Hansjörg Küster: Deutsche Landschaften. Von Rügen bis zum Donautal, München: C.H.Beck 2017, 384 S., 5 Kt., 103 Farbabb., ISBN 978-3-406-71387-3, EUR 29,95
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Die Vielfalt der Landschaften in Deutschland bietet nicht nur eine spannende Naturerfahrung, sondern bestimmte auch immer das Zusammenleben der Menschen und die Regionalentwicklung. Keine der Deutschen Landschaften ist "ursprünglich", sondern in vielfacher Weise über Jahrhunderte und Jahrtausende vom Menschen geschaffen und geprägt. Das verdeutlicht Küsters schlaglichtartiger Überblick so deutlich wie kaum ein anderes Werk. Daher ist das mit vielen stimmungsvollen Landschaftsaufnahmen ausgestattete Buch nicht nur dem interessierten Laien, der sich Appetit auf die nächste Kurzreise machen möchte, sondern auch dem Umwelthistoriker zum Einstieg zu empfehlen. Die kurzen, gut lesbaren Kapitel des renommierten Landschaftshistorikers gehen von erdgeschichtlichen, naturräumlichen sowie geologischen Besonderheiten aus: Von Helgoland bis zum Starnberger See, vom Drachenfels am Rhein bis zum Elbsandsteingebirge wird deutlich, was der Mensch aus seiner jeweiligen Umgebung gemacht, und wohin das geführt hat.
Küster geht weit in der Erdgeschichte zurück, zeigt wie Tektonik und Eiszeiten Berge und Täler schufen, fruchtbares Land und karge Sandflächen. Dabei bezieht er das Umland mit ein, schildert, wie sich ein Landstrich im Laufe der Jahrhunderte änderte, bis genau die beschriebene Landschaft entstand. Geschickt verknüpft er dabei Landesgeschichte mit Landschaftsgeschichte und spart auch Umweltsünden und Technikentwicklungen nicht aus.
Typisch für die 24 dargestellten Landschaften ist, dass sie erst durch die Idee, die sich der Betrachter macht, zu besonderen Kulturlandschaften werden. Das wird besonders deutlich, wenn Küster gekonnt Landschaftsbeobachtungen von Dichtern und Schriftstellern beispielsweise von Goethe und Brentano zitiert und so ganz nebenbei verdeutlicht, dass auch romantische Verklärungen mit im Spiel sind, wenn eine Kulturlandschaft als solche wahrgenommen wird. Geographisch lassen sie sich lokalisieren, fließen aber auch zumeist in Nachbarlandschaften über und sind nicht immer mit exakten Punkten oder Linien abzugrenzen. Der Autor räumt ein, dass die Auswahl der dargestellten Landschaften subjektiv ist und keinem festgelegten Schema folgt. Gerade einige nord- und westdeutsche Leser werden sich fragen, ob ihre Heimatregionen (z.B. Sauerland, Eifel oder Westfalen in Nordrhein-Westfalen) nicht auch erwähnt werden sollten. So gibt es besonders in der Mitte Deutschlands viele Mittelgebirgslandschaften, die der Autor in Folgebänden behandeln könnte.
Besonders intensiv werden die süddeutschen Landschaften beschrieben. Die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff kommt also nicht zu Wort, wenn sie ihre westfälische Heimat charakterisiert, sondern von oberhalb der Meersburg von der Landschaft um den Bodensee, dem "Schwäbischen Meer", schwärmt. Bei den südwestdeutschen Landschaften nimmt sich Küster auch den Raum, die ein oder andere persönliche Bemerkung und Einschätzung mit einfließen zu lassen. So führt er die langen schmalen handtuchartigen Hügeläcker nicht auf die Erbteilungen zurück, wie dies meistens gemacht wird, sondern bemerkt, dass sich ihre Größe seit dem Mittelalter nicht geändert hat. Er hebt besonders die Länge der Äcker hervor: So mussten die Pfluggespanne nicht so häufig gewendet werden. Damit der knappe Dünger nicht dem ebenso langen angrenzenden Acker des Nachbarn zugutekam, pflügte man stets zur Mitte des Ackers hin. Im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte entstand eine Wölbung, die sich mancherorts bis heute erhalten hat.
Neben klassischen Landschaften wie der Lüneburger Heide oder dem Elbsandsteingebirge und den Inseln Helgoland und Rügen behandelt Küster auch die Stadtlandschaften Berlin, München, Hamburg. Außerdem verdeutlicht er, wie Städte, etwa Frankfurt, Stuttgart oder Heidelberg, in ihre Umgebung eingebettet sind. Dabei geht er von den Faktoren aus, die ausschlaggebend dafür waren, warum gerade an dieser oder jener Stelle eine Stadt gegründet wurde und beleuchtet, wie sich diese Standortfaktoren im Laufe der Jahrhunderte wandelten. Das liest sich sehr gut und wird neben Aufnahmen von Wahrzeichen auch durch historische Karten und Pläne illustriert. Jedem (Stadt-) Landschaftskapitel sind Literaturhinweise sowohl zu den Fundstellen der Zitate als auch für den ersten vertieften Zugriff beigestellt.
So entsteht am Ende jedes Kapitels ein historisches (Stadt-)Landschaftsbild, das dazu einlädt, erkundet und ergänzt zu werden. Eine spannende und lehrreiche Lektüre beispielsweise für lange Zugfahrten und eine Einladung, sich mit den beschriebenen Landschaften und Städten intensiver zu beschäftigen.
Anselm Tiggemann