Peter Hunt: Ancient Greek and Roman Slavery, Hoboken, NJ: Wiley-Blackwell 2018, XVI + 248 S., 6 Kt., 16 s/w-Abb., ISBN 978-1-405-18806-7, USD 84,95
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Peter Hunt liefert mit dieser Darstellung der griechischen und römischen Sklaverei in einem äußerst anregenden Beitrag nicht nur zur Diskussion über die antiken Formen der Unfreiheit, sondern auch für kulturvergleichende Studien der Sklaverei. Der Vergleich - nämlich zwischen der Sklaverei in der griechischen und der römischen Welt - ist in der Struktur des Buches schon dadurch verankert, dass der Autor sich gegen eine chronologische Form der Abhandlung entschieden hat, sein Thema vielmehr mit kulturübergreifenden Querschnitten bearbeitet; er bezieht allerdings auch die Sklavereigeschichte anderer Epochen mit ein (z. B. 99f.), fast ausschließlich die der amerikanischen Südstaaten. Die Querschnittsthemen der einzelnen Kapitel sind klug gewählt: Es geht um Formen der Versklavung, um Wirtschaft, Politik und Kultur, um Sex und Familienleben, um Freilassung und Ex-Sklaven, um Konflikte und Revolten, um Repräsentationsformen sowie um die Haltung von Philosophie und Gesetzgebung zur Sklaverei.
Gerahmt sind diese Interpretationen durch zwei einleitende Kapitel und einen Ausblick, in dem die Geschichte der antiken Sklaverei 'als Argument' knapp umrissen wird. Das erste Kapitel führt in den "historischen Kontext" der griechischen und römischen Sklaverei ein, wobei ein Überblick über die Epochen der antiken Geschichte gegeben wird. Dies geschieht sicher mit Blick auf den intendierten Leserkreis, nämlich "college courses on Greek and Roman slavery" (IX; hierzu s. unten). Das Fachpublikum wird hiervon zwar weniger profitieren, zumal der Bezug zur antiken Sklavereigeschichte eher locker ist; wer aber von anderen Kulturen herkommt, findet hier die historische Orientierung, die in den folgenden Kapiteln verständlicherweise nicht geboten werden kann. Das zweite Einführungskapitel beschäftigt sich mit Definitionsfragen und mit der Quellenbasis, wobei letztere zum einen in ihrer generellen Problematik betrachtet wird (das Gros unserer Quellen - jedenfalls der literarischen - spiegelt die Perspektive der Oberschichten, selten die der Aufsteiger; Sklaven selbst bleiben stumm) und geht zum anderen exemplarisch auf einzelne Zeugnisse ein, eine Vorgehensweise, die auch in der späteren Kapiteln vorherrscht. Das Buch ist kein Handbuch, will es auch nicht sein, sondern eine Einführung auf gut 200 Seiten. Dem entspricht auch die Präsentation: Es gibt fast keine Anmerkungen (die Quellen sind im Text genannt und ausschließlich in englischer Übersetzung zitiert), dafür aber am Ende jedes Kapitels kommentierte Vorschläge für weitere Lektüre.
Was die einzelnen Querschnitte angeht, wird in ihnen immer wieder deutlich, dass es eine "antike" Sklaverei in vielerlei Hinsicht nicht gab. Die begriffliche Zusammenfassung der unterschiedlichen Ausprägungen organisierter persönlicher Unfreiheit in der griechischen und in der römischen Welt bzw. in der Kaiserzeit kann sich zwar darauf berufen, dass die griechisch-römische Kultur von den an ihr Partizipierenden (in der Kaiserzeit) oft als Einheit wahrgenommen wurde, und dies durchaus mit Gründen: Hier ist etwa die hohe Bedeutung eines literarischen Kanons für das Selbstverständnis der Eliten zu nennen, und in diesem waren Sklaven von Anfang an (also seit Homer) präsent und zum Teil prominent, ohne dass die faktisch stark differierenden Ausprägungen der Unfreiheit eine Rolle spielten. Für die gesamte Antike galt auch, dass in jedem "besseren Haushalt" die Bedienung durch Sklaven eine unhinterfragte Normalität war, auch dies von den frühen griechischen Gesellschaften, die Homer beschreibt, bis hin zur Zeit der Völkerwanderung. Eine Folge davon ist, dass unsere literarischen Quellen, was die Autoren, aber auch ihr Publikum angeht, in aller Regel in dieser sklavenbesitzenden Schicht beheimatet waren. Die wesentlichen Gemeinsamkeiten sind damit aber eigentlich schon aufgezählt, ein Befund, der durch Hunts Einteilung des Stoffes in die genannten, thematisch die Antike jeweils insgesamt umgreifenden Kapitel aber nicht etwa verdeckt, sondern gerade hervorgehoben wird. Es ist bezeichnend, dass etwa die Implikationen der politischen Systeme in Kapitel 5 ("Politics") ganz unterschiedliche Phänomene hervorbrachten, die kaum etwas miteinander zu tun hatten (auf der einen Seite den vieldiskutierten Zusammenhang von polisdemokratischer Ordnung und Sklaverei-"Konjunktur", auf der anderen Seite den sozialen Aufstieg von Sklaven und Freigelassenen im Umfeld des römischen Herrschers), und es ist kein historischer Zufall, dass die (seltenen) Sklavenaufstände auf die von Rom dominierte Epoche beschränkt blieben (Kapitel 10: "Revolts"). Eklatant sind auch die Unterschiede in der Freilassungspraxis (Kapitel 8: "Manumission and Ex-Slaves"). Gerade wegen dieser und vieler anderer Diskrepanzen ist die gewählte Darstellungsform so instruktiv. Hinzu kommt, dass der Autor keineswegs als Verkünder von Wahrheiten und von beendeten Debatten auftritt, sondern dem Leser zunächst einen Blick auf das Material gestattet und dann Interpretationsmodelle und entsprechende Sehgewohnheiten vorstellt oder auch kritisiert, ohne aber die Voraussetzungen der eigenen Präferenz im Dunkeln zu lassen. So entstehen an einigen Stellen Musterbeispiele der Auseinandersetzung mit Möglichkeiten und Grenzen der Interpretation antiker Quellen. Im Vordergrund stehen dabei literarische Zeugnisse, Bild- und Sachquellen sind dagegen deutlich unterrepräsentiert (auch durch nur zehn Abbildungen).
Der Autor ist mit Erfolg um eine leicht zugängliche Sprache bemüht; dennoch scheint fraglich, ob das Buch als Einführungslektüre im Geschichtsstudium geeignet ist. Natürlich bedarf es der Ergänzung durch übersetzte und kommentierte Quellentexte (und hier gibt es Angebote) [1]; eine große Herausforderung bleibt aber der Voraussetzungsreichtum der Darstellung, die von Kontroversen und Debatten bestimmt ist, die ihrerseits nur mit wenigen Sätzen skizziert werden können. Wer hier schon Vorkenntnisse hat, wird davon natürlich profitieren. Für dieses Auditorium (und übrigens auch generell für das studentische) dürfte sich dann allerdings nachteilig auswirken, dass Hunt sich fast ausschließlich auf die englischsprachige Forschung beschränkt, hinsichtlich der Debatten, aber auch was die Bibliographie und die Literaturempfehlungen angeht.[2]
Gerade weil diese dichte Studie nicht nur auf Kulturvergleiche abzielt, sondern sie auch tatsächlich befördert, sei schließlich noch auf eine Perspektive hingewiesen, die im vorliegenden Buch eher randständig ist. Natürlich ist es legitim, bei der Eingrenzung des Themas (mit Aristoteles, Politik 1, 1251a) eine Definition der Sklaverei zu benutzen, die auf dem Charakter des Sklaven als Besitz eines anderen basiert (S. 17f.). Damit trifft man sicher ins Zentrum der antiken Sklaverei(en), und für ein Buch dieses Zuschnitts ist es sinnvoll, sich darauf zu beschränken. Beim Vergleich mit anderen vormodernen Gesellschaften, in denen so geartete Unfreiheit keine große Rolle spielte (der Autor weist auf Seite 20 zurecht darauf hin, dass mit der Antike, und Sklavenhaltersystemen der Neuen Welt in der Karibik, in den amerikanischen Südstaaten und in Brasilien die Zahl der "slave societies" vergleichsweise klein ist), aber auch bei der Frage nach der Bedeutung der Sklaven in antiken Gesellschaften (die keineswegs 'vom Trojanischen Krieg bis zur Völkerwanderung' gleichbleibend war) hilft es aber, auch andere Formen von durch existentielle soziale Abhängigkeit geprägter Arbeit in den Blick zu nehmen. Sie waren in der Antike zahlreich und verschiedenartig, und Hunt kennt sie natürlich, etwa die spartanischen Heloten oder die spätantiken Kolonen, widmet ihnen aber (angesichts seines thematischen Fokus verständlicherweise) nur wenige klassifizierende Bemerkungen (etwa 161 und 212f.). Eine systematische Einbeziehung müsste jeweils eruieren und zu begründen suchen, welche Art von Arbeit zu welcher Zeit von Sklaven bzw. von in anderen Formen der Freiheitsbeschränkung lebenden Arbeitern verrichtet wurde. Aus dieser Korrelation ergeben sich dann vielleicht auch weitere Argumente in der langen Forschungsdiskussion (vgl. etwa 40-47), welche Folgen die Verknappung der als Kriegsgefangene Versklavten in der römischen Kaiserzeit hatte.
Ungeachtet dieser Ergänzungsmöglichkeiten handelt es sich bei dem vorliegenden Buch um eine unbedingt empfehlenswerte Einführung, die jeder, der sich für das Phänomen der vormodernen Sklaverei interessiert, mit großem Gewinn benutzen wird.
Anmerkungen:
[1] Thomas Wiedemann: Greek and Roman Slavery: A Sourcebook, London 1981; Zvi Yavetz: Slaves and Slavery in Ancient Rome, New Brunswick, NJ 1988 (zu den Sklavenaufständen); Werner Eck / Johannes Heinrichs: Sklaven und Freigelassene in der Gesellschaft der römischen Kaiserzeit. Darmstadt 1993. Für die Welt des hellenistischen Griechenlands und für die Spätantike fehlen immer noch entsprechende Werke.
[2] Nicht einmal das Handwörterbuch der antiken Sklaverei (HAS) findet Erwähnung.
Konrad Vössing