Adrastos Omissi / Alan J. Ross (eds.): Imperial Panegyric from Diocletian to Honorius (= Translated Texts for Historians, Contexts), Liverpool: Liverpool University Press 2020, VI + 296 S., ISBN 978-1-78962-110-5, GBP 80,00
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"Imperial Panegyric from Diocletian to Honorius" bietet ein ganzes Kaleidoskop von tiefgreifenden Analysen zu Festreden auf den Kaiser (und andere Mitglieder des Hofes) im 'langen' 4. Jh. n. Chr. Der Sammelband ist Ergebnis einer Tagung, die 2016 in Dublin ausgerichtet wurde, zugleich aber auch als Auftakt zu einer geplanten "Salve" von Publikationen zur panegyrischen Kultur der Spätantike (3) konzipiert. Im Zentrum soll dabei ein komparatistischer Ansatz stehen, in der zutreffenden Erkenntnis, dass viele (nicht alle!) bisherigen Auseinandersetzungen mit der Materie entweder der lateinischen oder der griechischen Panegyrik galten. Entsprechend ist der Band angelegt: Von den Panegyrici Latini über Eusebios von Caesarea, Julian und Themistios bis hin zu Symmachus und Claudian sind Festreden aus ganz unterschiedlichen Kontexten Gegenstand der Untersuchungen geworden. Leicht könnte eine so große Spannbreite, gepaart mit hochspezialisierten Fragestellungen, zu einer heillosen Fragmentierung eines solchen Vorhabens führen. Es ist den Herausgebern daher hoch anzurechnen, dass sie eine konzentrierte Einleitung vorgelegt haben, die den roten Faden klar herauspräpariert. Extrem hilfreich für die weitere Beschäftigung mit dem Genre ist auch der Appendix, der nicht nur einen Überblick über die - immerhin mehr als 60 - überlieferten Festreden des Untersuchungszeitraums gibt, sondern auch Editionen, Übersetzungen und Kommentarwerke auflistet.
Methodisch ist der Band ganz auf der Höhe der Forschungsdiskussion. Das gilt für die Erweiterung der von Guy Sabbah vor nunmehr fast 40 Jahren herausgearbeiteten panegyrischen Kombination von "communication descendante" und "communication ascendante", wobei der Redner als Transmissionsriemen in beide Richtungen fungiert, um den Aspekt der auktorialen Selbstinszenierung. Es gilt aber auch für einen schärferen Fokus auf die Rolle des Publikums, für den Panegyricus als Sprechakt sowie für text-rhetorische Strategien der Hörer- bzw. Leserlenkung. Es geht um Fragen der "Kolonisierung" dieses Genres durch christliche Autoren, aber auch um die Bedeutung der Rhetorik-Theorie für die Gestaltung der individuellen Ansprachen. Panegyrische Texte werden als Fenster auf die politische Kultur ihrer Entstehungszeit gelesen; zugleich aber gerät ihr Status als Rohmaterial für die spätantike Historiographie stärker in den Blick.
Den Auftakt setzt Laurent Pernot, der sich grundlegend dem Begriff "Panegyrik" zuwendet: Seit dessen Prägung durch Isokrates schwang nicht nur der Bezug auf ein (konkretes) Fest, sondern auch ein 'beratendes' Element mit - in Reden vor dem bzw. auf den Herrscher durchaus im Sinne eines Fürstenspiegels -, auch wenn der Terminus ab dem 1. Jh. v. Chr. oft schlicht gleichbedeutend mit "epideiktisch" benutzt wurde. Sowohl die häufige Funktion dieses Genres als "consensus builder" (38) als auch die Möglichkeit zu versteckter Kritik spiegele sich mithin in der Begriffsgeschichte.
Anhand einer eingehenden Untersuchung der Prosopopoeia arbeitet Roger Rees deren Bedeutung für die oratorische Performanz heraus, erlaubte sie doch durch entsprechende Modulationen Dramatisierung und damit Affizierung des Publikums. Zudem erweisen sich in dieser Hinsicht die gallischen Panegyrici Latini als ein "relatively hermetic ecosystem" (61) von Rückbezügen, deren Prägekraft sich stärker auswirkte als Vorgaben der Rhetorik-Theorie.
Im Ostteil des Imperiums scheint hingegen die Handbuchliteratur stärkeren Einfluss besessen zu haben - bis hin zu kreativen, fast subversiven Bezugnahmen in einzelnen Reden. So liest Grammatiki Karla Libanios' or. 59 als einen Hypertext zum epideiktischen Handbuch des Menander Rhetor. Sie kann zeigen, wie die Auseinandersetzung mit Menander die gesamte Rede durchzieht und von Libanios zur eigenen Profilierung als Redner/Rhetor genutzt wird. Der Beitrag belegt, wieviel Potential in einer intertextuellen Lektüre panegyrischer Texte noch immer steckt.
Mit dem Lob von weiblichen Mitgliedern des Herrscherhauses beschäftigt sich Belinda Washington in ihrer Gegenüberstellung von Julians gratiarum actio an Eusebia (or. 3) und der Laus Serenae Claudians. Ganz im Vordergrund beider Reden stehen die jeweiligen Qualitäten als Ehefrauen. Während Serena bei Claudian eher die Vorzüge ihres Gatten zu spiegeln scheint, wird Eusebia als komplementär zu ihrem Ehemann dargestellt - so wie Washington generell or. 3 als Seitenstück zu Julians Lob auf Constantius II. in or. 1 ansieht.
Julian nimmt auch Shaun Tougher in den Blick, wenn er dessen bereits erwähnte Panegyriken auf Constantius II. und Eusebia (or. 1 und 3, hier erweitert um or. 2) mit der Dankesrede des Mamertinus hinsichtlich der Darstellung unmittelbarer Zeitgeschichte vergleicht. Nicht zuletzt bei der Charakterisierung der Frauen des konstantinischen Hauses macht er Differenzen aus. Diese seien primär auf den unterschiedlichen politischen Kontext zurückzuführen: Julian verfasste seine Lobreden noch als Caesar, während Mamertinus' Ansprache bereits in die Zeit der Alleinherrschaft fällt.
James Corke-Webster widmet sich den "panegyrischen Experimenten" Eusebs. Mit Kirchengeschichte (insb. Buch 10), Tricennalienrede und Vita Constantini habe der Bischof neues panegyrisches Territorium betreten. Dabei falle vor allem die Verwischung der Rollenprofile auf. Nicht mehr der Kaiser sei zentraler Gegenstand des Preises, sondern Gott - ja, Konstantin selbst wird als Panegyrist Gottes dargestellt. Die Bischöfe hingegen erscheinen als die eigentlichen Protagonisten einer neuen Rhetorik, einem Amalgam aus Hymnos und Panegyrikos. Diese Strategie kulminiere in der Vita, wenn Euseb schließlich von Konstantin als koinos episkopos spreche. Die einschlägigen Texte des Kirchenmannes seien daher primär als Versuch zu lesen, das Verhältnis von Kaiser und Bischöfen - zugunsten letzterer - zu klären.
Neuplatonismus in den Festreden adressiert Diederik Burgersdijk mit dem Ziel, die gallische Panegyrik um 300 n. Chr. in ihrem zeitgenössischen intellektuellen Umfeld genauer zu verorten. Burgersdijk begreift die rhetorischen Formeln des Kaisers als praesens deus, des handlungsleitenden instinctus divinus und der hilfreichen dii minores etc. als Übernahmen aus der neuplatonischen politischen Philosophie. Ähnliches gelte auch für die spezifische Präsentation der kaiserlichen virtutes bei Nazarius.
Mit den oft vernachlässigten Panegyriken des Symmachus und Ausonius beschäftigt sich Robert R. Chenault. Eines der zentralen Themen ist für ihn das Verhältnis zwischen der alten Hauptstadt Rom und den Residenzen im dezentralisierten Reich, hier vor allem Trier, Schauplatz aller drei behandelten Reden. Im Vergleich der beiden Senatoren wird deutlich, wie Symmachus es in der Auswahl der exempla verstand, subtil eine römische Perspektive zum Tragen zu bringen.
Adrastos Omissi erschließt die spätantiken Festreden als zeitgenössische Quellen für Bürgerkrieg und Usurpationen. Immerhin ein gutes Drittel der aus dem Untersuchungszeitraum überlieferten Panegyriken berührten diesen Themenkreis. Omissi betont die zeitliche und oft auch räumliche Nähe der Redner und ihres Publikums zu den beschriebenen Ereignissen und zeigt, wie durch geschickte Auswahl des Materials aktuelle Entwicklungen effizient perspektiviert wurden.
Die Gotenpolitik des Theodosius wird von Robert Stone durch die Brille des Themistios betrachtet: Wie gelang es diesem Redner, das Foedus von 382 einem Publikum plausibel zu machen, dem kurz zuvor die Barbaren noch als Erzfeinde römischer Zivilisation präsentiert worden waren? Stone analysiert die 14., 15. und 16. Rede des Themistios und kann allein schon an der Parallelisierung des Kaisers zuerst mit Achill, dann Agamemnon und schließlich Orpheus zeigen, wie in der Abfolge dieser Ansprachen aus der Behauptung baldiger militärischer Unterwerfung gesetzloser Banditen das Bild einer friedlichen Bekehrung der (einstigen) Angstgegner zu Bauern, Soldaten und Steuerzahlern wurde.
Im letzten Beitrag des Bandes beschäftigt sich schließlich Alan Ross mit der "rhetorical role" (257) des Publikums. Ausgehend von Libanios (or. 1 u. 12) werden Techniken herausgearbeitet, wie der Redner durch die Vorwegnahme von Publikumsreaktionen eben diese provozierte, insb. durch den Hinweis auf den Kaiser als Beobachter. Auch der Gebrauch der 1. Person Pluralis dient der Einbeziehung des Auditoriums und nimmt in Wendungen wie vidimus oder mirabamur die Zuhörer als (Augen-)Zeugen in Mitverantwortung für die Aussagen über Taten und Tugenden der Herrscher. An weiteren Beispielen (Pacatus, Ausonius, Mamertinus) verdeutlicht Ross überzeugend diese panegyrische Technik des "scripting a part for their audience" (276).
Insgesamt bietet der Band einen guten Einblick in aktuelle Forschungstrends zur spätantiken Panegyrik. Er ist allerdings keine Hinführung an das Genre im engeren Sinne, wie die Zugehörigkeit zur Reihe "Translated Texts für Historians - Contexts" vermuten lassen könnte. Mit Spannung darf beobachtet werden, wie sich insbesondere der komparatistische Ansatz weiter entwickeln wird.
Christian Reitzenstein-Ronning