Uwe Baumann (Hg.): Martin Luther und die Reformation. Traditionen, Kontexte, Umbrüche (= Super alta perennis. Studien zur Wirkung der Klassischen Antike; Bd. 24), Göttingen: V&R unipress 2023, 265 S., 31 s/w-Abb., ISBN 978-3-8471-1580-9, EUR 50,00
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Ulrich Köpf: Martin Luther. Der Reformator und sein Werk, Stuttgart: Reclam 2015
Heinz Schilling: Martin Luther. Rebell in einer Zeit des Umbruchs. Eine Biographie, München: C.H.Beck 2012
Sascha Salatowsky / Joar Haga (Hgg.): Frühneuzeitliches Luthertum. Interdisziplinäre Studien, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2022
Christopher König: Zwischen Kulturprotestantismus und völkischer Bewegung. Arthur Bonus (1864-1941) als religiöser Schriftsteller im wilhelminischen Kaiserreich, Tübingen: Mohr Siebeck 2018
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Der Sammelband dokumentiert eine Bonner Ringvorlesung aus dem Jahr 2017/18 aus Anlass des Reformationsjubiläums. Die Beiträge verwerten vorliegende Forschung für Überblicke zu einzelnen Aspekten der Geschichte der Reformation und ihrer Wirkung unter besonderer Berücksichtigung Martin Luthers. Wer sich für den Buchdruck in der Reformation (Michael Herkenhoff), Luthers Bibelübersetzung (Claudia Wich-Reif), den Blick der päpstlichen Gesandten auf die Reformation (Guido Braun), die Präsentation Luthers im neulateinischen Drama (Stefan Tilg) oder die Mittelalterpolemik des frühneuzeitlichen Protestantismus (Bernd Rolling) interessiert, findet lesenswerte Hinführungen zu diesen Themen. Weil der Band erst 2023 erschienen ist, die Beiträge zumeist aber den Forschungsstand des Jahrs der Ringvorlesung widerspiegeln, sind einige in den letzten Jahren erschienene gewichtige Forschungsbeiträge nicht berücksichtigt, etwa Thomas Kaufmanns wegweisende Studien zu Reformation und Buchdruck [1] oder Dorothea Wendebourgs Studie zu Luther auf der Bühne. [2]
Nicht überzeugen kann der Beitrag über Luthers Ablasskritik von Mathias Schmoeckel, der auf schwer nachvollziehbare Weise die kirchenrechtliche Diskussion über den Ablass im späten Mittelalter mit der theologischen Ethik der Wittenberger Reformation verkoppelt und seine Stärken weniger in den theologie- als in den rechtsgeschichtlichen Abschnitten hat. Zu Andreas Pangritz' Ausführungen über Luthers Stellung zu Juden und Muslimen ist zu bemerken, dass diese Themen von der Forschung gründlich aufgearbeitet sind und dass der Verfasser die differenzierte Forschungsdiskussion stärker hätte berücksichtigen können - zumal seine eigenen Beiträge auf Kritik gestoßen sind. [3] Der Beitrag von Uwe Baumann zur englischen Reformation fällt durch seinen Umfang auf, der in keinem rechten Verhältnis zum Neuigkeitswert des Inhalts steht: Geboten wird auf 40 Seiten eine konventionelle Nacherzählung der Religionspolitik Heinrichs VIII., die nur ein Teilmoment der englischen Reformationsgeschichte ist; darauf folgt ein 25-seitiges Literaturverzeichnis, das eher zu einer Monographie als zu einem Überblicksaufsatz passt und nur partiell die neuere Forschungsdiskussion widerspiegelt. Alec Ryrie mag die Pluralisierung des Reformationsbegriffs mit seinen "Seven conceptualisations of the English Reformation" zu weit getrieben haben, er macht allerdings zurecht deutlich, dass die von Baumann mit der englischen Reformation gleichgesetzte "Tudor Reformation" nur ein Aspekt neben "Catholic Reformation", "Deformation", "Protestant Reformation", "Anglican Reformation", "Radical Reformation" und "Global Reformation" ist. [4]
Der Band enthält zahlreiche Abbildungen, von denen die zum Buchdruck in ausgewählten deutschen Städten in Herkenhoffs Beitrag eine sinnvolle Beigabe zum Text sind, während die meisten anderen lediglich illustrative Funktion haben. Der Inhalt wird nur durch das Inhaltsverzeichnis, nicht aber durch Indizes erschlossen. Hin und wann wieder finden sich Fehler (125: Übersetzung von desinere), man vermisst bibliographische Nachweise für Kurztitel (95: "Hegel, TWA") und Fußnoten werden mehrfach wiederholt (Fußnoten 27, 50, 116 auf Seite 127, 135 und 154). Titel und Untertitel des Bands versprechen zu viel: Weder geht es um das Verhältnis Luthers zur Reformation oder der Reformation zu Luther, noch werden die mit den drei im Plural benutzten Schlagworten 'Tradition', 'Kontext' und 'Umbruch' umrissenen Problemfelder am Beispiel Luthers und der Reformation systematisch erkundet. Allerdings bieten viele Beiträge wertvolle Hinweise zu diesen in der reformationsgeschichtlichen Forschung kontrovers diskutierten Themen. Wer über Kontinuität und Diskontinuität im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit sowie über Einheit und Vielfalt der Reformation nachdenkt, kann darum von der Lektüre des Bands profitieren.
Anmerkungen:
[1] Zum Beispiel: Die Mitte der Reformation. Eine Studie zu Buchdruck und Publizistik im deutschen Sprachgebiet, zu ihren Akteuren und deren Strategien, Inszenierungs- und Ausdrucksformen, Tübingen 2019.
[2] In: Zeitschrift für Theologie und Kirche 116 (2019), 153-192.
[3] Siehe etwa Theologische Literaturzeitung 144 (2019), 226-231.
[4] In: Kaspar von Greyerz / Anselm Schubert (Hgg.): Reformation und Reformationen. Kontinuitäten, Identitäten, Narrative, Gütersloh 2022, 81-94.
Andreas Stegmann