Ang Cheng Guan: Southeast Asia's Cold War. An Interpretive History, Honolulu: University of Hawaii Press 2018, 320 S., ISBN 978-0-8248-7347-9, USD 30,00
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"The most important aspects of the Cold War", so der Historiker Odd Arne Westad in seiner bahnbrechenden Monographie des globalen Kalten Krieges, "were neither military nor strategic, nor Europe-centered, but connected to political and social development in the Third World." [1] Damit plädiert er für eine nicht-eurozentrische Neukonzeption des Kalten Krieges durch einen Einbezug der Perspektive aus dem globalen Süden. Seit einigen Jahren widmen sich neuere Forschungen dementsprechend der Systemkonkurrenz in der "Dritten Welt" einschließlich Asiens, und man fragt nach der agency und den Handlungsmöglichkeiten der örtlichen Akteure in der internationalen Politik. Inzwischen gibt es zahlreiche Kalte-Kriegs-Studien zu Nordost- und Ostasien. Der südostasiatische Raum bleibt, mit Ausnahme von Vietnam, dagegen in der Forschungslandschaft kaum beachtet.
Das Buch von Ang Cheng Guan, Associate Professor am Institute of Defence and Strategic Studies an der S. Rajaratnam School of International Studies Singapore, ist die erste zeithistorische Monographie, die die Großmächte, die südostasiatischen Länder (von Burma bis Indonesien) sowie die einzelnen kommunistischen Bewegungen in umfassender Weise in den Zusammenhang des Kalten Krieges bringt. Das Ziel seiner Synthese ist "to provide", erstens, "an up-to-date and coherent account of the Cold War as it was played out in Southeast Asia based on forgotten and the latest research findings" (2) und zweitens "an account of the international politics of the region seen from within rather than without." (194)
In der Einleitung positioniert der singapurische Historiker sein Werk in einem breiten Spektrum der Forschungszugänge zu Südostasien im Kalten Krieg, von der national history, den post-colonial/subaltern studies bis zur nation-building history. Angesichts des Mangels eines "coherent narrative of the Cold War in Southeast Asia" (5) verzichtet Ang bewusst auf den kulturgeschichtlichen Ansatz, welcher heutzutage bei der Suche nach alternativen Narrativen des Kalten Kriegs eine wichtige Rolle spielt. Er rückt stattdessen die politischen sowie diplomatischen Faktoren in den Vordergrund. Als eine internationale Geschichte interpretiert er die Interaktionen der südostasiatischen Länder vor dem Hintergrund der ideologischen Konkurrenz zwischen den USA und der Sowjetunion bzw. China bei Berücksichtigung von "local causes". (6) Obwohl die Nationalstaaten aus diesem Grund seine wesentlichen Akteure bleiben, erzählt er die Geschichte nicht aus der Warte von "winners". Im Gegenteil: Ang legt auf die "loser's"-Perspektive, namentlich die kommunistische oder pro-kommunistische, großen Wert, um einen Ausgleich für die offizielle, antikommunistische Perspektive zu erzielen. Gerade wegen dieses Wechsels der Perspektiven erscheint sein Narrativ innovativ und einzigartig.
Der Hauptteil des Buches ist in sechs Kapitel gegliedert. Beginnend mit den antecedents (Kapitel 1) verfolgt Ang die Wurzeln des Kalten Krieges in Südostasien bis zu den einzelnen kommunistischen Bewegungen im südostasiatischen Raum sowie zur Gründung der Komintern 1919 zurück. Er argumentiert, dass die Dynamiken der Systemkonkurrenz nach 1945 in Südostasien aus den "antagonisms between the indigeous communists and their opponents, be it the colonial governments or their successors" (194 f.) in der Zwischenkriegszeit und während des Zweiten Weltkrieges resultierten. Im zweiten Kapitel wählt Ang die Gründung der Volksrepublik China am 1. Oktober 1949 als Beginn einer neuen Phase des Kalten Krieges in Südostasien. Denn er stellt fest, dass sich in den folgenden Jahrzehnten das kommunistische China, nicht aber die Sowjetunion, als eine "new subsidiary communist hub in East and Southeast Asia" (54) darstellte. Im Folgekapitel beschäftigt sich Ang mit drei Ereignissen 1954/55, nämlich der Indochinakonferenz in Genf (1954), der Gründung der Southeast Asia Treaty Organization in Manila (1954) sowie der Bandung-Konferenz (1955). Kapitel 4 beschäftigt sich mit der innerstaatlichen Entwicklung einzelner Länder in Südostasien angesichts ihrer auswärtigen Beziehungen mit den USA sowie des Sino-Sowjetischen Zerwürfnisses im Zeitraum zwischen 1955 und 1965. Der Vietnam-Krieg und die Reaktionen der südostasiatischen Länder darauf werden im fünften Kapitel für den Zeitraum 1965 bis 1975 thematisiert. Die militärische Eskalation in Indochina und die Ankündigung der Nixon-Doktrin 1969 bewirkten einen außenpolitischen Kurswechsel der davor fest mit den USA verbündeten Länder wie der Philippinen oder Thailand. Diese forderten nunmehr eine friedliche Koexistenz mit den Kommunisten in Peking und Hanoi. Gleichzeitig strebten die südostasiatischen Länder, mit Ausnahme von Indochina und Burma, auf der gemeinsamen Grundüberzeugung des Antikommunismus schrittweise nach einer regionalen Integration in Form von der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN), um Südostasiens Neutralität sicherzustellen. In dieser Krisenzeit, so Ang, wurde die ideologische Systemkonkurrenz langsam von den geopolitischen Interessen und einer Politik der "regime preservation" der ASEAN-Länder überlagert. (196) Im sechsten Kapitel geht der Autor davon aus, dass weder der Mauerfall in Berlin 1989 noch die Auflösung der Sowjetunion 1991, sondern die Invasion Vietnams in Kambodscha 1978 sowie der Sino-Vietnamesische Krieg 1979 - "an implosion within the Asian communist camp" (160) - den Beginn des Endes des Kalten Krieges in Südostasien markierten. Denn im Konfliktfeld Südostasiens dominierten seit jeher nicht so sehr die ideologische Konkurrenz, sondern das realpolitische Interesse und das "problem of regional hegemony". (176) In diesem Sinne war das Ende des Kalten Krieges in Südostasien ein langer Prozess.
In seinem synthetischen Narrativ räumt Ang den politischen Entwicklungen übergeordnete Priorität ein. Er akzentuiert insbesondere die Einstellungen und Handlungsspielräume einzelner südostasiatischen Länder sowie der kommunistischen Organisationen in der Politik der Großmächte. Dies führt allerdings dazu, dass die Auseinandersetzung mit der ökonomischen Dimension des Kalten Krieges bedauerlicherweise auf wenige Seiten reduziert ist, obwohl der Autor selbst deren Stellenwert anerkennt. Angesicht der Bedeutung der Wirtschaft in der antikommunistischen Politik der ASEAN-Länder, in der politischen Umorientierung der kommunistischen Länder wie der Doi-Moi-Politik Vietnams seit 1986 (Umorientierung der Wirtschaftspolitik an der Marktwirtschaft) sowie in der internationalen Entwicklungspolitik bedarf die Geschichte des Kalten Krieges in Südostasien weiterer Forschungen unter stärkerer Berücksichtigung der Verflechtungen zwischen Politik und Ökonomie.
Zweifellos ist Angs Monographie ein bedeutsames Werk. Es stützt sich zwar in erster Linie auf Sekundärforschung, aber der Autor zitiert je nach Kontext die primären Quellen aus den nationalen Archiven der USA, Großbritanniens, von Singapur sowie von Australien. Der flüssige Schreibstil gleicht selbst die manchmal übermäßig lange und kleinteilige Darstellung kommunistischer Organisationen in Südostasien aus. Auf der Suche nach alternativen Narrativen des globalen Kalten Krieges lohnt es sich, dem innovativen Perspektivenwechsel in Angs Forschung Aufmerksamkeit zu schenken.
Anmerkung:
[1] Odd Arne Westad: The Global Cold War. Third World Interventions and the Making of Our Times, Cambridge 2007, 369.
Pai-Li Liu