Fabio Gabbrielli / Michele Pellegrini (a cura di): La via delle confraternite. Ospedale e gruppi confraternali lungo la strada interna di Santa Maria della Scala: documenti, immagini e strutture materiali, Siena: Effigi 2021, 304 S., ISBN 978-88-552-4206-6, EUR 20,00
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Marzia Azzolini / Massimo Miglio (a cura di): Pietro Egidi. Giornata di studi, Viterbo, 18 novembre 2015, Roma: Istituto Storico Italiano per il medio evo 2017
Ähnlich labyrinthisch wie der fünfstöckige Gebäudekomplex des Hospitals von Santa Maria della Scala in Siena ist die Geschichte der Bruderschaften, die sich in seinen verwinkelten Gängen niedergelassen haben. Dass es schwierig ist, die mindestens drei bis fünf verschiedenen Bruderschaften, die seit dem frühen 14. Jahrhundert in dem großem Hospital aktiv waren, auseinanderzuhalten und zu lokalisieren, hat ein 2016 publizierter Tagungsband (Beata civitas. Pubblica pietà e devozioni private nella Siena del '300) gezeigt: Dort konnte man, mangels konsequenter Koordination der betreffenden Aufsätze, im Gewirr der Patrozinien und Bezeichnungen leicht die Übersicht verlieren.
Der hier zu besprechende Band trägt viel zur Klärung bei. Vorauszuschicken ist, dass das - für mittelalterliche Maßstäbe riesige - Gebäude von Santa Maria della Scala vom Domhügel aus gewissermaßen nach unten wuchs, bis es im Lauf des 14. Jahrhunderts fünf vertikal geschichtete Ebenen umschloss. Auf der untersten Ebene wurde eine über 100 Meter lange städtische Straße integriert und mit Gewölben überdeckt. Entlang dieser strada interna siedelten sich die Bruderschaften an.
Der Mitherausgeber Michele Pellegrini resümiert einleitend (11-18) neuere Arbeiten zur Armen- und Krankenfürsorge im spätmittelalterlichen Siena. Hierfür gab die intensive historische und archäologische Erforschung des seit den 1990er Jahren restaurierten und seitdem als Museum genutzten Komplexes von Santa Maria della Scala wichtige Anstöße. In der vielfältigen Typologie möglicher Beziehungen zwischen Hospitälern und Bruderschaften im Spätmittelalter ist Siena ein prägnantes Beispiel für eine besonders enge Verzahnung, obwohl die Bruderschaften im Fall dieses Hospitals nicht (wie sonst in Italien häufig) als Gründer und/oder Verwalter hervorgetreten sind.
Wie die seit dem frühen 14. Jahrhundert in Santa Maria della Scala bezeugten Bruderschaften miteinander zusammenhingen, erläutert die mit der Materie derzeit am besten vertraute Historikerin, Maria A. Ceppari Ridolfi (21-35). Denkbar wäre, dass zunächst zwei oder drei verschiedene Bruderschaften - zwei unter dem Patrozinium des Gesù Cristo Crocifisso und eine Marienbruderschaft - im Hospital neben karitativen Funktionen auch die Selbstgeißelung (disciplina) praktizierten und sich seit der Mitte des 14. Jahrhunderts zu einer großen Disciplinati-Bruderschaft mit Marienpatrozinium vereinigten, deren Name oft mit dem Zusatz "sotto le volte" (also "unter dem Gewölbe" der strada interna) erscheint. Wahrscheinlicher aber als eine solche Zusammenführung ehemals separater Bruderschaften ist die sukzessive Umbenennung ein und derselben Bruderschaft: Demnach wären aus den Raccomandati di Gesù Cristo Crocifisso vorerst die Disciplinati di Gesù Cristo Crocifisso und aus diesen ab etwa 1350 die Disciplinati "sotto le volte" (mit Marienpatrozinium) geworden. Dies jedenfalls legt eine genaue Lektüre sämtlicher urkundlicher und administrativer Quellen der Marienbruderschaft nahe, deren Archiv von der Wohltätigkeitsinstitution Società Esecutori di Pie Disposizioni übernommen wurde und größtenteils erhalten ist. Komplizierend kommt hinzu, dass die Raccomandati und ihre Nachfolger auch eine externe Marienbruderschaft kontrollierten, die ihrerseits mehrere kleinere Hospitäler führte (Compagnia della Vergine Maria nell'ospedale detto di Monnagnese) und zur Unterscheidung von den Kollegen in Santa Maria della Scala auch "di sopra" (also "obere" Marienbruderschaft) genannt wurde.
Nach dieser Klärung der Grundlagen können die weiteren Aufsätze kürzer vorgestellt werden. Sie betreffen die Disciplinati "sotto le volte" sowie, im zweiten Teil des Bandes, die Bruderschaft Santa Caterina della Notte (ein ursprünglich vorgesehener Beitrag zu der ebenfalls in Santa Maria della Scala tätigen Bruderschaft San Girolamo ist ausgefallen). Patrizia Turrini (37-58) geht die Erwähnungen der Disciplinati in hagiografischen Texten und in Abhandlungen frühneuzeitlicher Lokalgelehrter bis hin zur kritischen Geschichtsschreibung des 19. und 20. Jahrhunderts durch. Michele Pellegrini (59-92) analysiert die früheste Quelle zu den Raccomandati/Disciplinati - eine Matrikel, deren erster Teil von 1295 bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts reicht - und ediert 735 Namen der ausschließlich männlichen Mitglieder, von denen fast ein Drittel Kleriker und Religiosen waren; weitere Arbeiten sollen folgen, was schon deshalb zu hoffen ist, weil allein mit den Namen ohne alphabetisches Register wenig anzufangen ist.
Zwei literaturgeschichtliche Beiträge umkreisen die kulturelle Rolle der Hospital-Disciplinati: Speranza Cerullo (93-110) lässt die um 1300 in Siena nachweisbaren Volgare-Texte und Übersetzungen aus dem Lateinischen und Französischen Revue passieren und ordnet die Bücher, die die Bruderschaft nachweislich besaß, in dieses Panorama ein; Ksenija Skliar (111-130) stellt die am Hof Philipps III. von Frankreich entstandene Somme le Roi vor, die gegen 1330 in Siena von einem Mitglied der Disciplinati des Hospitals unter dem Titel Libro dei Vizi e delle Virtù übersetzt wurde.
Der zweite Teil des Buches konzentriert sich auf bau- und kunstgeschichtliche Fragen. Der Mitherausgeber Fabio Gabbrielli (133-142) beschreibt die Geschichte der strada interna, an der die Disciplinati, aber auch die im 15. Jahrhundert gegründeten Bruderschaften Santa Caterina della Notte und San Girolamo ihre Sitze errichteten. Maria Corsi (143-175) rekonstruiert anhand der verfügbaren Schriftdokumente und der kunsthistorischen Befunde die Kapelle San Michele der Disciplinati "sotto le volte" und widerlegt damit die Annahme der älteren Forschung, dass dort zunächst eine Michaelsbruderschaft tätig war. Raffaele Marrone (177-208) interpretiert ein ikonografisch auffälliges Kreuzigungsbild, das heute im Besitz der Società Esecutori di Pie Disposizioni ist, als Teil einer Bild-Schrift-Tafel; das waren Informationsmedien, die von den Disciplinati "sotto le volte" (und auch anderen Bruderschaften) in ihrer Kapelle aufgestellt wurden - in diesem Fall vermutlich (der Schriftteil ist verloren) ein Verzeichnis der verstorbenen Mitglieder.
Die letzten drei Beiträge betreffen die Bruderschaft Santa Caterina della Notte, die ihren Sitz gegen 1485 ins Hospital verlegte. Die Baugeschichte der Kapelle dieser der Hl. Katharina von Siena geweihten Bruderschaft ist der Gegenstand von Valeria Romani (209-224), während Andrea Pesare (225-238) zeigen kann, dass die angeblich engen Beziehungen der Sieneser Mystikerin zum Hospital Santa Maria della Scala kaum eine zeitgenössische Quellengrundlage haben, sondern eher als Erfindung der Gelehrten des 16.-18. Jahrhunderts anzusehen sind. Eine solche Gelehrtenschrift des 18. Jahrhunderts - Memorie della Compagnia di Santa Caterina della Notte von Gaetano Fabiani - wird von Maria A. Ceppari Ridolfi in ihrem zweiten Beitrag zum Band (239-291) ediert, was schon deshalb von Interesse ist, weil einige der von Fabiani benutzten Quellen heute verloren sind.
In einem kurzen Schlusskapitel ordnet Isabella Gagliardi (293-300) die hier vorgestellten Sieneser Hospitalbruderschaften in die Forschungsgeschichte ein. Sie holt weit aus, indem sie mit Muratoris Ansichten zu mittelalterlichen confraternitates beginnt, doch erschöpft sich das Folgende in der Aufzählung einiger bekannter Arbeiten über italienische Bruderschaften - darunter nichts Aktuelles und auch nur wenig, was nicht in italienischer Sprache erschienen wäre. Um dem Ertrag des Bandes gerecht zu werden, hätte es statt dieser lieblosen Zusammenfassung eines Versuchs bedurft, die in der Einleitung von Michele Pellegrini aufgeworfenen Fragen im Licht der heutigen Bruderschaftsforschung (zu der Siena und dieses Buch einiges beizusteuern haben) ernsthaft zu diskutieren. Das Resümee enttäuscht, doch die einzelnen Beiträge, insbesondere jene von Ceppari Ridolfi, Pellegrini, Cerullo, Corsi und Marrone, liest man mit Gewinn.
Thomas Frank