Anne-Marie Bonnet / Barbara Schellewald (Hgg.): Frauen in der Frühen Neuzeit. Lebensentwürfe in Kunst und Literatur (= Atlas. Bonner Beiträge zur Kunstgeschichte N.F.; Bd. 1), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2004, VII + 264 S., ISBN 978-3-412-10304-0, EUR 34,90
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Der Band enthält zehn kunst- und literaturwissenschaftliche Beiträge einer Tagung des Bonner Graduiertenkollegs "Die Renaissance in Italien und ihre europäische Rezeption. Kunst - Geschichte - Literatur" (vier weitere Beiträge sind an anderer Stelle publiziert). Verständlicherweise kann bei der Organisation eines Kolloquiums nur in begrenztem Maße Einfluss genommen werden auf die zu erwartenden Inhalte und auf sich ergebende Querverbindungen. Ein zielgerichtet formuliertes Erkenntnisinteresse soll und kann hier Abhilfe schaffen. Eine solche übergeordnete Fragestellung, die über die Kategorien "Frau" und "Frühe Neuzeit" hinausginge, lässt sich in vorliegendem Falle leider jedoch nicht erkennen. Die durchaus interessanten Ansätze der einzelnen Aufsätze weisen kaum Verbindendes auf und wirken daher in ihrer methodischen und erkenntnistheoretischen Heterogenität eher willkürlich zusammengestellt. Dieses Manko scheint auch den Herausgeberinnen selbst aufgefallen zu sein: In ihrer äußerst knappen Einleitung wird kein ernsthafter Versuch einer theoretisch untermauerten Einbindung unternommen. "Die Tagung zielte darauf ab, mit einem transdisziplinären Zugriff die neueren Überlegungen der Genderforschung zu bündeln" (3) heißt es, um in der lapidaren abschließende Erkenntnis zu münden: "Frauen haben, stets auf der Höhe ihrer Zeit, positive Modelle gegen ihre Diskriminierung zu entwickeln vermocht" (5).
Im Folgenden seien einige der interessanteren kunsthistorischen Aufsätze vorgestellt.
Bettina Uppenkamp behandelt in ihrem Beitrag eine literarisch verbreitete, bildkünstlerisch jedoch selten dargestellte Novelle aus Boccaccios Decamerone, die Geschichte der Griselda. Die Protagonistin, eine nicht standesgemäße Ehefrau eines Adligen, muss sich verschiedenen Prüfungen ihres Gehorsams dem Ehemann gegenüber unterziehen, die darin gipfeln, dass sie, aller Privilegien beraubt, in ihr Elternhaus zurückkehren muss. Sie erbringt klaglos alle geforderten Liebesbeweise und wird wieder in ihre Rechte eingesetzt. Griselda verkörpert ob ihrer Standhaftigkeit höchste weibliche Tugend. Bei den wenigen erhaltenen Bildern handelt es sich überwiegend um Cassone-Tafeln des 15. Jahrhunderts. Uppenkamp interpretiert die Darstellungen im sozialhistorischen Kontext der zeitgenössischen Hochzeitsbräuche und der Geschenkkultur, insbesondere der Bedeutung von Kleidergeschenken, da zu den zentralen Motiven der Geschichte Kleiderwechsel und Nacktheit als Indikator für Griseldas soziale Identität zählen. Dennoch geht es - wie die Autorin überzeugend darlegt - weniger um eine an die zukünftigen Ehefrauen gerichtete Aufforderung zum ehelichen Gehorsam als vielmehr um ein gesellschaftsstabilisierendes "Manifest für die Ehe" (187), das vor allem die Männer ansprechen soll.
Auch in dem Beitrag von Kristina Domanski spielt Kleidung eine zentrale Rolle. Sie untersucht Textillustrationen des 15. Jahrhunderts zu Geschichten, in denen ein Kleider- und damit Geschlechterrollentausch ("cross dressing") vorgenommen wird. Darstellungen der in Frauenkleidung auftretenden männlichen Helden Achill, Hugdietrich und Herkules werden Verbildlichungen von Amazonen, Semiramis und Beronice gegenübergestellt. Allerdings hinkt dieser Vergleich, denn die angeführten Heldinnen verkleiden sich eben nicht als Männer, um ein anderes Geschlecht vorzutäuschen, sondern sie bleiben Frauen, die, da sie als Kriegerin agieren, Rüstung tragen. In allen angeführten Illustrationen der gerüsteten Frauen wird beispielsweise das Distinktionsmerkmal langes offenes Haar deutlich gezeigt. Wenn Domanski konstatiert "Die Bilder [der Frauen] lassen ihr wahres Geschlecht immer durchscheinen" (82), so zeugt dies von Texttreue und ist nicht als mangelnde Perfektion in der Bildgestaltung zu interpretieren. Ihre Schlussfolgerung, dass verkleidete Männer in variantenreicheren Interpretationsweisen auftreten als verkleidete Frauen und dass dies als "Bestätigung der Ordnung der Geschlechter" (83) zu lesen sei, scheint mir zu kurz gegriffen.
In zwei Beiträgen wird dargelegt, wie der Status der Regentin durch Architektur und Raumgestaltung zeichenhaft untermauert wurde. Andreas Tönnesmann stellt fest, dass die Pariser Witwensitze der Königswitwen Katharina von Medici, Maria von Medici und Anna von Österreich trotz unterschiedlicher Gestaltung ein zentrales gemeinsames Merkmal aufweisen: den Rekurs auf die eigene dynastische Herkunft durch die Übernahme baulicher Zitate aus der Architektur der Herkunftsländer bzw. -familien. Dabei wurden etablierte Muster (männlicher) Herrschaftsarchitektur in innovativer Art und Weise umgeformt, um rollenadäquate (weibliche) Repräsentationsmuster zu entwickeln. Hier zeigt sich erneut, wie wichtig die Kategorie Dynastie für das Selbstverständnis von Fürstinnen war - stets erfolgte eine Bezugnahme auf die eigenen Familie, sei es durch Familienwappen, genealogische Bildprogramme, Importe heimischer Technologien, Produkte und Künste oder eben
markanter architektonischer Details.
Spannend ist auch der Gedanke, dass sich die Konkurrenz zwischen der Mätresse Heinrichs II., Diane de Poitiers, und seiner Ehefrau bzw. Witwe Katharina von Medici in deren Bauten manifestiert. So sieht Tönnesmann Katharinas Tuilerien-Palast als "neues Anet" (199) und ihr Projekt eines Valois-Mausoleums als eine weit anspruchvollere Memorialstätte, die Diane de Poitiers Grabmalsstiftung übertrumpfen sollte.
Ilaria Hoppe untersucht die Gemächer der Witwe Cosimos II. von Medici, Maria Magdalena von Österreich, in der Villa Poggio Imperiale bei Florenz, die sie während ihrer Regentschaftszeit ab 1621 neu gestalten ließ. Fußend auf den Ergebnissen ihrer Dissertation bietet Hoppe eine überzeugende Analyse eines Fürstinnen-Appartements, von denen es noch eine Reiher weiterer bedarf, bevor man vergleichende Aussagen, insbesondere zu italienischen Ausstattungsprogrammen, treffen kann.
Maria Magdalena von Österreich fährt in der bildkünstlerischen Ausgestaltung das gesamte Spektrum weiblicher Regentschaftsikonografie auf: femmes fortes, Fürstinnen, Regentinnen und weibliche Heilige als Exempla weiblicher Frömmigkeit, Stärke, Tapferkeit und Klugheit. Wieder werden Bezüge zur (höherrangigen) Herkunftsfamilie betont: Die Umbenennung des Palastes von Villa Baroncelli zu Poggio Reale (kaiserlicher Hügel / Sitz) sowie die Ausmalung der Räume ihres Sohnes mit habsburgischer Kaisergenealogie verweisen auf die verwandtschaftliche Nähe zum Kaiserhaus, ist doch der Bruder der Regentin 1619 zum Kaiser Ferdinand II. gekrönt worden. Das eigentlich Ungewöhnliche an Maria Magdalenas Raumfolge ist die Situierung des Appartements ihres Sohnes innerhalb ihrer eigenen - sehr viel umfangreicheren - Räumlichkeiten. Weder eine Gleichrangigkeit noch eine scheinbare Symmetrie, etwa durch gegenüberliegende gleich große Raumfolgen, waren beabsichtigt. Vielmehr wurde die Vormachtstellung der Regentin deutlich hervorgehoben.
So erhellend Hoppes Ausführungen sind, so ist jedoch ganz entschieden der These zu widersprechen, dass es keine geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Ausstattung fürstlicher Gemächer gegeben habe (214), bietet sie selbst doch ein gut belegtes Gegenbeispiel.
Cordula Bischoff