Rezension über:

Dorothea Wohlfarth: Auf internationalem Parkett? Deutsche Kunst- und Forschungsinstitute in Rom (1913-1965) (= Wissenschaftskulturen. Reihe III: Pallas Athene; Bd. 60), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2025, 320 S., ISBN 978-3-515-13846-8, EUR 64,00
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Rezension von:
Heinz Duchhardt
Mainz
Redaktionelle Betreuung:
Bettina Braun
Empfohlene Zitierweise:
Heinz Duchhardt: Rezension von: Dorothea Wohlfarth: Auf internationalem Parkett? Deutsche Kunst- und Forschungsinstitute in Rom (1913-1965), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2025, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 11 [15.11.2025], URL: https://www.sehepunkte.de
/2025/11/40670.html


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Dorothea Wohlfarth: Auf internationalem Parkett?

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Die "gekürzte und überarbeitete" Fassung der aus einem einschlägigen Kooperationsprojekt der in Rom ansässigen Forschungs- und Kulturinstitute erwachsenen Münchener Dissertation von 2022 geht der Frage nach dem Internationalitätspotenzial dieser Einrichtungen nach, also des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI), des Deutschen Historischen Instituts (DHI), des Max Planck-Instituts für Kunstgeschichte Bibliotheca Hertziana und der Villa Massimo, der Deutschen (Künstler-) Akademie Rom.

Nach einer (arg) langen Einführung zur Thematik des "wissenschaftlichen Internationalismus", für den sich die Autorin als Arbeitsdefinition entschieden hat, und Ausführungen über den Ort, den "europäische[n] Forschungsknotenpunkt" Rom, die zeitliche Dimension und Anmerkungen zum Interaktionsraum des Wissenschaftsstandorts werden zunächst die äußeren Entwicklungen der vier deutschen Einrichtungen skizziert, die in allen Fällen von schwierigen Verhandlungen um die Rückgabe nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg geprägt waren. Ihre Gründungs- und Entwicklungsgeschichten waren denkbar unterschiedlich - das DAI ging aus einer 1829 ins Leben getretenen internationalen Vereinigung hervor und wurde 1859 in den preußischen Staatshaushalt übernommen; das DHI wurde als preußische Einrichtung 1888 im Gefolge der Öffnung des Vatikanischen Geheimarchivs errichtet, um die Kenntnis der deutschen Geschichte mit dessen Material zu bereichern; die Villa Massimo und die Hertziana schließlich verdankten ihre Entstehung privaten Initiativen und gingen 1913 bzw. 1914 an den preußischen Staat über, wobei zugleich die umfangreiche Gemäldesammlung der jüdischen Mäzenatin dem italienischen Staat übereignet wurde.

Mit dem Zwischenfazit, dass sich die deutschen Gründungen zu einem guten Teil der römischen Konkurrenz dritter Staaten und einer Art Bedrohungssyndrom verdankten, beginnt der eigentliche Forschungsteil der Arbeit, der zunächst den Nachweis führt, dass die deutschen Einrichtungen in ihren Grunddokumenten - kaum überraschend - allenfalls schemenhaft und beiläufig die Internationalität ihrer Arbeit thematisierten, der "wissenschaftliche Internationalismus" also nicht als zentrale Aufgabe verstanden wurde. Die Publikationen der drei Wissenschaftseinrichtungen wurden zwar in Italien und darüber hinaus breit gestreut, wiesen aber nur wenige italienische Titel und Autoren auf - dass hier auch die Interessen der deutschen Verlage eine Rolle gespielt haben könnten, hätte zumindest als Frage aufgeworfen werden können. Vor allem die Bibliotheken des DAI und der Hertziana wurden indes in erheblichem Umfang von italienischen Wissenschaftlern genutzt. Dass in den Korrespondenzen der Häuser die deutschen Adressaten um Längen dominierten, war eigentlich zu erwarten, wobei die Verfasserin im gesamten ersten Teil des Buches immer wieder auf ihre Differenzierungen des Internationalismus und des relationalen Gefüges von Nation und Internationalismus zurückkommt (gute Beziehungen zum Gastland, nationales Ansehen im Ausland, Rückstandssyndrom). Insgesamt waren in der untersuchten Zeitspanne das DAI und die Hertziana wohl die am ehesten international ausgerichteten Institute, während Paul Fridolin Kehr in Hinsicht auf die Internationalität des DHI trotz seiner guten Kontakte zum Vatikan doch eine eher bremsende Rolle spielte.

Im zweiten Teil des Buches, Wiederholungen in Kauf nehmend, geht die Autorin der "praktischen Dimension von wissenschaftlichem Internationalismus" nach und untermauert die Aussagen im ersten Teil, etwa dass die Beziehungen zu den deutschen Einrichtungen von den Botschaften über die Ministerien und andere Behörden weit intensiver waren als die zu italienischen Einrichtungen, etwa dass sich deutsche Stellen, insbesondere in der NS-Zeit, dann in das Leben der deutschen Einrichtungen in Italien einschalteten, wenn es um "Besitz- und Prestigefragen, die national besetzt waren" (134), ging. Dass damals von Seiten der NS-Instanzen auch auf die Besetzung von Führungspositionen Einfluss genommen wurde (Hoppenstedt u. a.), vermag kaum zu überraschen, ebenso wie der Befund, dass vor dem Hintergrund der "Achse" unverhältnismäßig viele NS-Funktionsträger in Rom Station machten und das wissenschaftspolitische Leben der Institute dominierten. Die deutschen Botschafter in Rom zeigten generell ein lebhaftes Interesse an den Instituten, waren ihnen häufig als Mitglieder (DAI) direkt verbunden, monierten gegenüber der Berliner Zentrale sogar vermeintliches oder tatsächliches Fehlverhalten der Direktoren (Kehr) und stellten sich vor die Institute, wenn es um die Pflege besonders wichtiger etablierter internationaler Verbindungen ging. Sie waren für die Integration der Institute in das römische Gesellschaftsleben und die Kontaktpflege zu italienischen Wissenschaftseinrichtungen von kaum zu überschätzender Bedeutung. Die Autorin fragt weiter, inwieweit die deutschen Institute bzw. deren Mitarbeiter international forschten, und kommt zu dem Ergebnis, dass es selbst bei den Archäologen kaum internationale Gemeinschaftsunternehmen gab, umso weniger, als bei den Partnern gegenüber der von der SS eingeforderten Forschung zu den germanischen Langobarden kaum Resonanz zu finden war. Auch bei den Historikern war an eine Zusammenarbeit im Bereich der Nuntiaturberichte lange nicht zu denken, da die Konkurrenz mögliche Zusammenarbeit überlagerte. Die gemeinsame Herausgeberschaft italienischer Urkunden durch das DHI und das Istituto Storico Italiano am Anfang des 20. Jahrhunderts blieb eine Episode. Selbst an der von Anfang an international besonders aufgeschlossenen Hertziana entwickelten sich kaum Kooperationsprojekte mit nichtdeutschen Einrichtungen, die zu gemeinsamen Publikationen geführt hätten. Auch Anregungen von außerhalb verliefen dann doch in aller Regel im Sand. Bei den von den Instituten herausgegebenen Schriftenreihen - sieht man von den von Hoppenstedt herausgegebenen Monografieheften der Hertziana ab - dominierte ebenfalls das Deutsche, während bei den Periodica immerhin kleine Prozentzahlen auf italienische Manuskripte entfielen. Dass das auf bescheidenem Niveau blieb, wird von der Autorin, vielleicht etwas zu einfach, als Moment der nationalen Abschottung interpretiert. Erwähnenswert sind demgegenüber der von den Instituten praktizierte Schriftentausch mit italienischen und sonstigen internationalen Partnereinrichtungen und die Frequenz der Benutzung der deutschen Bibliotheken durch italienische und sonstige nichtdeutsche Gelehrte. In den Gremien der Institute blieb bis zum Ende des Untersuchungszeitraums das deutsche Element dominant (DAI) oder gar allein auf weiter Flur. Den "individuellen wissenschaftlichen Internationalismus" exemplifiziert Wohlfarth unter anderem an dem Archäologen Curtius, neben dem Kunsthistoriker Wolff-Metternich einer der wenigen wirklichen Italophilen unter den deutschen Direktoren, während andere noch nicht einmal des Italienischen mächtig waren und ihren Chauvinismus kaum verbargen.

Es ist keine Frage, dass die Vielzahl der je nationalen Forschungsinstitute in Rom den internationalen Austausch - wenigstens auf der gesellschaftlichen Ebene - erleichterte, aber die wissenschaftliche Kooperation blieb dahinter dann doch um Längen zurück. Die Arbeit bietet reiches, aus den Archiven geschöpftes Material, ermüdet aber auch durch die ständige Wiederholung ihrer Eingangsthese, dass allem Internationalismus eine nationale Komponente zu eigen sei und zugrunde liege. Vielleicht durch die Quellenlage bedingt, steht in ihrer Darstellung das DAI deutlich im Vordergrund, während im Abschnitt Kooperationen z. B. die Angaben zum DHI schon mit Kehr abbrechen (183). Ich will auch nicht verhehlen, dass ich die Erweiterung der Untersuchungseinrichtungen um die Villa Massimo nicht als wirklich zielführend empfunden habe. Die deutsche Künstlerakademie unterscheidet sich in so vielen Hinsichten - von den (nicht vergleichsweise vorhandenen) Quellen bis zum Selbstverständnis - von den Wissenschaftsinstituten, dass sie überall in die Nebenrolle eines "Sonderfalls", also eines "asymmetrischen Vergleichsobjekts" (108), gerät und auch als tertium comparationis nicht taugt. Ich will schließlich nicht ganz unterschlagen, dass die Arbeit stilistische Schwächen (Konjunktive, indirekte Rede, "insofern, als dass [...]" u. a.) aufweist, mit den Interpunktionsregeln ihre Schwierigkeiten hat und (leider) dem umgangssprachlichen "nichtsdestotrotz" weitere akademische Weihen verleiht.

Heinz Duchhardt