Alison I. Beach / Isabelle Cochelin (eds.): The Cambridge History of Medieval Monasticism in the Latin West, Cambridge: Cambridge University Press 2020, 2 vol., 1217 S., 25 s/w-Abb., ISBN 978-1-107-04211-7, GBP 290,00
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Matthew Doyle: Peter Lombard and His Students, Toronto: Pontifical Institute of Mediaeval Studies 2016
Nach Jahrzehnten intensiver Forschungs- und Publikationstätigkeit war die Zeit reif für ein neues Handbuch zur mittelalterlichen Ordensgeschichte. Alison I. Beach und Isabelle Cochelin haben sich der Herausforderung gestellt: Ergebnis ist die zweibändige History of Medieval Monasticism in the Latin West, die - so der ganz und gar unbescheidene Wunsch - "the most comprehensive treatment of late antique and medieval monasticism in the Latin West published to date" (15) liefern soll. So viel sei vorweggenommen: Dieser Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Viele haben zum Gelingen des 64 Kapitel umfassenden Gemeinschaftswerks beigetragen: Von den mehr als 80 Autoren, allesamt ausgewiesene Kenner ihres Fachs, sind rund zwei Drittel Historiker, ein weiteres Drittel verteilt sich auf so relevante Disziplinen wie Archäologie, Kunst, Musik-, Sprach- und Literaturwissenschaften und natürlich Theologie.
Die beiden Bände sind in vier große, der Chronologie folgende Sektionen unterteilt (Band I: 1. Anfänge-8. Jahrhundert; 2. Karolinger-11. Jahrhundert; Band II: 3. Das "lange" 12. Jahrhundert; 4. das späte Mittelalter). Am Beginn jeder der vier Sektionen stehen jeweils zwei einleitende Überblicksbeiträge: zum einen ein historiographischer Essay, in dem die großen Forschungslinien der Vergangenheit nachgezeichnet und Forschungsdesiderate formuliert werden, zum anderen eine Darstellung der für die Periode relevanten Quellenbestände. In den einzelnen Beiträgen sollte - so der Wunsch der Herausgeberinnen - die "vitality and diversity of monastic life through spaces and across centuries" (5) zur Darstellung kommen. Artikel, die sich einzelnen Orden bzw. religiösen Gemeinschaften widmen, findet man deshalb nicht. Insbesondere mit Blick auf die Benediktiner, auf die mittels Begrifflichkeiten wie "black monks" oder "traditional monasticism" verwiesen wird, vermeidet man alles, was auf Einheit bzw. Uniformität verweisen könnte, die ja tatsächlich erst im späteren Mittelalter langsam entstand. Im Zentrum der Betrachtungen stehen all die Themenbereiche, die monastisches Leben ausmachen, wobei das Substantiv "monastic" definitorisch auf Personen verweist, "who were devoted to contemplation and prayer, generally with an element of separation from society" (7). Dies schließt den Blick auf die im 13. Jahrhundert entstehenden Bettelorden mit ihrer Konzentration auf (städtischer) Pastoral und Predigt zwar eigentlich aus, doch erhalten sie auch in der vorliegenden Publikation ihren Raum: zu eng waren im späten Mittelalter die Beziehungen zwischen Vertreten des "klassischen" Mönchtums und den Mendikanten.
Eine Stärke der Bände liegt in der Berücksichtigung der weiblichen vita religiosa. Einzelne, ausschließlich Frauen gewidmete Beiträge sind eine rare Spezies (I, cap. 11 mit einer Beschreibung weiblicher Asketinnen des 4.-12. Jahrhunderts; II, cap. 56 mit einer Analyse der weiblichen vita religiosa im 12. und 13. Jahrhundert) - eine kluge editorische Entscheidung, wird damit doch klar vor Augen geführt, dass Frauen von Beginn an Teil der monastischen Bewegung(en) waren und dabei (anders als vom Großteil der Forschung noch immer suggeriert) eben nicht immer als Problem und Störfaktor begriffen wurden. Die Grenzen zwischen Eremitentum und Cönobitentum waren im Fall der feminae religiosae erstaunlich durchlässig, worauf in vielen Beiträgen immer wieder hingewiesen wird.
Das griechische Mönchtum wird in den Beiträgen bis zum 8. Jahrhundert miteinbezogen - spätestens zu diesem Zeitpunkt waren die Unterschiede zwischen den griechischen und lateinischen Ausprägungen aber so groß geworden, dass sich die Herausgeber gegen eine weitere Berücksichtigung entschieden haben. Selbstverständlich bedeutet dies aber nicht den Verzicht auf eine Beschreibung der Interaktionen zwischen Byzanz und dem Westen auf monastischem Gebiet, was Michel Kaplan in seinem Beitrag über die Wirtschaftsführung in byzantinischen Klöstern (I, c. 17), Emilia Jamroziak in ihren Ausführungen über das Mönchtum im östlichen Mitteleuropa (II, c. 48) demonstriert.
Berücksichtigt werden nicht nur die Kernräume des Mönchtums, sondern auch die geographischen "Ränder" wie Irland (Lisa Bitel; Colmán Ó Clabaigh) oder Südspanien (Pablo Díaz). Damit wird der großen Vielfalt monastischer Lebensentwürfe Rechnung getragen.
Gebet und opus divinum standen stets im Zentrum monastischer Existenz und so ist es nur folgerichtig, dass sich allein sechs Artikel mit liturgischen Fragen auseinandersetzen (I, cap. 6; I, cap. 14; I, cap. 21; II, cap. 39; II, cap. 43; II, c. 52). Liturgie bildete nicht nur die Hauptquelle für Gebete und kontemplative Übungen, sondern war stets auch eng verbunden mit der Identität und dem historischen Selbstbewusstsein einer monastischen Kommunität. Dazu gehören auch musikalische Aspekte, auf die gerade mit Blick auf das späte Mittelalter mit dem langsamen Einzug von Instrumenten ins Kloster noch etwas stärker hätte eingegangen werden können.
Auffällig ist, dass das späte Mittelalter von keinem der Autoren mehr als Verfallszeit begriffen wird. Während in der Einleitung zur IV. Sektion vom "imperative need to abandon the simplistic image of an old-fashioned late medieval monasticism in decline" (II, 939) gesprochen wird, macht Bert Roest darauf aufmerksam (II, cap. 64), dass Reformen und Regulierungen nicht unbedingt als Zeichen des Verfalls, sondern als Bestätigung eines professionell vollzogenen Wandels weg vom Charisma einzelner Personen hin zu einer Gesellschaft, die der Kraft regulierter Institutionen und Verwaltungsstrukturen vertraut, verstanden werden können. Roest ist es auch, der Forschungen zum "Sitz im Leben" der spätmittelalterlichen Klöster in ihrem (städtischen) Umfeld anmahnt - "a localized histoire totale perspective" (926) - und damit den Boden für die Ausführungen von Sigrid Hirbodian bereitet, die (einer nicht-deutschen Leserschaft) die Leistungsfähigkeit der deutschen Landesgeschichtsforschung mit ihrem Zugriff auf große, auf einen bestimmten Raum beschränkte Quellenmassen vor Augen führt (II, cap. 62). Der "Sitz im Leben" spielt auch in weiteren Kapiteln eine Rolle, beispielsweise dann, wenn wie bei Christian D. Knudsen und Isabelle Cochelin (II, cap. 60; I, cap. 28) das Alltagsleben in den Klöstern in den Blick genommen oder wie im Beitrag von Sita Steckel (II, cap. 63) auf die Außenwahrnehmung des monastischen Lebens im Medium der Satire rekurriert wird.
Einige Kapitel behandeln Bildungsaspekte, widmen sich wie John J. Contreni dem Phänomen karolingischer Klosterschulen (I, cap. 23), fragen wie James G. Clark nach der Präsenz von Mönchen an den Universitäten (II, cap. 58) oder nach der Bedeutung des "neuen" Massenmediums Predigt innerhalb und außerhalb des Klosters (II, cap. 28; II, cap. 61).
Die Publikation ist durch eine hohe Zahl von internen Verweisen gekennzeichnet. Im Zusammenspiel mit dem detaillierten und sorgfältig gearbeiteten Index (Orte, Namen, Sachen) lassen sich so Informationen, die für unterschiedliche Bereiche relevant sein könnten, einfach aufspüren und miteinander verbinden.
Auf Marc Bloch geht die Bemerkung zurück, ein guter Historiker sei "wie der Menschenfresser aus dem Märchen. Dort, wo er menschliches Fleisch wittert, weiß er seine Beute nicht weit." [1] In vorliegender Publikation haben sehr viele dieser "Menschenfresser" ihr Können unter Beweis gestellt und immer wieder verdeutlicht, dass das Mönchtum westlicher Prägung "a very exciting and rich field of research indeed" (923) ist. Das Handbuch, das (unter Einbeziehung aller möglichen turns der vergangenen Jahrzehnte) den aktuellen status quo der Forschung zuverlässig abbildet, wird durch das regelmäßige Aufzeigen von Forschungsdesideraten in Zukunft sicherlich viele weitere Forschungsarbeiten anregen. Klug konzipiert und gut geschrieben ist es nicht nur für die große Schar der mediävistisch ausgewiesenen Ordens- und Kirchenhistoriker, sondern grundsätzlich für all diejenigen von Bedeutung, die sich damit beschäftigen, wie Europa zu dem geworden ist, was es ist. Ein neues Standardwerk, unbedingt lesenswert.
Anmerkung:
[1] Marc Bloch: Apologie der Geschichte oder Der Beruf des Historikers, München 1985, 25.
Ralf Lützelschwab