Kerstin Schmal: Die Pietas Maria Theresias im Spannungsfeld von Barock und Aufklärung. Religiöse Praxis und Sendungsbewußtsein gegenüber Familie, Untertanen und Dynastie (= Mainzer Studien zur Neueren Geschichte; Bd. 7), Frankfurt a.M. [u.a.]: Peter Lang 2001, 287 S., ISBN 978-3-631-36091-0, EUR 45,50
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Die vorliegende Studie stellt eine 1999 an der Universität Mainz angenommene Dissertation dar, in der die Verfasserin versucht, sich mit einem stark individuellen Ansatz Ausprägung und Relevanz von Frömmigkeitsformen und -vorstellungen Maria Theresias zu nähern. Ausgewertet wurden dazu die in großer Zahl vorliegenden gedruckten Quellen zur Person der Habsburgerin, in erster Linie ihre Briefe, sowie einige von Zeitgenossen verfasste Texte. In geringerem Umfang wurden Zeremonialprotokolle, Briefe, Instruktionen aus den Beständen des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs hinzugezogen.
Die Darstellung beginnt mit einer längeren methodologischen Grundlegung und Begriffsklärung (14-29), in der die Autorin ihren Zugriff auf das Material darstellt und begründet. Als Ansatz wählt sie den der "intentionalen Erklärung" (13); sie stellt also die Person Maria Theresias nicht nur ins Zentrum der Studie, sondern macht sie auch in methodischer Hinsicht zu ihrem Ausgangs- und Endpunkt. Diese Zugangsweise rechtfertigt die Autorin mit der Notwendigkeit, die Komplexität menschlicher Interaktion auf ein darstellbares Maß zu reduzieren (18), um Motive und Beweggründe der Kaiserin rekonstruieren zu können. Dies sei auch deshalb erforderlich, um nicht in der Vielzahl der äußeren Einflüsse und Wirkungen auf die Person selbst deren Subjektivität, ihre ureigene Aktivität aus dem Auge zu verlieren und so aus dem historischen Subjekt ein Objekt zu machen (18). Zu diesem Ansatz gehört aus Sicht der Autorin schließlich auch das Einlassen auf das religiöse Leben der untersuchten Person, das Einfühlen in dieselbe, um auf diese Weise aus dem historischen Kontext Sinnzusammenhänge erschließen zu können (17).
Nun ist sich sicher jeder Historiker und jede Historikerin, der beziehungsweise die einmal biografisch gearbeitet hat, darüber im Klaren, dass sich im Laufe der Beschäftigung mit einer einzelnen historischen Persönlichkeit auch eine gewisse Verbindung zu dieser Person herstellt. Die Subjektivität der Betrachtung ist also notwendiger Bestandteil einer jeden derartigen Studie, und zwar in einem noch höheren Maße, als das ohnedies jeder historischen Darstellung eigen ist. Insofern konstatiert die Verfasserin also mit ihrer letzten Aussage lediglich eine Tatsache, die der Wissenschaftlichkeit einer derartigen Studie nicht notwendig Abbruch tun muss. Zwingend notwendig ist aber bei einem solchen Ansatz heute die Verbindung von Subjektivität der historischen Person beziehungsweise der wissenschaftlichen Beschäftigung mit historischen und wissenschaftlichen Kontexten. Und in diesem weiten Feld zwischen Individualität und Kontextualisierung manövriert Frau Schmal keineswegs immer sicher. Was sie dem Leser präsentiert, ist eine Zusammenstellung von Beobachtungen und Zitaten zur Frömmigkeit Maria Theresias, die in Teilen durchaus als instruktiv gelten kann. Dies gilt etwa für die Beschreibung der Vorstellungen der Fürstin vom religiösen Alltagsleben ihrer Kinder (55-91) oder für Beobachtungen zur Verbindung von Machtlegitimation und Sendungsbewusstsein (222-231).
Allerdings wird die Spezifik der Frömmigkeit Maria Theresias nur ansatzweise deutlich. Die beiden zentralen Begriffe ihrer Untersuchung, das "Sendungsbewußtsein" (schon 13, dann passim, abschließend 236 f.) der Fürstin in religiöser Hinsicht sowie der zusammenfassend konstatierte "theresianische Frömmigkeitsstil" (234 f.) bleiben weitgehend konturlos. Erst ein Vergleich mit Zeitgenossen und Zeitgenossinnen sowie intensivere Bezugnahmen auf habsburgische Traditionen hätten es erlaubt, die beiden Begriffe mit Inhalt zu versehen. In der nahezu ausschließlichen Konzentration auf die Person Maria Theresias bleiben die Feststellungen der Verfasserin zu Motiven und Beweggründen religiösen Handelns und Bekenntnisses der Kaiserin, die ein zentrales Erkenntnisziel der Studie darstellen (13), oberflächlich. Die Aufgliederung in verschiedene Bezugsrahmen (Familie, 55-119; Untertanen, 121-196; Dynastie, 197-231) ist zwar in sich schlüssig, hat aber doch einige Wiederholungen und Redundanzen zur Folge. Zum Teil führen die Darlegungen fast in die Irre (etwa 191 ff.) in dem Bestreben, den Focus Maria Theresia nicht zu verlassen. So etwa, wenn die Autorin die Bemühungen um Rationalisierungen im Gottesdienst (153 ff., 170 f.), um Eindämmung von Aberglauben (188 f.) und von barocken Frömmigkeitsformen wie Wallfahrten (174 ff.) erst in der Zusammenfassung in den Kontext der katholischen Aufklärung und des Jansenismus setzt (223 ff., 233).
Die explizite Verbindung der "Mütterlichkeit" Maria Theresias mit ihrer Sorge um das geistige Wohl der Untertanen (226 f.) und die damit verbundene Aussage: "Maria Theresia kam es in keiner Weise darauf an, als ihren männlichen Herrschern der damaligen Zeit ähnlich aufzutreten." (ebenda) schließlich ist nicht nur im Eingangszitat direkt ins 19. Jahrhundert zurückzuführen. Zwar ist das Problemfeld Frau respektive Fürstin und Politik erst in den letzten Jahren stärker in den Blickwinkel der Forschung gerückt und bildet sicher auch nicht den wichtigsten Bezugsrahmen der Studie. Aber das rechtfertigt es nicht, längst obsolete Grundpositionen immer wieder zu perpetuieren. Vielmehr hätte sich das Generalthema der Studie regelrecht dazu angeboten, nach der Relevanz der Kategorie Geschlecht in Bezug auf religiöse Praxis zu fragen.
Damit kulminiert hier geradezu die Problematik der gesamten Arbeit, in der es der Autorin über weite Strecken nicht gelingt, durchaus zutreffende Beobachtungen aus den Quellen mit ihren Ausführungen zum historischen Kontext zu verbinden. Erst diese Kontextualisierung hätte jedoch den Feststellungen für die Person der Fürstin analytische Schärfe und den generalisierenden Aussagen Wert verliehen. So bleibt nur festzuhalten, dass die Studie in der Zusammenfassung von im wesentlichen Bekanntem stehen bleibt und keine wirklich weiterführenden Perspektiven auf die Person Maria Theresias oder ihre Frömmigkeit eröffnet.
Katrin Keller