Anne-Sophie Banakas: Les portraits de Marie-Thérèse. Représentation et lien politique dans la Monarchie des Habsbourg (1740-1780), Berlin / Boston: De Gruyter Oldenbourg 2022, XII + 520 S., 43 Abb., ISBN 978-3-11-065771-5, EUR 92,95
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Die vorliegende Publikation geht auf eine Dissertation zurück, welche die Verfasserin im Jahr 2015 an der Universität Paris 1 (Panthéon-Sorbonne) und der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg abschloss. Im Zentrum steht eine ausführliche Analyse von über 250 Gemälden mit Porträts Kaiserin Maria Theresias (reg. 1740-1780). Das Buch schließt in gewissem Sinne den umfangreichen Reigen ab, der mit dem 300. Geburtsjahrjubiläum der Monarchin (2017) einen Höhepunkt erfuhr und sowohl die Geschichtswissenschaft als auch die Kunstgeschichte ausführlich beschäftigte.
Maria Theresia ist zu allen Zeiten eine Ikone des Österreichischen gewesen. Insofern ist eine ihr gewidmete Untersuchung immer auch ein weiterer Schritt in Richtung der Erforschung österreichischer Kunst. Zugleich bildet die Porträtkultur in besonderer Weise die vielfältigen Herrschaftsfunktionen Maria Theresias ab, woraus resultiert, dass immer auch der größere (ost-)mitteleuropäische Kontext thematisiert werden muss. Diesem Umstand trägt auch die Arbeit Rechnung, die in einem Dreischritt von der Produktion, also den ausführenden Künstlern, über Fragen der Verteilung und Funktion der Werke bis zu deren unterschiedlichen Typenbildungen und ikonografischen Besonderheiten reicht. Diese Gliederung ist gut gewählt, trägt sie doch zum einen den methodischen Notwendigkeiten einer Auseinandersetzung mit der Porträtkultur der Frühen Neuzeit Rechnung, ermöglicht aber andererseits zugleich eine Erläuterung besonders interessanter Bilder. Dies ist umso notwendiger, als es sich beim Großteil der behandelten Porträts keineswegs um Spitzenleistungen handelt, sondern vielmehr um eine Art Massenherstellung, die letztlich auf wenige Archetypen zurückgeht. Auch dürfte keine wie immer geartete schriftliche Willenskundgebung des Hofes existiert haben, die man als "Masterplan" ansehen könnte, um Art und Umfang dieser beachtlichen Konjunktur der Porträts zu erklären.
Als führende Künstlerpersönlichkeit wurde bereits früh der Wiener Hofmaler Martin van Meytens ausgemacht, der mit einem nahsichtig-deskriptiv ausgerichteten Stil die haptische Präsenz von Roben und Insignien und damit die essentiellen Zeichen der politischen Macht in den Vordergrund stellte. Besondere Beachtung finden bei Banakas die unterschiedlichen Handhaltungen der Monarchin in den Porträts. Reflexe der Gemälde sind nicht zuletzt in der hinsichtlich ihrer Qualität ebenfalls durchaus vielgestaltigen druckgrafischen Produktion zu konstatieren, auf die Banakas leider nicht eingeht.
Porträts Maria Theresias befanden und befinden sich in praktisch allen ehemaligen Territorien der Monarchie. Dieser Umstand und die im Verhältnis zu Maria Theresias Vater Karl VI. deutlich gestiegene Zahl an Gemälden führen die Autorin zu zentralen Fragen des Buches, die einerseits der Vorstellung einer zentral gesteuerten Repräsentation und andererseits den Interessen der Eliten Rechnung tragen: In welcher Weise konnten die Porträts Stellung und Legitimität der Herrscherin Maria Theresia gerade nach der einschneidenden Zäsur des Jahres 1740 (mit dem Beginn des Österreichischen Erbfolgekriegs) stärken? Wie legitimierten diese Porträtgemälde sowohl die Position der Monarchin als auch jene der geistlichen wie weltlichen Eliten, die solche Porträts in großer Zahl in Auftrag gaben?
An diesem Punkt lässt sich kein einheitliches Muster ermitteln: Zum einen war es - wie in der Frühen Neuzeit insgesamt - üblich, nach einem Besuch der Regentin ein Porträt zu empfangen oder zu bestellen. Die entsprechenden Gemälde bilden somit quasi das Itinerar Maria Theresias und damit den gesamten Herrschaftsbereich ab. Zum anderen wuchs mit der im Laufe der Jahre gestiegenen Präsenz von Porträtdarstellungen Maria Theresias im öffentlichen wie privaten Bereich der Druck auf die Eliten, entsprechende Werke zu besitzen. Wir haben es somit, wie Banakas ausführt, mit einer zweipoligen Repräsentation zu tun, die im einen Fall auf Aufträge der Dynastie zurückgeht, im anderen Fall aber Handlungsstrukturen entspricht, die am besten als ein der Herrscherin "Entgegenarbeiten" zu beschreiben sind. Allerdings erhält bei den Ausführungen von Anne-Sophie Banakas jener Gedanke zu viel Gewicht, der die Funktion der Porträts als einigendes Band (so auch "lien politique" im Titel) zwischen den Individuen und dem Erzhaus interpretiert. Denn es bedarf weiterer Untersuchungen, die zudem weit über die Porträtkultur hinausgehen müssten, um die von der Autorin postulierte (435) neuartige Vereinigung zweier Formen der Loyalität, nämlich jener gegenüber Maria Theresia und der Dynastie sowie der gegenüber den einzelnen Kronländern, wirklich verifizieren zu können.
Damit sei abschließend eine grundsätzliche Problematik der ansonsten verdienstvollen Publikation von Banakas angesprochen: Letztlich unterwirft die Autorin die Gemäldeporträts einem traditionellen, tendenziell affirmativen Verständnis frühneuzeitlicher Repräsentation, das von der Kreierung und Rezeption fixer Codes (in Typenbildungen, Gestik und Insignien) ausgeht. Die künstlerischen Schöpfungen erhalten dieser Sichtweise zufolge einen historisch und funktional stimmigen Platz als zweckmäßige und treffsicher eingesetzte Instrumente habsburgischer Legitimation inmitten einer der größten Krisen der habsburgischen Dynastie. Diese Sichtweise hat mit Sicherheit ihre Berechtigung, muss aber ergänzt bzw. fallweise korrigiert werden durch eine Betrachtungsweise, welche die Porträtkultur als eine facettenreiche Form gesellschaftlicher Praxis ansieht. [1] Die bildlichen Zeugnisse sind demnach auch, und gerade in der langen Regierungszeit Maria Theresias, einem historischen Wandel und Relativierungen sowie zunehmend den Gesetzen eines sich entwickelnden Kunstmarktes unterworfen gewesen. Nicht zuletzt werden in den Gemälden Auffassungen weiblicher Rollenbilder deutlich, die in engem Zusammenhang mit den vielen literarischen Beschreibungen der Herrscherin gesehen werden müssen.
Maria Theresia war ab einem relativ frühen Zeitpunkt eine öffentliche Figur, die nicht nur aufgrund ihrer zahlreichen Herrscherfunktionen, sondern auch als weibliche Erscheinung - in den verschiedenen Altersstufen einer jungen Erzherzogin, einer mächtigen Frau und einer zurückgezogen lebenden Witwe - ein hohes Attraktionspotential genoss. Nicht nur dieser Umstand sollte einen Anstoß liefern, die von den frühneuzeitlichen Akteuren intendierte Wirkmächtigkeit von Strategien der Repräsentation immer kritisch zu hinterfragen und solcherart das Potential politischer Ikonografie in das breite Panorama der visuellen und literarischen Kultur zu integrieren.
Anmerkung:
[1] Vgl. hierzu Eva-Bettina Krems / Sigrid Ruby (Hgg.): Das Porträt als kulturelle Praxis (= Transformationen des Visuellen; 4), Berlin 2015.
Werner Telesko