches bleibt eher bescheiden, zumal einige Teile von der Autorin bereits in früher erschienenen Aufsätzen vorgestellt wurden. [5] Es bleibt zu hoffen, dass das vorliegende Buch nur eine Etappe auf dem Weg zu einem ausführlichen Kommentar der Commodus-Vita bleibt.
Anmerkungen:
[1] Das Buch ist unter dem Namen Agnès Molinier-Arbo erschienen, auf den Straßburger Seiten des Instituts erscheint sie wahlweise als Agnès Arbo-Molinier (www.ilbr.unistra.fr/contracts [12.09.2016]) oder Agnès
Arbo ( www.ilbr.unistra.fr/equipe [12.09.2016]), auf ihrer Academia.edu-Seite als Agnès Arbo (www.unistra.academia.edu [12.09.2016]).
[2] Eckhard Meyer-Zwiffelhoffer: Ein Visionär auf dem Thron? Kaiser Commodus, Hercules Romanus, in: Klio 88,1 (2006), 189-215, hier 203. An anderer Stelle kann eindeutig nachgewiesen werden, dass aufgeführte Literatur nicht gelesen wurde: Zur Verschwörung der Lucilla soll laut Arbo (9, Anm. 12) ein Aufsatz des Rezensenten erhellend sein, in dem der Name Lucilla kein einziges Mal auftaucht. Er hätte vielmehr S. 83 Anm. 71 zu Rate gezogen werden sollen.
[3] Ein Zusammenhang zwischen der Erwähnung der Stelle in der Caligula-Vita (203 Anm. 18) und den Küssen des Commodus (83) wird von Arbo nicht hergestellt. Angesichts der 'Ausschlachtung' der Caligula-Vita durch den Autor der Commodus-Vita ist daher nicht einmal sicher, ob die Küsse des Commodus überhaupt historisch sind, vgl. Stefan Priwitzer, Faustina minor - Ehefrau eines Idealkaisers und Mutter eines Tyrannen. Quellenkritische Untersuchungen zum dynastischen Potential, zur Darstellung und zu Handlungsspielräumen von Kaiserfrauen im Prinzipat (Tübinger althistorische Studien 6), Bonn 2009,121f.
[4] Auch der Rezensent hat sich in seiner Dissertation den Parallelen gewidmet: Stefan Priwitzer, Faustina minor (wie Anm. 3), Kapitel IV.
[5] Les documents d'archives dans l'Histoire Auguste: degré zéro de l'histoire ou fiction?, in: DHA Supplément 4,1 (2010), 87-112; Histoire d'un palimpseste: le Nero et le Caligula de Suétone dans la Vita Commodi de l'Histoire Auguste, in: DHA Supplément 4,1 (2010), 201-221; Dion Cassius versus Marius Maximus?: éléments de polémique entre les é "Romaika" et l'"Histoire Auguste", in: Phoenix 63 (2009), 278-295; Marius Maximus source latine de la "Vie de Commode"? , in: Historiae Augustae Colloquium Argentoratense, a cura di Giorgio Bonamente, François Heim, Jean-Pierre Callu, Bari 1998, 223-248. Weitere vor Erscheinen des Buches gehaltene und im Druck befindliche Vorträge zum Thema unter unistra.academia.edu/ (12.09.2016).
Stefan Priwitzer-Greiner