Myriam-Isabelle Ducrocq / Laïla Ghermani: Le Prince, le despote, le tyran. Figures du souverain en Europe, de la Renaissance aux Lumieres (= Les Dix-Huitièmes Siècles; 206), Paris: Editions Honoré Champion 2019, 333 S., ISBN 978-2-7453-5018-3, EUR 58,00
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Klaus Malettke: Katharina von Medici. Frankreichs verkannte Königin, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2020
James Daybell (ed.): Women and Politics in Early Modern England, 1450-1700, Aldershot: Ashgate 2004
Elizabeth C. Goldsmith: Publishing Women's Life Stories in France, 1647-1720. From voice to print, Aldershot: Ashgate 2002
Der von zwei französischen Historikerinnen herausgegebene Sammelband vereinigt insgesamt 13 Beiträge zu einem ebenso breiten wie prominenten Themenfeld, der Figur des Souveräns in der Frühen Neuzeit, aufgeteilt in drei Teile, die sich, wenig überraschend und auch inhaltlich durchaus sinnvoll, chronologisch auf die Teilepochen Reformationszeit ("...dans l'Europe de la réforme"), die Zeit der Englischen Revolution und schließlich Aufklärung und Französische Revolution beziehen. Schon diese eher konventionelle Einteilung lässt vermuten, dass es sich auch bei den Beiträgen um eher konventionelle Analysen klassischer theoretischer Texte der Zeit handelt. In der Tat spielen insbesondere die Vordenker frühneuzeitlicher Staats- und Souveränitätslehre, Bodin und Hobbes, vor allem in den ersten beiden Teilen eine bedeutende Rolle. Auch die Fragestellung erscheint zunächst wenig originell: Welches sind die Unterschiede (und ggf. Gemeinsamkeiten) der drei titelgebenden Figuren? Welches sind die (rechtlichen oder anderen) Möglichkeiten, monarchische Einherrschaft zu beschränken oder doch zu kontrollieren - und welche Widerstandsmöglichkeiten werden den Untertanen eingeräumt, einzeln oder kollektiv usw.?
So diskutiert dann in der Tat Mario Turchetti, der französische Bodin-Herausgeber, eine "vitale, aber bislang übersehene" Unterscheidung zwischen Despotie und Tyrannei bei Bodin, während die Philosophin Blandine Kriegel in ihrem Beitrag die Figur des Souveräns bei Bodin, Hobbes und Spinoza vergleicht. Raffaella Santi widmet sich der aus ihrer Sicht fehlgeleiteten Aristoteles-Rezeption in Hobbes' Leviathan, während Mary Niquist Hobbes' Ausführungen über despotische Herrschaft, Tyrannei und Widerstandsmöglichkeiten genauer analysiert.
Insgesamt jedoch hält der Band, der auf eine Tagung an der Universität Paris-Nanterre zurückgeht, einige Überraschungen bereit, die dazu anregen, politische Konzepte von monarchischer Herrschaft und Tyrannei nicht nur in den klassischen Texten der politischen Ideengeschichte bzw. der history of political thought zu suchen. So spielt etwa die Darstellung von bzw. Kritik an vermeintlich despotischer Fürstenherrschaft in Historiografie, Tagespresse und Theater eine ebenso wichtige Rolle: Armel Dubois-Nayt etwa analysiert das Bild der schottischen Regentin Marie de Guise in historiografischen Texten ihrer Zeitgenossen und Widersacher John Knox und George Buchanan im Hinblick auf deren Konzeption der Gynäkokratie als tyrannischer, weil illegitimer Herrschaft, während Teresa Malinowski der Darstellung des Valois-Königs Heinrich III. als tyrannischer Herrscher in ligistischen Traktaten und Flugschriften nachgeht. Christine Sukic widmet sich in ihrem Beitrag der Darstellung Alexanders des Großen im frühneuzeitlichen Theater, wo er nicht nur als Held, sondern bisweilen auch als Tyrann gezeichnet wird. Susan Levin schließlich zeichnet das sich ab Juni 1791 rasch wandelnde Bild Ludwigs XVI. vom guten König zum furchtbaren Tyrannen in der revolutionären Presse Frankreichs nach.
Nicht zuletzt lassen sich Biografien und Memoiren - wie etwa die Memoirs of the Life of Colonel Hutchinson, verfasst von seiner Gattin Lucy Hutchinson zwischen 1664 und 1670, welche Claire Gheeraert-Graffeuille analysiert - als aussagekräftige Quellen eines breit angelegten politischen Diskurses erkennen und nutzen. Dieser sollte sich ja, wollte er auch in die Praxis wirken, eben nicht auf die "großen Denker" beschränken; seine Verbreitung, aber auch Bereicherung durch immer weitere Kreise findet sich im vorliegenden Band erfreulicher Weise zumindest in einigen Beiträgen eingefangen. Dass zu diesen Mit-Denkern auch Frauen gehörten, ist eine der weiteren positiven Überraschungen des vorliegenden Bandes, ebenso wie die Erkenntnis, dass weibliche Fürstenherrschaft - sei es als Regentinnen oder Fürstinnen in eigenem Recht - in der frühneuzeitlichen Tyrannei-Debatte eine große, ja zu gewissen Zeiten (etwa in Frankreich oder in Schottland in der zweiten Hälfte des 16. und im frühen 17. Jahrhundert) sogar eine Schlüsselrolle spielte - was im vorliegenden Band zwar nur in wenigen Beiträgen (Dubois-Nayt; Levin) genauer beleuchtet, aber doch immerhin angesprochen wird.
Wenn mit der Erweiterung des Quellenmaterials wie mit den dafür erforderlichen unterschiedlichen Methodiken auch eine "diversité des textes", eine Vielfalt bis hin zur Disparität der Texte und Herangehensweisen zwangsläufig einhergeht, wie die Herausgeberinnen in der Einleitung freimütig einräumen, so erscheint mir dies doch letztlich gar kein Nachteil. Vielmehr zeigen gerade diese vielfältigen Beiträge - deren Methodologien letztlich doch im Wesentlichen auf einem "close reading", einer genauen Textlektüre basieren - , dass dies für eine genauere und breiter abgestützte Erkenntnis über die Bedeutung zentraler politischer Konzepte der frühen Neuzeit höchst vorteilhaft ist. Mehr noch, wie die beiden Herausgeberinnen in ihrer unbedingt lesenswerten, ausführlichen Einleitung sehr gut begründen, ist dies letztlich der enormen Bedeutung und Tragweite des Themas wesentlich angemessener als eine in kanonischer Einheitlichkeit gleichsam erstarrte, konventionelle politische Ideengeschichte.
Claudia Opitz-Belakhal