Armin Kohnle: Kleine Geschichte der Kurpfalz (= Regionalgeschichte - fundiert und kompakt), Karlsruhe: G. Braun 2005, 205 S., 26 Abb., 6 Karten, 5 Stammtafeln, ISBN 978-3-7650-8329-7, EUR 14,90
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Dem untergegangenen Territorium der Kurpfalz ist ein weiterer Band der vom Karlsruher G. Braun-Verlag initiierten Reihe "Regionalgeschichte - fundiert und komplex" gewidmet. Der Heidelberger Professor Armin Kohnle stellt sich der Herausforderung, die rund 600 Jahre währende Geschichte der Kurpfalz auf 200 Seiten "für ein breites Publikum" (7) darzustellen. Dabei ist die Geschichte dieses Territoriums alles andere als geradlinig. Nicht nur gleicht, wie Kohnle treffend feststellt, die Entwicklung des kurpfälzischen Territoriums "einer Amöbe, die ständig ihre Form verändert und deshalb nur in Momentaufnahmen erfasst werden kann" (9). Hinzu kommen zahlreiche kriegsbedingte sowie konfessionelle Umbrüche in der Kurpfalz, die eine kontinuierliche Entwicklung und auch Staatswerdung insbesondere in der Frühen Neuzeit unmöglich machten.
So ist es nur gerechtfertigt, dass Kohnle zunächst den unterschiedlichen Konnotationen des "schillernden" Pfalzbegriffs auf den Grund geht und beschreibt, wie dieser im Laufe der Zeit mit der Region an Rhein und Neckar verbunden wurde. Ein Schlüssel für den erfolgreichen Aufstieg der 1214 an die Macht gekommenen Pfalzgrafendynastie der Wittelsbacher war eine verfassungsrechtliche Bevorzugung, die in der Goldenen Bulle von 1356 ihren offenen Ausdruck fand. Gleichwohl stand dieser Rang meist in krassem Gegensatz zur politischen, militärischen und auch wirtschaftlichen Potenz, welche die Kurpfalz tatsächlich hatte. Offen zu Tage trat dies unter Kurfürst Ruprecht III., der 1400 zum römischen König gewählt wurde. Zwar gelang es ihm, die territoriale Expansionspolitik seiner Vorgänger fortzusetzen, doch war nicht zu übersehen, dass er im Konzert der Mächtigen in Europa wie auch im Reich nur eine untergeordnete Rolle spielen konnte. Dies änderte sich auch nicht im 15. Jahrhundert, in dessen Verlauf immerhin das Territorium erweitert werden konnte. Vor diesem Hintergrund war die katastrophale Niederlage im Landshuter Erbfolgekriegs 1504 ein herber Rückschlag.
Es ist gerade eine der Stärken von Kohnles Überblick, dass er immer wieder mit der Schilderung der politischen Geschichte innehält und sich den Gegebenheiten des kurpfälzischen Territoriums in Verfassung, Verwaltung, Wirtschaft und auch Sozialstruktur zuwendet. Dies geschieht für die Zeit um 1500, um 1600 und schließlich für die Mitte des 18. Jahrhunderts. Erst durch diese strukturellen Betrachtungen wird deutlich, wie sehr die Kurpfalz mit ihrer flächig wie rechtlich äußerst heterogenen Territorialstruktur sowie mit der außergewöhnlichen Stellung des Landesfürsten ohne Landstände einen Sonderfall unter den Kurfürsten des Reiches bildete. Hinzu kam seit dem 16. Jahrhundert eine Sonderrolle in konfessioneller Hinsicht. Nach anfänglicher Zurückhaltung der Kurfürsten um die Durchsetzung der Reformation während der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts entwickelten sie sich zu einer Speerspitze der calvinistischen Konfession. Bald beherrschte calvinistisches Sendungsbewusstsein die kurpfälzische Politik, das sich sowohl nach innen, vor allem aber in seiner Stoßrichtung nach außen, vornehmlich gegen das katholische Kaiserhaus bemerkbar machte. Zum Höhepunkt dieser Entwicklung wurde die Annahme der böhmischen Kaiserkrone durch Kurfürst Friedrich V., der nicht nur als trauriger "Winterkönig" in die Geschichte einging, sondern auch großes Unheil über die Kurpfalz heraufbeschwor.
Die bescheidenen Erfolge der konsolidierenden Entwicklung in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurden bereits nach wenigen Jahrzehnten durch die Zerstörungen im Pfälzischen Erbfolgekrieg wieder zunichte gemacht. Erst im 18. Jahrhundert sollte sich die Kurpfalz davon erholen. Zwar musste Kurfürst Karl Theodor außenpolitisch so manche Pleite hinnehmen, dennoch stieg die Kurpfalz mit der Residenzstadt Mannheim in dieser Zeit zu einem Zentrum in Süddeutschland auf. Nicht zuletzt der dynastische Zufall brachte es mit sich, dass die kurfürstlichen Lande im 18. Jahrhundert zunehmend wieder in einer Hand zusammenkamen. Mit dem Aussterben der bayerischen Wittelsbacher 1777 und dem darauf folgenden Umzug Karl Theodors nach München wurde die Kurpfalz vom territorialen Kern zur Außenbesitzung degradiert. Damit war ihr Ende vorgezeichnet; sie wurde 1802/03 aufgeteilt und verschwand von der politischen Landkarte.
Ungeachtet des knapp bemessenen Raumes ist es Armin Kohnle gelungen, einen anschaulichen Überblick über die Geschichte der Kurpfalz zu geben, wobei er durchaus zu interessanten Urteilen und Neuinterpretationen über das Standardwerk von Meinrad Schaab (1992) hinaus gelangt. Gleichwohl müssen im Detail - gerade wenn die lokalgeschichtliche Entwicklung berührt wird - manchmal Ungenauigkeiten festgestellt werden. So war es beispielsweise keinesfalls Kurfürst Karl Philipp, der 1720 nach seinem Entschluss, die Residenz aus Heidelberg abzuziehen, Mannheim aus den Trümmern des Pfälzischen Erbfolgekriegs wieder aufbauen ließ; dies fand bereits unter seinem Vorgänger Johann Wilhelm statt. Vorbildlich sind hingegen die in grauer Schattierung hervorgehobenen Fensterbeiträge, in denen aus dem laufenden Text glossarartig Schlüsselbegriffe zur kurpfälzischen Geschichte dargestellt werden (von "Vertrag von Pavia" über "Raub der Bibliotheca Palatina" bis zu "Reichsdeputationshauptschluss"). Ein Register hätte den Wert dieses Glossars noch erhöht. Abgerundet mit einem Literaturüberblick bietet Kohnles Darstellung jedoch einen anschaulichen und gelungenen Einstieg in die komplizierte Geschichte der Kurpfalz.
Harald Stockert