Katrin Keller: Die Kaiserin. Reich, Ritual und Dynastie, Wien: Böhlau 2021, 429 S., 45 Abb., 8 Tbl., ISBN 978-3-205-21337-6, EUR 45,00
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Über die Kaiserinnen des frühneuzeitlichen Römisch-deutschen Reiches weiß man wenig. Katrin Keller möchte mit ihrem Buch nicht nur diese Wissenslücke schließen, sondern eine "Geschlechtergeschichte des Reiches" schreiben (17). Sie hat dazu eine Fülle archivalischen und gedruckten Quellenmaterials herangezogen und in vier großen Kapiteln detailliert ausgebreitet. Jedes Kapitel orientiert sich an einer anderen Quellengattung: Es geht um die Thematisierung der Kaiserin in der Reichspublizistik, in den Krönungsakten und -diarien, in den Nachrichtenmedien und schließlich in den persönlichen Korrespondenzen. Der chronologische Rahmen spannt sich von Bianca Maria Sforza, der zweiten Gattin Maximilians I., bis zu Maria Amalia, der Ehefrau des Wittelsbacher Kaisers Karl VII. Maria Theresia, die in vieler Hinsicht eine aufschlussreiche Ausnahme war, wird nicht mehr behandelt.
Die Kaiserwürde im Reich war bekanntlich durch eine Spannung zwischen formaler Wahl und (bis 1742) faktischer dynastischer Kontinuität im Haus Habsburg gekennzeichnet. Das ist geschlechtergeschichtlich relevant, denn wo Herrschaft auf dynastischer Reproduktion in monogamer Ehe beruht, kommt den Ehefrauen der Herrscher eine konstitutive Rolle zu, während das bei Wahlmonarchien nicht der Fall ist. Im Reich war es nicht die eheliche Fruchtbarkeit der Kaisergattin, die die Thronfolge bestimmte, sondern der eifersüchtig gehütete freie Wahlakt der Kurfürsten. So erklärt sich, dass in der Goldenen Bulle die Krönung der Königin bzw. Kaiserin nicht geregelt wird und die Kaiserinnen in der Frühen Neuzeit - anders als die Königinnen im Hochmittelalter - zunächst nicht gekrönt wurden. Als das 1612 mit Anna von Tirol, der Ehefrau des Kaisers Matthias, erstmals anders gehalten wurde, ließen sich die Kurfürsten denn auch ausdrücklich zusichern, dass damit keine "Erbgerechtigkeit", d.h. dynastische Aneignung der Kaiserwürde, angestrebt werde.
Reichsrechtlich stand fest, dass eine Kaiserin ihren Status allein der Ehe mit dem Kaiser verdankte und eine Krönung dazu nicht erforderlich war. Fest stand auch, dass sie nur an Ehre, Rang und Würde des Kaisers, nicht aber an dessen Herrschaftsrechten Anteil habe, weil eine Frau zur Herrschaft bekanntlich aufgrund ihrer Natur nicht geeignet sei. Die Juristen diskutierten das Problem der weiblichen Teilhabe an der Majestät unter anderem anhand der Frage, ob die Kaiserin Gegenstand eines crimen laesae maiestatis sein könne. Wenn sie das bejahten, dann mit dem Argument, dass Mann und Frau durch die Ehe Teile eines Körpers seien und die Verletzung der Majestät der Kaiserin daher stets dem Kaiser selbst gelte. Damit befanden sich die Juristen ganz in Übereinstimmung mit der zeitgenössischen Geschlechterhierarchie.
Kellers Bestandsaufnahme der Erwähnung der Kaiserin in der Reichspublizistik fördert noch allerlei andere Fundstücke zutage, die kaum auf einen systematischen Nenner zu bringen sind. Das hängt mit dem antiquarischen, oft hermetischen Charakter dieses juristischen Gelehrtendiskurses zusammen, der bis weit ins 18. Jahrhundert hinein antik-römische, mittelalterliche und neuzeitliche Allegationen aneinanderreihte und kommentierte, ohne sich um die faktische Relevanz für die Gegenwart zu kümmern. Die Addition all dieser reichspublizistischen Fundstücke ist daher für die Frage nach der Rolle der Kaisergattin in der Frühen Neuzeit nur von begrenzter Aussagekraft.
Eine Fülle von bisher unbekannten archivalischen Details hat Keller auch über die Kaiserinnenkrönung zusammengetragen, die in der Frühen Neuzeit nicht mehr mit der Krönung des Kaisers Hand in Hand ging. Keineswegs alle Kaisergattinnen wurden dieses sakralen Rituals gewürdigt, nur Anna von Tirol (1612), Eleonora Gonzaga (1630), Maria Anna (1637), Eleonora Gonzaga-Nevers (1653), Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg (1690) und Maria Amalia (1742). Warum man überhaupt 1612 an die abgerissene mittelalterliche Tradition wieder anknüpfte und in anderen Fällen wiederum darauf verzichtete, darauf hat Keller in ihren Quellen keine Antwort gefunden. Es scheint, dass das Kaiserpaar gelegentlich eine gemeinsame Reise "ins Reich" für ein solches Spektakel nutzte, um den Glanz, die Sakralität und Katholizität der Kaiserwürde zu unterstreichen. Mit der Krönung Eleonora Gonzagas 1630 beispielsweise wollte man Ferdinand II. die politische Niederlage des Regensburger Kurfürstentags ein wenig versüßen, wie der Chronist Khevenhüller urteilte (111). Die äußerst gründliche Auswertung einer Fülle von Zeremonialakten und -diarien zeigt, dass der Kern des Rituals von 1612 bis 1742 im Wesentlichen unverändert blieb, während man in den Details flexibel war. Auch die Kaiserinnenkrönung war selbstverständlich ein Schauplatz reichsständischer und dynastischer Statusinszenierungen und blieb daher von den notorischen Zeremonialkonflikten nicht verschont. Jahrhundertelang kämpfte etwa der Fürstabt von Fulda als Erzkanzler der Kaiserin um das Recht, bei deren Krönung persönlich Hand anzulegen. Das sagt allerdings mehr über die Statusprobleme der Reichsprälaten als über die Geschlechterordnung im Reich. Insgesamt spielte die Kaiserinnenkrönung für die Kaiserwürde eine eher marginale Rolle. Keller bilanziert zu Recht, dass der Status der Kaiserin in jeder Hinsicht ein abgeleiteter war (so 154). Die an anderer Stelle formulierte These, im Krönungsritual sei auch die Kaiserin "als zur Herrschaftsausübung befähigt kommuniziert" worden (85), steht hingegen im Widerspruch zu den zeitgenössischen Aussagen und lässt sich aus den hier ausgewerteten Quellen nicht begründen.
Das umfangreiche dritte Kapitel widmet sich der Darstellung der Kaiserin in allen möglichen Medien - Einblattdrucken, Flugschriften, Chroniken, Zeitungen, Krönungsdiarien, aber auch Porträts und Medaillen. Dabei geht es Keller vor allem um die Inhalte, weniger um die medialen Formen als solche. Es stellt sich heraus, dass die Kaiserinnen in der Regel anlässlich von Krönungen, Hochzeiten, Entbindungen und Beisetzungen im Kaiserhaus Erwähnung fanden, Ereignissen also, bei denen sie an der Seite des Kaisers auftraten und die reichsrechtliche sich von der dynastischen Ebene kaum trennen ließ.
Das vierte Kapitel schließlich befasst sich mit den politischen Handlungsfeldern der Kaiserinnen. Hier kann Keller an ihre früheren Forschungen zu Reichsfürstinnen anknüpfen und zeigen, dass Kaisergattinnen - wie andere Fürstengattinnen auch - bei Hof vielfältig politisch eingebunden waren. Die Archivlage ist dadurch beeinträchtigt, dass man im 19. Jahrhundert Kaiserinnenbriefe gern als "Privatbriefe" aussortierte. Keller kann aber exemplarisch vor allem anhand des Briefregisters von Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg zeigen, dass Kaiserinnen Audienzen gaben, Patenschaften übernahmen, umfangreiche Korrespondenzen pflegten und zugunsten von Bittstellern intervenierten, also eine zentrale Rolle im höfischen Patronagesystem spielten und sich dabei keineswegs auf die engere Familie beschränkten. Dabei ließen sich Reichspolitik und dynastische Politik in der Regel kaum trennen, denn das ganze Reich war ja zugleich ein verzweigtes hochadeliges Verwandtschaftsnetzwerk. Es gab aber auch Fälle, in denen das Reichsrecht dem Handlungsspielraum einer Kaiserin klare Grenzen zog. Übernahm sie beispielsweise die Regentschaft für ihren Sohn, wie die Kaiserin-Witwe Eleonora es 1711 tat, so bewegte sie sich damit ausschließlich auf der Ebene dynastischer Herrschaft; auf Reichsebene trat im Fall der Vakanz das Reichsvikariat ein. Um die Handlungschancen einer Kaiserin als Kaiserin schärfer von denen anderer Fürstinnen zu unterscheiden, hätte man sich die Analyse weiterer solcher Bruchstellen gewünscht, wo die Ebenen von Reich und Dynastie eben nicht stillschweigend in eins gesetzt wurden, sondern Rollenkonflikte zwischen Kaiserin und Habsburgerin sich auftaten. So war es etwa bei Maria Theresia immer wieder der Fall; deshalb ist es bedauerlich, dass gerade ihre Regierungszeit nicht in die Untersuchung einbezogen worden ist.
"Die Kaiserin" ist eine reiche Fundgrube, nicht zuletzt wegen der umfangreichen Bibliographie, die durch ein online-Forschungsportal mit Datenbank ergänzt wird. Indem Keller die Wissenslücken über die Frau des Kaisers schließt, schreibt sie Frauengeschichte im besten Sinne. Um eine Geschlechtergeschichte des Reiches zu schreiben, hätte sie allerdings das Kaiserpaar, das Haus und die Reichsverfassung als Ganzes in den Blick nehmen müssen.
Barbara Stollberg-Rilinger