Carl Alexander Krethlow: Bagdad 1915/17. Weltkrieg in der Wüste (= Schlachten - Stationen der Weltgeschichte), Paderborn: Ferdinand Schöningh 2018, 251 S., 5 Kt., 19 s/w-Abb., ISBN 978-3-506-78385-1, EUR 29,90
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Der hundertste Jahrestag des Kriegsausbruchs 1914 hat in den letzten Jahren zu einer Flut von Publikationen über den Ersten Weltkrieg geführt. Die Fülle der Werke ist kaum übersehbar, dies insbesondere für interessierte Laien, die sicher nicht die Zeit haben, sich in Dutzende von Überblickswerken oder sogar in weiterführende Forschungsliteratur einzulesen. Daher ist der Gedanke sicher richtig, übersichtliche und einfach gestaltete Publikationen auf den zu Markt bringen, um einen schnellen, gut nachvollziehbaren Einblick zu ermöglichen, idealerweise noch kombiniert mit Lesegenuss.
Eines dieser Werke ist das Buch von Carl Alexander Krethlow zum Verlauf des Ersten Weltkriegs in Mesopotamien, das in der Reihe "Schlachten, Stationen der Weltgeschichte" beim Schöningh-Verlag erschienen ist. Beschrieben werden der Ablauf, die allgemeinen Zusammenhänge und die Rolle der wichtigsten Akteure der wechselvollen Kämpfe im Zweistromland bis zum Untergang des Osmanischen Reichs. Dabei wird insbesondere auch die bedeutende deutsche Rolle gewürdigt. Der Text ist insgesamt gut lesbar und mit Darstellung Bild- und Kartenmaterial ausgestattet. Die teils recht ausführliche Darstellung operationsgeschichtlicher Aspekte ist für den allgemein interessierten Laien anstrengend, für ein fachkundiges Publikum zusammen mit den Karten bei entsprechender Vertiefung aber gut nutzbar.
Als Schwäche ist die bei vergleichbaren germanozentrischen Werken immer wieder zu beobachtende zu starke Wertung aus Sicht der Mittelmächte zu nennen - globalgeschichtlich leider nicht durchgängig korrekt. In Bezug auf die britische Seite zitiert der Autor in der Regel lediglich die kurz nach dem Ersten Weltkrieg erschienene offizielle Darstellung [1]. Betont werden immer wieder die Schwierigkeiten der Briten und die offenbar große Gefahr durch muslimische Aufstände. Der Leser fragt sich nach einiger Zeit, warum die Briten ständig große Probleme hatten und dennoch immer weiter nach Norden vordrangen. Richtig ist, dass die Kämpfe, wie in Palästina, hart und langandauernd waren. Indes ist zu konstatieren, dass das Empire mit seinen disziplinierten indischen Truppen trotz einiger Schwierigkeiten auch bei religiösen Aspekten und zunehmender Ermüdung am längeren Hebel saß. Da hilft es auch wenig, die positiven Aspekte des deutsch-türkischen Bündnisses zu betonen (trotz aller Differenzen und Animositäten zwischen den Offizieren beider Armeen) und insbesondere den Kampfwert des türkischen Soldaten zu würdigen. Letzteres stellt letztlich eine Fortschreibung entsprechender Wertungen bis in die Anfangsjahre des Zweiten Weltkriegs dar, einer Zeit, als man in Deutschland noch hoffte, die Türkei würde wieder zu einem Bündnispartner des Deutschen Reichs werden. Das Bild der türkischen Soldaten im Ersten Weltkrieg ist vielschichtig - je nach Situation waren sie auch Opfer, Kanonenfutter oder Täter. Die Zahl der Deserteure war hoch, bis 1918 betrug sie schätzungsweise 500.000 Mann. Der Hinweis auf eine im Vergleich zu den Entente-Mächten angeblich weniger aggressive Orientpolitik Deutschlands (13) ist ebenfalls so nicht richtig. Schon im 19. Jahrhundert gab es Ansätze zur Kolonisierung von zumindest Teilen des Osmanischen Reichs durch deutsche Siedler (z.B. der Palästinaplan des älteren Moltke). Max von Oppenheim und Paul Rohrbach vermieden in entsprechenden Konzepten und Plänen zwar, eine umfassende Kolonisierung etwa Mesopotamiens mit deutschen Siedlern im Gefolge der Bagdadbahn zu fordern. Sie entwickelten aber großangelegte Planungen für die Umgestaltung des Gebiets unter Hinweis auf die Leistungen der frühen Hochkulturen. Auch für die deutsche Reichsleitung war trotz offizieller außenpolitischer Zurückhaltung die Hilfeleistung für das Osmanische Reich nie Selbstzweck und auch nie nur Mittel zur Ablenkung der Kräfte der Entente. Der "kranke Mann am Bosporus" hatte auch im Deutschen Reich spätestens seit Ende des 19. Jahrhunderts grundsätzliche Begehrlichkeiten geweckt. Dies führte dann zu Versuchen informeller Durchdringung vor allem in militärischer und wirtschaftlicher Hinsicht.
Als militärgeschichtliche Primäreinführung ist Krethlows Buch durchaus empfehlenswert. Für einen tieferen, problemorientierten Zugang müssen aber weitere Publikationen zu Rate gezogen werden.
Anmerkung:
[1] Vgl. Frederick James Moberly: The Campaign in Mesopotamia, 1914-1918. 4 Bde., London 1923-1927.
Bernd Lemke