Mark Häberlein (Hg.): Testamente Bamberger Frauen des 16. und 17. Jahrhunderts (= Bamberger Historische Studien; Bd. 17), Bamberg: University of Bamberg Press 2018, 272 S., 18 s/w-Abb., 8 Tbl., ISBN 978-3-86309-569-7, EUR 19,00
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Mark Häberlein (Hg.): Im Auftrag Halles nach Nova Scotia. Johann Gottlob Schmeißer und die Anfänge der lutherischen Kirche in Kanada, Wiesbaden: Harrassowitz 2022
Philipp Gassert / Mark Häberlein / Michael Wala: Kleine Geschichte der USA, Stuttgart: Reclam 2007
Mark Häberlein: The Practice of Pluralism. Congregational Life and Religious Diversity in Lancaster, Pennsylvania, 1730-1820, University Park, PA: The Pennsylvania State University Press 2009
Der acht thematische Beiträge umfassende Band ist Ergebnis eines an der Universität Bamberg gehaltenen Hauptseminars, ergänzt um Texte von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Lehrstuhls. Mark Häberlein rollt in seiner Einleitung die geschichtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit Testamenten seit den 1970er-Jahren auf und führt in den Band ein. Gemeinsame Basis bilden 84 Bamberger Frauentestamente aus der Zeit zwischen 1510 und 1700 aus dem Archiv des Erzbistums und aus einem geistlichen Bestand des Staatsarchivs. Die letztwilligen Verfügungen stammen hauptsächlich von kinderlosen Witwen, aber auch von ledigen und verheirateten Frauen sowie von Ehepaaren. Sozial ist das Spektrum breit gestreut und reicht vom Adel über Amtsträger- und Handwerkerwitwen bis zu Dienstbotinnen. Die Testamente weisen die gängige Doppelstruktur aus jenseitsbezogenen Legaten und Vermögenszuwendungen innerhalb des sozialen Nahraums auf.
Andreas Flurschütz da Cruz und Sandra Schardt widmen sich den rechtlichen Voraussetzungen des Testierens. Sie verweisen auf die Spannung zwischen Testierfreiheit und vorgesehener Erbfolge. Wesentlich für die Interpretation wäre allerdings die Information gewesen, ob und welche Testierbeschränkungen die Verfügungsmacht der Testierenden limitiert haben. Dass Frauen in den Testamenten vielfach als Begünstigte auftauchen, ließe sich weiter differenzieren mit Blick auf die Arbeiten von Karin Gottschalk, denn dabei ging es nicht so sehr um den Gebrauchswert von "Kleidung, Schmuck oder Haushaltsgeräte[n]" (29), sondern vor allem um die spezifische rechtliche Qualität dieser Objekte. Auch darf bezweifelt werden, dass Hausrat und Schmuck für "männliche Erben weitgehend nutzlos gewesen wären" (29), wenn man an Haushalte von Witwern denkt, an Hausstandsgründungen oder an die Bedeutung von Schmuck als Wertspeicher, der im Bedarfsfall versetzt werden konnte. Für das Verständnis der konkreten Verfügungen im weiteren Verlauf des Bandes wäre wichtig gewesen zu wissen, wie sich die Vermögensansprüche hinterbliebener Ehepartner gegenüber jenen von Kindern bzw. im Fall von Kinderlosigkeit gegenüber den Verwandten des Verstorbenen verhielten. Wenn Testierende betonen, dass sie über das zur Debatte stehende Vermögen frei disponieren können, dann greift die Interpretation, dass "es manchen Erblasserinnen" dabei "lediglich darum gegangen" sei, "ihren eigenen Status zu demonstrieren" (46), zu kurz. Eine Passage wie jene, dass der verstorbene Ehemann das Vermögen "mit Emsigem vleiß und durch sein handwerckh härtiglich Erobert" habe (49) und die Witwe also deshalb darüber verfügen konnte, spricht dafür, dass es für erworbenes Vermögen größere Testierfreiheit gab als für ererbtes. Eheliche Gütergemeinschaft könnte die Voraussetzung dessen sein, dass die Witwe überhaupt darüber testieren durfte - nicht der Witwen zugeschriebene größere rechtliche Spielraum.
Susanne Neubauer setzt sich mit den religiösen Formeln in den Frauentestamenten auseinander. Die Bandbreite reicht vom völligen Fehlen über das gängige Repertoire bis zur ausführlichen Ausschmückung. Schwierig zu entscheiden bleibt, inwieweit diese Formeln zeitgenössischen Stil- und Sprachmustern folgen oder als Ausdruck persönlicher Frömmigkeit gelesen werden können. Eine gewisse Tendenz zu einer zunehmend barocken Ausgestaltung lässt sich erkennen. Mathias Baumgartl konzentriert sich entlang von drei Zeitschnitten auf die Legate zugunsten karitativer Einrichtungen wie Armen-, Siechen- und Waisenhäuser und geistlicher Institutionen wie den Stadtpfarrkirchen, Klöstern und religiösen Bruderschaften und konstatiert eine zunehmende Verlagerung hin zu lokalen Ordensgemeinschaften. Deren zunehmende Präsenz und Bedeutung machte sie zu besonders repräsentativen Empfängern von Legaten und über das Führen von Wohltäterbüchern zusätzlich zu 'Verwaltern' der Memoria. Miriam Mulzer geht den Vermächtnissen zugunsten von Familienmitgliedern und Verwandten nach. Sie differenziert nach Familienstand und verschiedenen Verwandtschaftspositionen sowie nach Geld- und Sachlegaten einerseits, Immobilien- und Universalerbschaften andererseits. Mangelnde Treue oder Fürsorge lieferten Argumente für Enterbung, Verweise auf Dankbarkeit und Zuneigung legitimierten Zuwendungen. Das Vermeiden von Konflikten konstituierte einen wichtigen Aspekt in der Konkurrenz um Vermögen.
Im Beitrag von Jennifer Schmid steht das breitere soziale Umfeld der Testierenden im Mittelpunkt: Mägde, Patrone, Patenkinder und freunde - und damit ein schwierig zu meisterndes Ensemble. Die Positionen konnten sich überschneiden: Wenn eine Dienerin nicht die üblichen fünf oder zehn Gulden zugesprochen erhielt, sondern 500 Gulden, und deren Ehemann zugleich ein Schwager der Erblasserin war, wäre die Zuordnung zur Verwandtschaft naheliegender als zur Dienerschaft. Als schwierig erweist sich auch die Kategorisierung der Patronage-Klientelverhältnisse und die Einschätzung möglicher Kreditbeziehungen. Kann ein Ratsherr nicht auch Schuldner einer Dienerin sein? Wenn der "weitgefasste Verwandtschaftsbegriff" der Frühen Neuzeit betont wird, dann steht das Konzept der "künstlichen Verwandtschaft" für Patenschaft im Widerspruch dazu (150, 144).
Andrea Herold-Sievert widmet sich den beweglichen und unbeweglichen Gütern, die mittels Legat transferiert werden sollten. Fast die Hälfte dieser Objekte wird als "Hausrat" kategorisiert, ein Viertel als Kleidung; das verbleibende Viertel verteilt sich auf Schmuck und sakrale bzw. liturgische Gegenstände. Deutlich wird die Bedeutung von Betten und Zubehör. Wenn silberne Löffel, Becher, Kannen etc. der Kategorie "Geschirr und Gefäße" zugeordnet werden, wird das der (kostbaren) Materialität dieser Objekte freilich nicht gerecht.
Mark Häberlein befragt die Testamente in Hinblick auf räumliche Mobilität ausgehend von den Angaben zu den in den Testamenten bedachten Männern und Frauen in drei Zeitschnitten vor 1631, dem Jahr des ersten Einfalls schwedischer Truppen, 1631 bis 1648 und 1649 bis 1700. Das Spektrum umfasst Orte im näheren und weiteren Umland von Bamberg sowie in Nachbarterritorien des Hochstifts, Vernetzungen mit Nürnberg und Würzburg, Schweinfurt und Windsheim. Damit werden Heirats- und Arbeitsmigration von Frauen ebenso sichtbar wie überlokale Verwandtschaftsbeziehungen. Stationen der Karrierewege von Amtsträgern zeichnen sich in Testamenten von deren Witwen ab.
Christian Porzelts Beitrag handelt von Zeugen und von Testamentsvollstreckern, die vielfach in den Testamenten genannt sind und auch Dankesgaben zugesprochen erhielten. Unter letzteren finden sich häufig geistliche und weltliche Amtsträger, aber auch Männer aus dem sozialen Netzwerk. In zwei Fallrekonstruktionen aus der Bamberger Oberschicht - ausgehend vom Testament einer Arzt- und einer Kammermeisterswitwe - kann Porzelt aufzeigen, dass sich sozialer Status und Verflechtung in der Auswahl und Anzahl der Zeugen abgebildet haben.
Mit engagierten Studierenden einen Band zu gestalten ist ein sehr begrüßenswertes Unterfangen, aber fraglos zugleich eine große Herausforderung. An manchen Stellen hätte es weiterer Diskussion bedurft: bezogen auf die Grenzen der Testierfreiheit, auf ehegüterrechtliche Grundlagen und bei den Kategorisierungen von Objekten. Unterschiedliche Beträge verweisen auf unterschiedliche Positionen und Beziehungsqualitäten, bei der Etikettierung als "gering", ist daher Vorsicht geboten: Manche Legate sollten ein Andenken sein, eine Geste, keine Erbschaft. Die Geschlechtsspezifik dürfte in dem ausgewerteten Bestand in den selten testierten Immobilien zu sehen sein. Zur Verifizierung dieses Aspekts bedürfte es eines Vergleichssamples von Männertestamenten. Testamente sind meist weder einzige noch letzte Worte, sondern stehen in Verbindung mit weiteren Dokumenten und Prozeduren: Übergabe-, Heirats-, Schenkungsverträge, Inventuren, Nachlassverhandlungen etc. Das ist da und dort angedeutet. Eine Verankerung in der aktuellen internationalen Testaments-, Inventars- und materiellen Kulturforschung wäre sehr wünschenswert gewesen.
Margareth Lanzinger