Max Kirchens: Die Zoologie der Diplomatie. Geschichte und Bedeutung diplomatischer Tiergeschenke (= Young Academics: Politikwissenschaft; 4), Marburg: Tectum 2023, X + 134 S., ISBN 978-3-8288-4993-8, EUR 29,00
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Nicht erst durch die chinesische Panda-Diplomatie, bei der Pandabären als diplomatische Geschenke verliehen werden, um Sympathien zu gewinnen und internationale Beziehungen zu stärken, spielen Tiere eine Rolle in der großen Politik. Diese Form der Soft Power nutzt die Volksrepublik China gezielt, um diplomatische Beziehungen zu verbessern. Kein Wunder also, dass sich auch die human-animale Diplomatiegeschichte verstärkt des Themas angenommen hat. Aber auch in den Politikwissenschaften ist die Auseinandersetzung mit dem tierischen Geschenk als Teil eines neuen Kanons, einer politischen Zoologie, angekommen. Ein Beweis dafür ist, dass sich nunmehr auch studentische Abschlussarbeiten mit der Thematik befassen, so etwa die des Trierer Politikwissenschaftlers Max Kirchens, dem es ein Anliegen ist, ein "Klassifikationssystem diplomatischer Tiergeschenke" zu erarbeiten (4).
Kirchens führt seine Leserinnen und Leser anhand der kuriosen Geschichte von Winston Churchills Bemühungen im Jahr 1943, ein Schnabeltier in das kriegsgebeutelte London verschiffen zu lassen, an die Thematik heran. Freilich kann seine Feststellung, das "Phänomen" Tiergeschenke sei "quasi unerforscht" (4), in dieser absoluten Setzung so nicht stehen bleiben. Das zeigt schon ein Blick in die historische Literatur und die von ihm angeführten empirischen Studien. Durch die wiederholte Betonung wirkt diese Aussage etwas erzwungen. Dennoch gibt es sicherlich Raum für die tiefere Befassung mit den empirischen Fallbeispielen und für eine theoretisch geleitete Einordnung. Diese möchte er mit der Frage nach der Unterscheidbarkeit von Tiergeschenken in der diplomatischen Praxis leisten. Eigene empirische Forschungen nimmt die Arbeit nicht vor; vielmehr ist Ziel der Arbeit, ein möglichst hohes Abstraktionsniveau zu erreichen, das auf alle Formen diplomatischer Tiergeschenke anwendbar ist.
Dazu differenziert er in Kapitel 3 nach den drei verschiedenen Säulen Diplomatie, Tier und Geschenk, um sie jeweils auf ihr Analysepotenzial zu befragen. Zuvor leistet Kapitel 2 aber einen historischen Überblick über das Phänomen der Tiere als Geschenke. Hierin zeigt der Autor, dass Tiergeschenke schon in der Vorzeit praktiziert, in der Antike ausgebaut, an mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Höfen gang und gäbe waren und sich bis in die jüngste Zeitgeschichte erhalten haben. Er verweist mit seinen angeführten Beispielen zu Recht auch auf die transkulturelle und globale Verbreitung von Tiergeschenken und darauf, dass eine Vielzahl tierischer Spezies Objekte des Schenkens wurde. Diese sind teilweise sehr gut dokumentiert, wie der Fall des Elefanten Abul Abbas, zeigt. In der Menge handelt es sich aber eher um namenlose tierische Individuen, deren Geschichte nur schwer rekonstruierbar ist.
Die Konzeptualisierung der analytischen Säulen in Kapitel 3 folgt unterschiedlichen Herangehensweisen. Der Diplomatie wird praxistheoretisch begegnet, dem Tier über Symbolanalyse und dem Geschenk mit einer Relationsuntersuchung, die Marcel Mauss' Schenkökonomie folgt. Jeweils vorausgeschickt wird den Bausteinen eine historische Einordnung, die aber mit sehr groben Strichen gezeichnet ist. Die politik- und sozialwissenschaftlichen, ontologischen Bestimmungen der Säulen sind hingegen durchweg erhellend, auch weil die Ambiguität herausgestellt wird. Allerdings hätte es für jeden der Gegenstände wohl auch andere Interpretationen geben können, je nach zu Rate gezogener Literatur, beispielsweise hätte man auch das Tier praxeologisch und nicht symbolisch-relational analysieren können. Dass dies nicht angedeutet wird, ist wiederum eindeutig dem Format und der Länge (oder Kürze) der Ausführungen geschuldet. Letztendlich ist es die Relationalität, also das Verhältnis als Beziehung, mit der Kirchens Tiergeschenke untersuchen möchte. Damit befindet er sich im Einklang mit interspezifischen Herangehensweisen der Human-Animal Studies, ohne dies aber zu benennen.
Im zweiten Teil des Hauptteils, Kapitel 4, widmet sich Kirchens den von ihm entwickelten Relationskontexten, die zwischen den Polen heimisch und exotisch angesiedelt sind. Damit sollen "Gemeinsamkeiten", "Nachahmungen", Charakteristika und "Verblüffung" (70) zwischen Schenkerinnen und Schenkern und Beschenkten herausgearbeitet, und damit die Intentionen hinter den Tiergeschenken freigelegt werden. Diese Differenzierung ist dem Autor ausgesprochen gut gelungen und dürfte sich tatsächlich für die weitere Forschung als nützlich erweisen. Denn ob ein Tier auf seinen reinen Nutzwert reduziert wird, eine Art Tributzahlung darstellt oder es darüber hinaus noch einen symbolischen Wert hat, ist entscheidend für die Bedeutung als diplomatische Gabe. Wie der Autor dabei treffend festhält, ist das zeitgenössische typische Tiergeschenk jenes, welches für ein Land steht (Relation des Charakteristikums) und das auf eine Beziehung auf Augenhöhe verweisen soll, also etwa der Panda für China. Auch die anderen Relationskontexte werden gut systematisiert. Allerdings fällt auf, dass sich die unterschiedlichen Relationen auch auf unterschiedlichen Zeitebenen befinden: Die Nachahmung steht etwa für feudale Beziehungen, Verblüffung hatte dagegen offenbar eine Verbindung mit dem europäischen Kolonialismus. Diese Zeitebenen auch explizit mit in die Analyse einzubinden, hätte sicherlich einen Mehrwert generiert. Dessen ist sich der Autor durchaus bewusst. In seiner abschließenden Zusammenfassung macht er genau auf dieses Potenzial aufmerksam.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Kirchens mit seiner Arbeit einen wertvollen Beitrag zur politischen Zoologie und zur Analyse von Tiergeschenken in diplomatischen Kontexten leistet. Als Historikerin hätte ich mir zwar eine tiefere Auseinandersetzung mit der Tiergeschichte als historiografischem Zugang gewünscht, die selbst in den historisierenden Kapiteln nicht einmal erwähnt wird; bei den empirischen Beispielen vielleicht weniger die Heranziehung journalistischer Beiträge als die der durchaus vorhandenen historischen Forschung. Das schmälert ein wenig den sonst positiven Gesamteindruck einer gut geschriebenen (Vor-)Qualifikationsarbeit eines jungen Forschers, der offensichtlich mit großer Neugier an seinen Untersuchungsgegenstand gegangen ist und von dem hoffentlich mehr zu hören sein wird.
Mieke Roscher