Gritje Hartmann: Wilhelm Tzewers: Itinerarius terre sancte. Einleitung, Edition, Kommentar und Übersetzung (= Abhandlungen des Deutschen Palästina-Vereins; Bd. 33), Wiesbaden: Harrassowitz 2004, 455 S., ISBN 978-3-447-04794-4, EUR 74,00
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Man könne die Bibel besser verstehen, wenn man die Orte kenne, an denen der Herr und Erlöser gewirkt habe, so bemerkte schon Hieronymus in der Spätantike. Schlägt man als Erstes das Register der zitierten Bibelstellen (448-450) des anzuzeigenden Buches auf, so wird deutlich, auf wie zahlreiche biblische Begebenheiten und Personen der hier in Edition vorgelegte Pilgerbericht des Wilhelm Tzewers von wohl 1478 eingeht. Das von Gritje Hartmann vorgelegte Werk ist eine von der Universität Freiburg 2002 angenommene Dissertation. Der größte Teil besteht aus einer sorgfältig kommentierten Edition samt Übersetzung (70 ff.). Zuvor ordnet die Verfasserin diese Edition jedoch in die bisherigen Bemühungen der Pilgerberichtsforschung der vergangenen Jahrzehnte ein (11-20) und charakterisiert dann vor allen Dingen in einem zweiten Abschnitt Autor und Werk (21-36). Der aus Aachen stammende, dann in Basel als Kleriker wirkende Wilhelm Tzewers, unternahm seine Jerusalem- und Heiliglandreise 1477/ 78 im Alter von etwa 57 Jahren. Den darüber abgefassten Bericht charakterisiert Hartmann als eine Mischform zwischen Reiseführer und Reisebericht. Insbesondere die ersten Bemerkungen bis zur Ankunft im Heiligen Land sind der Tradition der Berichte verpflichtet, danach folgt eine vergleichsweise ausführlichere und traditionelle Vorstellung der verschiedenen Orte im Heiligen Land, die vornehmlich an der christlichen Heilsgeschichte orientiert ist. Der Autor des 15. Jahrhunderts will hier weniger eigene Eindrücke wiedergeben als vielmehr die Orte und Objekte vorstellen. Ein dritter einleitender Abschnitt gilt den verwendeten Quellen (37-57). Hier kann die Verfasserin deutlich machen, wie sehr andere Reise- und Pilgerberichte des 15. Jahrhunderts vom Autor offensichtlich direkt oder indirekt verwendet wurden. Neben fünf Hauptquellen steht aber auch die noch aus der Kreuzfahrerzeit stammende historiografische Tradition eines Jakob von Vitry, sodann immer wieder Bibelstellen, Apokryphen, hagiografische Traditionen sowie exegetische Werke. Die letzten beiden einleitenden Abschnitte gelten den drei Handschriften, in denen das Werk überliefert wurde, sowie der Textgestaltung.
Der Hauptteil des vorgelegten Werkes ist die kommentierte Edition samt Übersetzung. Der eher beschreibende erste Teil skizziert die Vorbereitungen in Venedig ebenso wie die Seereise mit den verschiedenen Haltepunkten bis hin nach Zypern und Jaffa (70-132). Es folgt dann die Vorstellung des Heiligen Landes in vielen kleinen Unterabschnitten, die teilweise in Klammern von der Editorin hinzugefügt wurden, um den Text besser zu gliedern und übersichtlicher zu machen. Ein erster großer Teil (II.3.) beschäftigt sich mit Jerusalem, der Stadt, dem Tempelberg, der Grabeskirche sowie weiteren heiligen Stätten in Jerusalem (150-237). Es folgen dann die heiligen Stätten außerhalb Jerusalems (II.4.), die nach Himmelsrichtungen aufgefächert werden (238-389). Ein kurzer Anhang beschreibt noch die Eroberung des Heiligen Landes sowie die Geschichte des Königreiches Jerusalem (1096-1187) und verwendet dabei vor allen Dingen Vorlagen des Alessandro Ariosto.
Hartmann bietet mit Ihrem Buch Grundlagenforschung. Die Untersuchungen zu den Reiseberichten und Pilgerführern haben zwar in den letzten Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht, jedoch wurden neue Textausgaben nur im Einzelfall vorgelegt. Mit einer kommentierten Edition wird es aber überhaupt erst möglich, näher zu bestimmen, inwieweit die verschiedenen Berichte voneinander abhingen und sich beeinflussten. Entsprechend hoch ist die Leistung der Verfasserin zu bewerten, denn nach der wenig früher erschienenen Abhandlung von Randall Herz zum fast gleichzeitigen deutschsprachigen Reisebericht Tuchers liegt hier eine moderne Edition vor, die es ermöglicht, Querbeziehungen und Traditionsstränge genauer zu untersuchen. [1] Dabei könnte der in der Einleitung vorgeschlagene Weg, bei den Pilgerberichten an die Überlegungen von Jan Assmann zu ritueller und textueller Kohärenz anzuknüpfen, fruchtbar weiterbeschritten werden. Auch lädt die vorgelegte Edition dazu ein, danach zu suchen, wo im zweiten Teil, dem so genannten Pilgerführer, persönliche Bemerkungen einfließen. Hier lassen sich Beobachtungen, die beispielsweise Ursula Ganz-Blättler vorgelegt hat, weiterverfolgen, so z. B. zu den Sprach- und Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Pilgern aus dem lateinischen Westen und Armeniern (206-208). Überhaupt werden die verschiedenen Religionen und christlichen Denominationen (die in Anlehnung an die lateinische Vorlage in der deutschen Übersetzung vielleicht etwas missverständlich mit "Sekten" übersetzt werden) ausgesprochen variationsreich vorgestellt. Zu solchen Bemerkungen gehört auch das so genannte Wunder des Sultans (266) oder die beobachtete Ernährung zahlreicher Eremiten mit Heuschrecken (278). Nebenbemerkungen wie die Übernachtung in einer Kirche in Beirut werfen ein interessantes Licht auf die auch anderweitig belegten Funktionen der Sakralbauten in früheren Zeiten.
Mit der vorliegenden Edition werden mithin die Grundlagen für viele weitere vergleichende Untersuchungen gelegt. Man kann der Autorin dazu nur herzlich gratulieren und dem Band eine weite Verbreitung wünschen, denn die flüssige Übersetzung erschließt den Text weiteren Leserkreisen. Hätte der Verlag an diese Personen stärker gedacht, so wäre dem Band neben den vier wertvollen Registern (Bibelzitate, verwendete Autoren, Orte und Personen) sicherlich auch eine Karte beigegeben worden.
Anmerkung:
[1] Randall Herz: Die "Reise ins gelobte Land" Hans Tuchers des Älteren (1479-1480), Wiesbaden 2002.
Klaus Herbers