Robin Schuldenfrei: Luxury and Modernism. Architecture and the Object in Germany 1900-1933, Princeton / Oxford: Princeton University Press 2018, 317 S., 74 Farb-, 126 s/w-Abb., ISBN 978-0-691-17512-6, USD 65,00
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Die von Robin Schuldenfrei vorgelegte Monografie zur Architekturmoderne in Deutschland lässt sich im Schnittpunkt zweier Forschungsfelder situieren, die in den letzten Jahren umfangreicher erschlossen wurden. Es handelt sich auf der einen Seite um Untersuchungen zur Konsumkultur, deren Entstehung mittlerweile weit vor die Industrialisierungsepoche und die Moderne zurückverlegt wurde, und auf der anderen Seite um einen Trend in der Architekturgeschichte, den man als Wiederentdeckung der Opulenz titulieren könnte. Während in der zeitgenössischen Architektur die computergenerierte, von Bild her entwickelte Medienfassade gefeiert wird, ist man in der Architekturforschung dem Ornament und mit ihm den teuren Objekten der Innenausstattung auf der Spur. Eine der zentralen, von Alina Payne vorgetragenen Beweisführungen lautet, dass sich das wandgebundene Ornament als Möbel- und Objektdesign in den Raum des Interieurs hinein auf den Weg gemacht habe. [1]
An dieser Stelle des historischen Befundes setzt das Buch von Robin Schuldenfrei methodisch an, wobei sie das Architektur-Objekt-Verhältnis nunmehr mit argumentativer Verve in den zeitgenössischen Diskurs über den Wohnluxus einbindet. Die aus der Dissertation hervorgegangene Studie widmet sich den beiden Produktionssparten von Architektur und Produktdesign in Deutschland in den drei Jahrzehnten zwischen 1900 und dem Ende der Weimarer Republik. Die klassische Moderne habe, so die These des Buches, Wohnhäuser und Konsumobjekte für reiche Leute hervorgebracht, während utopische Zielsetzungen und demokratische Ideen eine "Begleiterscheinung" der Luxusproduktion gewesen seien. Damit wäre in der Moderne, so lässt sich das implizit verstehen, die soziale Agenda weitgehend Rhetorik gewesen.
Im Grunde handelt es sich bei Schuldenfreis Ausgangsüberlegung zunächst einmal um eine Angelegenheit der historischen Perspektivierung und um eine unverkennbar polemische Zuspitzung auf die Moderne hin. Denn Architektur und Luxus gehören historisch von jeher zusammen. Versteht man unter Luxus das materielle Ergebnis eines Habitus, bei dem die Konformität mit Normen und Konventionen sowie der unmittelbar praktische Nutzen zurückstellt werden zugunsten eines Prestigegewinns durch Exklusivität und demonstrative Verschwendung, so erweist sich für diese Verhaltensform die Architektur als ein bevorzugtes Medium der Außendarstellung. Luxuskonsumtion ist nicht nur nahe am Reichtum gebaut, sondern auch auf Sichtbarkeit in größerem Stil angewiesen. Wenn heutzutage reiche Leute verlauten lassen, es sei für sie Luxus "Zeit zu haben", dann bringen sie Luxus und Privileg durcheinander. Historisch stellt sich beim Luxus freilich das Problem der Quantifizierung in unterschiedlichen Epochen, für die dann recht diffizile Faktoren gegeneinander abzuwägen wären. Seit dem späteren 19. Jahrhundert betrifft das auf der Seite der Investition in Konsumtionsmittel die kapitalistische Wirtschaftsform, in Bezug auf Statusstratifikationen stellt sich die Frage nach den sozialen Schichten in der bürgerlichen Gesellschaft, und im Hinblick auf die Herstellung von Luxusgütern geht es um industrielle Produktionsweisen. Schuldenfrei setzt bei ihrer Definition von Luxus ganz auf das Referat zeitgenössischer Quellen - ganz im Trend aktueller Architekturforschung sind Werner Sombart und Walter Benjamin die Kronzeugen - verzichtet jedoch auf eine systematische Ausarbeitung des Begriffs.
Man wird dafür in gewissem Maße entschädigt durch die konsequente Disposition des Buches. Bei der Lektüre nimmt man nicht ohne Verblüffung zur Kenntnis, wie die Autorin ihre Ausgangsthese in materialreichen Belegketten zu übermitteln und sich in einem von der internationalen Forschung schon intensiv bewirtschafteten Bereich eigene Pfade zu erschließen vermag. Die sechs Kapitel der Studie sind jeweils mit Leitbegriffen überschrieben, welche verschiedene Aspekte der Luxusproduktion kennzeichnen und sich darüber hinaus als analytische Zugänge für die historisch gegebenen Einzelthemen eignen.
Unter den Vorzeichen von "Consumption" widmet sich das erste Kapitel den Entwürfen von Peter Behrens für die Berliner Verkaufsräume der AEG. Hier wird besonders die kostspielige Elektrifizierung der Räume in den Blick genommen, die nicht nur die technische Voraussetzung für Leuchtreklamen, illuminierte Schaufenster und Verkaufsräume war, sondern auch für den Gebrauch der von der Firma vertriebenen Haushaltsgeräte. "Objectivity" umschreibt im folgenden Abschnitt den ausgesprochen "sachlichen" Stil, den der Werkbund für Schaufensterdekorationen forderte. Bühnenbildhafte Szenerien früherer Auslagen in den Kaufhäusern bis zur Jahrhundertwende wollte man hinter sich lassen, favorisiert wurde nun eine visuelle Organisation im "Stapelfenster". Bisweilen sahen die Warengestelle wie veritable Hochhausmodelle oder wie städtischen Platzbebauungen im Miniaturformat aus. Das Arrangement der Waren erfolgte in geometrischen Mustern. So sollte den Kunden und Kundinnen die serielle Herstellung der Produkte immerhin suggeriert werden, auch wenn es sich weiterhin noch um teure Einzelanfertigungen handelte. Dies war auch bei der Ausstattung des Musterhauses am Horn in Weimar der Fall, das vom Bauhaus 1923 realisiert wurde. In dem "Capital" überschriebenen Abschnitt arbeitet Schuldenfrei das Dilemma heraus, dass mit dem Bauprojekt aufgrund der mitten in der Wirtschaftskrise unumgänglichen Finanzierung durch Industrieunternehmen letztlich nur ein Schauraum für Luxusprodukte heraus kam, obgleich ein Serienhaus mit einer erschwinglichen Ausstattung mit Massenware geplant war. Im folgenden Kapitel "Production" bleibt die Autorin beim Bauhausdesign, konzentriert sich hier jedoch auf die Frage der Reproduktion. Konstatiert wird eine schon von den Zeitgenossen verhandelte Aporie, wie sich die weiterhin geforderte "Aura" des kunstgewerblichen Objekts mit dem seriell hergestellten Produkt vereinbaren lasse.
Die beiden letzten Kapitel "Subjectivity" und "Interiority" widmen sich den berühmten Villenbauten aus den späteren 1920er Jahren von Ludwig Mies van der Rohe, den Landhäusern Lange und Esters in Krefeld sowie dem Haus Tugendhat in Brünn. Hier ist mit der Zugehörigkeit der Bauherrn zur Schicht des Unternehmermilieus Reichtum vorausgesetzt. In ihrer Analyse der Bauten konzentriert sich Schuldenfrei auf die wirkungsästhetischen Absichten bei der gleichzeitigen Verwendung von Elementen aus synthetischen Materialien (Chromstützen, Glaswände) und erlesenen Naturmaterialien (Naturstein, Tropenhölzer). Sie zeigt, wie die Kontraste zwischen beiden Materialklassen von Mies dazu eingesetzt werden, räumliche Rahmensituationen herzustellen, und wie darüber hinaus die Materialien gleichsam bildhaft Verwendung finden, um die Subjektivierung der Wahrnehmung zu steigern: In den schönen, meist spiegelnden Oberflächen können sich Bewohner und Bewohnerinnen in ihrem Luxusreich narzisstisch bestätigt finden. Es handelt sich, über die pragmatische Nutzerfüllung der Architektur hinaus, um einen auf die Repräsentation gerichteten Funktionalismus zweiter Ordnung.
Schuldenfreis gehaltvolles Buch entfaltet - wie der Luxus als dessen Thema - eine suggestive, verführerische Kraft. Dazu tragen neben dem resoluten Argumentationsstil der Autorin die Fülle empirischer Belege ebenso bei wie die luxuriöse Ausstattung des Buches mit prachtvollen Abbildungen, welche die ephemere, längst vergangene Warenwelt gestern mit dem Blick in die Schaufenster illustrieren. Das Verdienst des Buches liegt methodisch nicht zuletzt darin, dass es auf die mediale Selbstbezüglichkeit von Architektur aufmerksam macht. So wie es sich beim Luxus um eine demonstrativ berechnende Verhaltensform handelt, so spielt die von ihm hervorgebrachten Architektur ihre demonstrativen Eigenschaften als Medienensemble aus.
Und die starke Behauptung von der Luxusmoderne? Auf eine dialektische Durcharbeitung ihres Arguments, die der Eliten- die Massenperspektive gegenüber stellen würde, lässt sich Schuldenfrei nicht ein. Denn so sicher wie Rathenau, Osthaus oder Muthesius nun einmal keine Kleinbürger waren und auch im Rahmen ihrer kulturpolitischen Verantwortlichkeiten nicht unbedingt über sie nachdachten, so wenig verwundert es als Kalkül der Marktbehauptung, dass die Architekten der Zeit ihre Klientel und Unterstützer aus der Schicht der Vermögenden suchten. Adolf Loos konnte gut mit dem Ruf leben, "ein Architekt für eine geringe Anzahl womöglich bodenlos reicher und fantasievoller Leute" zu sein, wie ihm eine seiner Bauherrinnen, die Künstlerin Greta Knutson-Tzara, attestierte. Umgekehrt ist eine an breitere Schichten adressierte soziale Agenda, wie sie sich in Massenproduktion, Massenkonsum, Wohnungs- und Städtebau dokumentiert, keineswegs hinfällig geworden. Auch auf entwurfstheoretischer Ebene steht einer demonstrativen Architektur ein Konzept gegenüber, das einen Funktionalismus zugrunde legt, welcher nicht von privilegierten Verhaltensfreiräumen, sondern von allgemein verbindlichen, sozial kodierten Handlungsroutinen ausgeht.
Man sollte das Buch über die Luxusmoderne als komplementäre Ergänzung zu dieser gesellschaftlichen Agenda lesen. Robin Schuldenfrei hat jedoch ihre Untersuchung so gründlich recherchiert, dass sie die Gegenthese in vielen Andeutungen mitliefert.
Anmerkung:
[1] Alina Payne: From Ornament to Object: Genealogies of Architectural Modernism, New Haven / London 2012; als Forschungsbericht Dietrich Erben: Das Ornament tritt zum Rapport an. Neuere Monographien zur Architekturornamentik in Moderne und Gegenwart, in: Kunstchronik 72 (2019), 326-339.
Dietrich Erben