Ludger Körntgen: Ottonen und Salier (= Geschichte kompakt), Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2002, 160 S., ISBN 978-3-534-15186-8, EUR 14,90
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Gudrun Gleba: Klöster und Orden im Mittelalter (= Geschichte kompakt), Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2002, 160 S., ISBN 978-3-534-15156-1, EUR 14,90
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Martin Kaufhold: Interregnum (= Geschichte kompakt), Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2002, 156 S., ISBN 978-3-534-15450-0, EUR 14,90
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Hermann Nehlsen / Hans-Georg Hermann (Hgg.): Kaiser Ludwig der Bayer. Konflikte, Weichenstellungen und Wahrnehmung seiner Herrschaft, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2002
Achim Hubel / Bernd Schneidmüller (Hgg.): Aufbruch ins zweite Jahrtausend. Innovation und Kontinuität in der Mitte des Mittelalters, Ostfildern: Thorbecke 2004
Nikolas Jaspert: Die Kreuzzüge, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2003
Martin Kaufhold (Hg.): Politische Reflexion in der Welt des späten Mittelalters. Political Thought in the Age of Scholasticism. Essays in Honour of Jürgen Miethke, Leiden / Boston: Brill 2004
Martin Kaufhold: Die Rhythmen politischer Reform im späten Mittelalter. Institutioneller Wandel in Deutschland, England und an der Kurie 1198-1400 im Vergleich, Ostfildern: Thorbecke 2008
Ludger Körntgen / Dominik Waßenhoven (Hgg.): Religion und Politik im Mittelalter. Deutschland und England im Vergleich, Berlin: De Gruyter 2013
"Geschichte kompakt" ist eine neue Reihe der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt, in der in loser Folge Darstellungen zur Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit erscheinen werden, die in ihrer Gesamtheit den heutigen Wissensstand zur deutschen und europäischen Geschichte repräsentieren sollen. Die einzelnen, in sich geschlossenen, eigenständigen Bände sollen Hauptthemen des universitären Studiums und zentrale Themenfelder der Wissenschaft verlässlich, konzentriert, übersichtlich und gut lesbar darstellen. Als Autorinnen und Autoren wurden jüngere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gewonnen, die gerade auch gewandelte Sichtweisen und neue Interpretationen vorstellen sollen.
Bei jeder neuen Reihe geschichtlicher Überblicksdarstellungen ist zunächst einmal nach den Unterschieden zu bereits bestehenden Reihen anderer Verlage zu fragen. Diese lassen sich vor allem in der didaktischen Konzeption finden: 1. Wichtige Begriffe oder Grundlagenkenntnisse werden zum besseren Verständnis extra erläutert, wobei die entsprechenden Absätze im Text durch Einrückung und eigene Überschrift hervorgehoben sind. Das verhilft sicher zu einem klareren Verständnis und Gebrauch von Begriffen. 2. Zentrale Quellenstellen, auf die der Text explizit Bezug nimmt, werden in grau hinterlegten Kästchen ausschnittweise in Übersetzung beigegeben, was die Ausführungen konkreter werden lässt und außerdem die Rückbindung an die Quellen exemplarisch gewährleistet. 3. Die vielen Zwischenüberschriften gliedern und fördern die Übersichtlichkeit der Darstellung. 4. Am Beginn derjenigen Kapitel, die nicht thematisch, sondern chronologisch verortet sind, stehen Zeittafeln mit wichtigen Jahreszahlen und Ereignissen oder Regierungsdaten. An manchen Stellen mag das ganz nützlich sein, aber wenn ein Buch mit einer Jahreszahl-Ereignis-Liste beginnt, will man auf den ersten Blick nicht glauben, dass "Geschichte [...] heute nicht mehr nur als Ereignisfolge verstanden [werde], Herrschaft und Politik [...] nicht mehr allein im Mittelpunkt [stünden]" (Vorwort der Herausgeber). 5. Das nach den Buchkapiteln gegliederte Literaturverzeichnis ist knapp und damit eine wirkliche Auswahl, in der man nicht doch noch zu ertrinken droht. Hervorzuheben sind vor allem die kurzen Kommentare, die das jeweilige Werk charakterisieren und einordnen und damit auch den Zugriff erleichtern. 6. Wie in anderen Reihen, so sind auch diese Bände mit Stammtafeln und einem Personen- und Sachregister ausgestattet.
Die oben genannten Vorzüge werden all den Leserinnen und Lesern entgegenkommen, die sich solide informieren und alle dafür notwendigen Erklärungen direkt parat haben wollen. Anmerkungen als Ausgangsmöglichkeit für ein selbstständiges Vertiefen und Weiterarbeiten an konkreten Punkten gibt es nicht. Insofern sind die Bände in der Tat "für eine erste Begegnung mit dem Thema wie für eine Prüfungsvorbereitung geeignet, [...] ebenso wie als anregende Lektüre für historisch Interessierte" (Vorwort); als "Arbeitsgrundlage für Lehrende und Studierende" dagegen wird man die Bände nur bezeichnen können, wenn man darunter Überblick und Literaturauswahl versteht und nicht die Grundlagen für selbstständiges Weiterarbeiten. Aber dafür gibt es ja andere Reihen.
Im Folgenden seien die Umsetzung des Konzepts in den drei bisher zum Mittelalter erschienenen Bänden und deren Zugriff vorgestellt: Die Zeit der Ottonen und Salier auf 140 Seiten vorzustellen, war nicht nur seit dem zunehmenden "Veralten" des "Gebhardt" und wegen des beträchtlichen Seitenumfangs anderer Bücher ein Desiderat, sondern angesichts der Intensität der Forschung auf diesem Gebiet auch eine Herausforderung. Ludger Körntgen hat sie hervorragend gemeistert. Übersichtlich gegliedert behandelt er die wesentlichen Themenbereiche und Entwicklungen seines Zeitraums, wobei der thematische Zugriff Vorrang vor der Darstellung der Ereignisgeschichte hat. Dabei sind auch die wichtigsten jüngeren Forschungsfelder erkennbar und ihre Ergebnisse verarbeitet, etwa zu Themen wie Entstehung des deutschen Reiches (allerdings sehr knapp), konsensuale Herrschaft und Konflikte, Rangordnung und symbolisches Handeln (sehr breit), Bedeutung der Memoria, Rolle der Reichskirche in der Ottonen- und Salierzeit, Investiturstreit und Beurteilung der Regentschaft der Kaiserin Agnes. Vielleicht etwas zu selten wird (durch Namensnennung) der Bezug zu entsprechenden Werken in der Literaturliste hergestellt - bei Kaiserin Agnes zum Beispiel findet sich die Erwähnung der betreffenden Forscherin nur bei einer wohl weniger haltbaren Teilthese, nicht aber bei der Neubewertung der gesamten Regentschaftszeit. Gerade angesichts komplexer Probleme und schwieriger Bewertungen ist hervorzuheben, dass das Buch verständlich geschrieben ist - was auch die Studierenden bestätigen. Ihnen kommt auch sehr entgegen, dass Begriffsdefinitionen, Quellenauszüge und Zusammenstellungen wichtiger Personenkreise zum besseren Verständnis sehr gezielt eingesetzt werden.
Die Bibliografie ist konzentriert und aktuell gehalten. Gut für einen allgemeineren Adressatenkreis ist die Auswahl der Quellensammlungen. Der Schwerpunkt der Literaturauswahl liegt auf Monografien und Sammelbänden. Infolgedessen erscheint die Auswahl zu den einzelnen Kapiteln zum Teil etwas ungleichmäßig. So finden sich zwar mehrere Monografien zu Konrad II., aber kein Titel zu Heinrich III., obwohl es hier wichtige Aufsätze gäbe. Die Kommentare sind durchwegs sehr erhellend. Insgesamt wird dieser Band wegen seiner kompakten Darstellung und seiner Aktualität sehr geschätzt werden.
Der Band von Gudrun Gleba über Klöster und Orden im Mittelalter behandelt ein gerade für das Mittelalter sehr zentrales Thema und passt als thematischer Querschnitt bestens in diese Reihe. Er besticht auch zunächst durch seine Gliederung, in der Kapitel über allgemeine Fragen klösterlichen Lebens (etwa: "Lebensregel, Lebensgewohnheit, Lebensort" oder "Worte, Texte, Bücher, Bibliotheken") mit Kapiteln zu spezifischen Ausprägungen zu bestimmten Zeiten abwechseln (zum Beispiel "Monastische Reformen im Früh- und Hochmittelalter" oder "Ritterorden"). Beginnt man allerdings das erste Kapitel über die Anfänge des Christentums, die gar nicht in dieser Ausführlichkeit darzustellen gewesen wären, zu lesen, stößt man sofort auf grobe Fehler und schiefe Darstellungen: Die Paulusbriefe seien in heutigen Bibelausgaben "unter den Lehrtexten zu finden" (eine heutige Bibelausgabe hat diese Rubrik gar nicht, Bibelwissenschaftler rechnen die Briefe unter die didaktischen Texte) und hätten sich an die Gemeinden von Korinth, Galathea (statt: Galatien), Ephesus, Philippus (statt: Philippi), Colossa (statt: Kolossai oder Colossae) und Thessaloniki gerichtet, und seine Vita nenne "viele dieser Orte als Stätten seines Martyriums"; Paulus ist zwar mehrfach verfolgt und ins Gefängnis geworfen worden, das Martyrium hat er aber nach einhelliger Auffassung der Quellen in Rom erlitten. "Jesu Christi" wird von Gleba nicht nur als Genitiv, sondern auch als Nominativ oder Akkusativ verwendet, das Ziborium als "Weihrauchkessel" erklärt. Solche Fehler oder schiefen Darstellungen finden sich immer wieder, vor allem wenn Gleba den für sie bekannten Boden des Klosterwesens verlässt, um allgemeine Grundlagen christlichen Glaubens oder Kultes darzulegen, etwa in dem Kapitel über die liturgischen Bücher (die Septuaginta umfasst wesentlich mehr als nur die fünf Bücher Mose!) oder historische Hintergründe zu schildern, etwa bei den Hintergründen für den Kreuzzugsaufruf Urbans II. von 1095 (Urban, zwischendurch auch als Urban V. bezeichnet, habe die Heiligen Stätten zurückgewinnen wollen und habe, weil dies "auf diplomatischem Verhandlungsweg nicht erreichbar schien" - war das versucht worden? - und er "über kein Heer" verfügte, zur militärischen Lösung aufgerufen; von dem vorausgegangenen Hilferuf des byzantinischen Kaisers ist überhaupt nicht die Rede) oder bei der Darstellung der Regelungen des Wormser Konkordats (der König habe dem gewählten Bischof den Stab übergeben, worauf er doch gerade verzichtete). Auch die Erklärungen zentraler Begriffe sind nicht immer unproblematisch. Quellenausschnitte erscheinen eher selten und unregelmäßig; die Nachweise der Quellenzitate geben mehrfach nur Literatur an, in der selbst nur diese Ausschnitte zu finden sind, ohne dass auch auf die Edition verwiesen wäre; zuweilen wird der entsprechende Titel nicht einmal vollständig im Literaturverzeichnis aufgeführt. Bei einer Quelle zur Immunitätsverleihung geht es nur um freie Abtwahl, nicht um Immunität, was mit einem irrigen Verständnis von Immunität seitens der Autorin zusammenhängt (37). Mit der Quellenauswahl in der Auswahlbibliografie wird dem Adressatenkreis zum Teil schwer zu Bewältigendes zugemutet (etwa mit Verweis auf die Acta Sanctorum oder auf sieben Bände Quellen zu Bernhard von Clairvaux, deren Benutzung der Autorin offenbar selbst zu mühsam war, da sie lieber auf ein Zitat aus zweiter Hand zurückgreift, so 78). Bei der Literatur sind nicht immer Kommentare vorhanden, andere erwecken bisweilen falsche Vorstellungen; für das Kapitel "Wirtschaftsunternehmen, Herrschaftsträger und Stätten der Erinnerung" gibt es nur drei Titel zu "memoria", sonst nichts.
Diese gravierenden Vorbehalte sollen nicht leugnen, dass die Bibliografie viele aktuelle Titel bietet und dass manche Kapitel über klösterliches Leben und seine Entwicklung einen guten Überblick geben und zum Teil auch gut geschrieben sind. Grundsätzlich wäre noch zu fragen, warum nirgends explizit auf den Bereich des stiftischen Lebens eingegangen wird, der doch bei allen Unterschieden mit dem klösterlichen eng verwoben ist. Ab und zu werden Kanoniker und Kanonissen kurz erwähnt, aber ohne jegliche Erklärung, die doch gerade für das Zielpublikum der Reihe unumgänglich wäre; Gandersheim und Quedlinburg werden mal als Kloster, mal als Stift bezeichnet. Gerade hinsichtlich der Entwicklung von Frauengemeinschaften hat sich hier in der Forschung in letzter Zeit einiges getan, was erwähnenswert gewesen wäre (Frage der Sichtweise: stiftisches Leben als Dekadenz klösterlichen Lebens oder als eigenständige Form geistlichen Lebens). Unklar ist auch, warum zum Beispiel die Geschichte der Ritterorden noch bis ins 20. Jahrhundert weiterverfolgt wird, obwohl sonst dem Titel entsprechend nur das Mittelalter behandelt wird.
Alles in allem wird von den Leserinnen und Lesern des Buches viel Unterscheidungs-vermögen verlangt, wenn sie Gewinn daraus ziehen wollen.
Der dritte 2002 erschienene Band von Martin Kaufhold ist dem Interregnum (1250-1273) gewidmet, also einem im Vergleich zu den beiden anderen relativ begrenzten Thema. Ob man es gleich unter die "zentralen Themenfelder der Wissenschaft" rechnen kann, die ja neben den "Hauptthemen des universitären Studiums" in der Reihe Platz finden sollen, sei dahingestellt. Auf jeden Fall führt der Autor, ausgewiesen durch seine Habilitationsschrift zu diesem Thema, äußerst sach- und quellenkundig und übersichtlich gegliedert in veränderte Fragestellungen und neue Erkenntnisse in dieses sonst eher vernachlässigte Thema ein. Es geht ihm um ein Verständnis für die politische Ordnung einer Zeit, der zwar ein starkes Königtum (aber nicht ein Königtum überhaupt) fehlte, die aber gleichwohl mit dem Schiedsverfahren zukunftsweisende Strategien entwickelte, um Probleme und Konflikte zu lösen. Kaufhold hebt insbesondere die Bedeutung dieses Verfahrens für die Wahl des römisch-deutschen Königs hervor, weil es auf die Einbindung möglicher Abweichler ausgerichtet war. Dabei wird die Geschichte Deutschlands nicht isoliert betrachtet, sondern in ihrer Verquickung mit und auf dem Hintergrund anders laufender oder vergleichbarer Entwicklungen in anderen europäischen Ländern wie England oder Frankreich, aber auch Flandern oder Kastilien oder der römischen Kurie. Durch den Rückgriff auf die Zeit der späten Staufer wird auch die Folie deutlich, auf deren Hintergrund die Zeit des Interregnums zu sehen ist. Das Buch gibt also einen kompetenten Einblick in neue Sichtweisen der Forschung, die in einer Zusammenfassung am Schluss noch einmal gebündelt werden.
Die didaktischen Mittel der Reihe wie Begriffserklärungen und Quellenausschnitte werden gezielt eingesetzt. Die vielen Zeittafeln mit bis zu 11 Daten für ein Kapitel über den Zeitraum von zwei Jahren hätte man allerdings besser zu einigen wenigen zusammengefasst, um deren Überblickscharakter zu wahren. Die 150 Seiten Raum haben offenbar zu Wiederholungen verführt, jedenfalls scheinen es mehr zu sein als didaktisch notwendig auch für Leserinnen und Leser ohne Vorkenntnisse. Andererseits lässt die Begrenztheit des Themas es zu, in einem solchen Band auch das Zustandekommen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse deutlich werden zu lassen, etwa dadurch, dass mit der Klärung der Prämissen bestimmter bisheriger Einschätzungen der Weg frei wird für veränderte Sichtweisen oder dass auf Grund einer neuen Analyse der Entstehungsumstände und des Horizonts einer Quelle deren Aussage relativiert werden muss. Auch deswegen ist der Band sowohl für eine erste wie auch für eine vertiefte Begegnung mit Geschichte im Allgemeinen und dem Interregnum im Besonderen sehr lohnend.
In der Reihe werden demnächst zwei weitere Bände einen Überblick über zwei weit gespannte Themen bieten: "Kreuzzüge" von Nikolas Jaspert und "Krankheit und Heilkunde im Mittelalter" von Kay Peter Jankrift. Gerade letzterer Band, der ein sonst eher schwer zu erschließendes und in anderen Reihen nicht behandeltes Thema vorstellt, wird über den genannten Adressatenkreis hinaus auch den Fachhistorikern Einblick in ein höchst interessantes Teilgebiet bieten, von dem sie normalerweise eher wenig wissen.
Gertrud Thoma