Klaus Malettke: Katharina von Medici. Frankreichs verkannte Königin, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2020, 403 S., 4 Kt., 12 Farbabb., ISBN 978-3-506-70332-3, EUR 78,00
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Klaus Malettke, ein ausgewiesene Kenner der politischen Geschichte Frankreichs, hat sich nun, nach seiner umfassenden Darstellung der französischen Monarchie bzw. der Bourbonen-Dynastie von Heinrich IV. bis zu Ludwig XIV. (2008) und seinen umfangreichen Biographien von Richelieu (2018) und Heinrich IV. (2019) mit Katharina von Medici erstmals einer weiblichen Herrscherfigur zugewandt und widmet auch ihr eine umfangreiche, gut 350 Seiten umfassende biographische Darstellung, obgleich sie die Geschicke Frankreichs offiziell ja lediglich einige wenige Jahre als Regentin in Vertretung ihres Sohnes bzw. als "gouvernante du roi" leitete.
Wie schon die meisten der in der Tat zahlreichen Biographen der aus Florenz stammenden Königin geht auch Malettke zunächst von der "schwarzen Legende" aus, die diese Fürstin schon seit ihrer Regentschaft begleitete und die in der Historiographie bis heute ihre Spuren hinterlassen hat. Katharina von Medici gilt ja als Verursacherin oder jedenfalls Mitschuldige am Massaker an den französischen Hugenotten im August 1572, der sog. "Bartholomäusnacht", die die Geschichte sowohl der französischen Monarchie wie vor allem aber auch der Reformation und ihrer Folgen in ganz Europa nachhaltig geprägt hat.
Malettke gehört nun aber keineswegs ins Lager jener protestantischen oder gar monarchie-kritischen Historiographen beiderlei Geschlechts, die die Königin als intrigante, ja, machiavellistische Machtpolitikerin betrachteten. Vielmehr möchte er allen Vorurteilen und Verleumdungen ebenso nüchtern entgegentreten wie jenen Lobeshymnen, die in der zeitgenössischen wie (seltener) in der späteren Literatur über Katharina von Medici zu finden sind.
Dass er sich dabei letztlich dennoch auf der Seite der engagierten Verteidiger der Katharina von Medici wiederfindet, ist vor allem auch der Tatsache zuzuschreiben, dass die Quellengrundlage für seine umfangreiche Biographie, neben einigen zeitgenössischen Nuntiaturberichten und anderen diplomatischen Quellen, hauptsächlich aus den Briefkorrespondenzen der Königin selbst besteht, die bereits seit dem späten 19. Jahrhundert in insgesamt zehn Bänden ediert vorliegen und die wie die meisten Selbstzeugnisse auf die Leser_innen eine gewisse Sogwirkung entfalten. Auf diese hatten sich im übrigen auch die bisherigen Historiographinnen und Historiographen der Katharina von Medici gestützt, sie allenfalls unterschiedlich ernst und wichtig genommen.
Insofern, dies sei hier schon vorweggenommen, sind die Erkenntnisse, die Malettke aus seiner Quellenlektüre gewonnen hat, wenig überraschend und sie stimmen mit dem Gesamtbild, das insbesondere die französische Forschung schon länger von Katharina von Medici gezeichnet hat (die Malettke übrigens auch ausführlich rezipiert und entsprechend zitiert), im Wesentlichen überein. Der Untertitel des Werkes "Frankreichs verkannte Königin" ist daher aus meiner Sicht etwas reißerisch und entspricht längst nicht mehr dem "Image" der Fürstin in der seriösen historiographischen Literatur, sondern bestenfalls in Historienfilmen und populären Serien.
Die Darstellung ist in insgesamt 9 Kapitel untergliedert, in denen die Biographie der Katharina von Medici chronologisch nachvollzogen wird, von ihrer Kindheit in Florenz (Kap.2) über die schwierige Phase der Verheiratung mit dem französischen Thronfolger und späteren König Heinrich II. (Kap.3), ihr Leben am Hof bis zum Tode ihres Gatten im Jahre 1559 (Kap.4) bis hin zu ihrer erfolgreichen Übernahme der Regentschaft für ihren damals unmündigen ältesten Sohn Franz II. (Kap.5) und die weiteren Jahre ihrer Machtausübung an der Seite ihrer Söhne (Kap.6).
Der "Bartholomäusnacht" und den darauf folgenden ersten Bürgerkriegsjahren ist ein weiteres Kapitel gewidmet (Kap. 7) - was der Bedeutung dieser Ereigniszusammenhänge durchaus angemessen ist, und ein letztes Kapitel (8) behandelt Ereignisse und Erfahrungen von der Machtübernahme Heinrichs III., der der Politik seiner Mutter erheblichen Widerstand entgegensetzte, bis zum Tode Katharina von Medicis im Januar 1589 - also kurz vor der definitiven Beilegung der Bürgerkriegskämpfe durch ihren Schwiegersohn, den späteren Heinrich IV.
Ein Epilog schließt das Werk ab, in dem der Verfasser nochmals in knappen Worten seine persönliche Rehabilitation der Katharina von Medici zum Ausdruck bringt, die eben keinesfalls eine diabolische oder "eisenharte" Fürstin gewesen sei, sondern "eine erstaunlich moderne und pragmatische Frau sowie herausragende Persönlichkeit", der es gelungen sei, "in der damaligen Männerwelt lange Zeit eine führende, maßgebliche politische Rolle zu spielen, um Frankreich vor dem Schlimmsten, vor dem völligen Ruin - wie sie immer wieder betonte - zu bewahren und um ihren Söhnen den Königsthron zu erhalten." (357)
Für diese letztere Gesamteinschätzung der Katharina von Medici als macht- wie familienbewusste Fürstin spricht in der Tat Vieles - und Malettke bemüht sich auch im Zuge seiner Darstellung immer wieder sehr, die Fürstin selbst - in ihren Briefen - sprechen zu lassen (leserfreundlich sind die Passagen jeweils ins Deutsche übertragen). Allerdings wirkt seine Einschätzung von Katharina als "erstaunlich moderne und pragmatische Frau" dann doch recht wenig abgesichert, etwa durch methodische Reflexionen oder das Aufgreifen entsprechender Forschungsdebatten, die es ja in den letzten Jahrzehnten in größerem Umfang innerhalb der Geschlechtergeschichte gegeben hat und die auch in neuere Studien über die französische Königin (etwa von der Doyenne der französischen Frauengeschichtsforschung der Frühen Neuzeit, Eliane Viennot) Eingang gefunden haben.
Malettkes Stärke ist eine sachlich sehr gut informierte, quellennahe, aber durchaus auch positivistisch zu nennende politische Geschichtsschreibung, die sich nicht lange mit Fragen der Methodik aufhält. Seine Biographie der gar nicht so verkannten französischen Königin Katharina von Medici ist dennoch lesenswert und gerade im Hinblick auf die Ereignisse rund um die Bartholomäusnacht ausgezeichnet informiert und informativ - und sie hilft nicht zuletzt auch dabei, Erkenntnisse der französischen Geschichtsforschung auf gut lesbare Art und Weise in die deutsche Geschichtslandschaft hineinzutragen.
Claudia Opitz-Belakhal