Susanne Sonja Tesche: Arznei für des Ordens Untertanen. Die Arzneimittelversorgung in Einrichtungen des Deutschen Ordens im 17. und 18. Jahrhundert (= Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens; Bd. 59), Marburg: Elwert 2004, X + 221 S., ISBN 978-3-7708-1250-9, EUR 24,00
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Den Grundherrschaften oblag als Verwaltungsaufgabe auch die medizinische Versorgung der Bevölkerung. Der Deutsche Orden, 1190 als Hospitalgemeinschaft gegründet, entwickelte sich bald zu einem geistlichen Ritterorden und zu einem Territorialherren. Als solcher hatte der Deutsche Orden auch die sichere Versorgung seiner Untertanen mit Arzneimitteln zu gewährleisten. Auch wenn es in seiner langen Geschichte Phasen gab, in denen das karitative Element in den Hintergrund trat, war sich der Deutsche Orden durch Jahrhunderte seiner Aufgabe als Hospitalorden bewusst. Die Devise "Helfen, Wehren, Heilen" galt durch alle Zeiten.
Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf den Zeitraum vom 17. Jahrhundert bis zur Aufhebung des Ordens Anfang des 19. Jahrhunderts. Das Jahr 1809 brachte durch Napoleon Bonaparte das Ende des Deutschen Ordens in allen Staaten des Rheinbundes. In dieser Zeit waren die großen Preußischen Besitzungen des Ordens bereits lange säkularisiert und nur ein vergleichsweise kleines Territorium oblag weiterhin der Verwaltungshoheit des einst so mächtigen Ordens. Die Stadt Mergentheim als hochmeisterliche Residenz und somit Sitz des Ordensoberhauptes bietet aufgrund der guten Quellenlage einen spannenden Einblick in die Organisationsstrukturen des Gesundheitssystems. Mehrfach orientierte sich der Deutsche Orden bezüglich seiner Strukturen an Vorbildern.
Der innere Aufbau des Ordens entsprach dem der beiden bestehenden geistlichen Ritterorden. Die Vorschriften für die Armen und die Krankenpflege hatte er von den Johannitern, die Vorschriften für Ritter, Kleriker und einfache Brüder von den Templern übernommen. Aber auch in Verwaltungsaufgaben orientierte sich der Orden an Regelungen und Strukturen, die sich anderorts im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation bewährt hatten. Die von der Autorin ausführlich erörterte Apothekerordnung von Mergentheim aus dem Jahre 1690, aber auch die Pest- und Spitalordnungen basieren auf älteren Vorlagen. Sie wurden auf die entsprechenden örtlichen Bedürfnisse und die besonderen Obrigkeitsstrukturen angepasst. Beachtung verdient, dass diese Apothekerordnung, entstanden in der Regierungszeit des Hochmeisters Ludwig Anton von Pfalz-Neuburg, hier zum ersten Mal gedruckt veröffentlicht werden kann.
In dem Band wird rechtlichen Maßnahmen, wie sie Apothekerordnungen darstellen, breiter Raum gegeben. Aufschlussreich sind der Vergleich und die Rezeption vergleichbarer Schriftstücke anderer Deutscher Städte. Die Autorin kann unter anderem Übereinstimmungen mit der Wormser Apothekerordnung von 1582, aber auch mit der Nürnberger Medizinalordnung von 1592 nachweisen. Besonders bemerkenswert ist hier das Ergebnis, dass die Übernahme keinesfalls unkritisch erfolgte und, dass augenscheinliches Interesse an vorbildlichen Regelungen bestand. Der Orden war bemüht kostengünstige Lösungen mit möglichst hoher Effizienz im Gesundheitswesen zu finden. Anhand der Archivalien und der detaillierten Rechnungsbücher kann dieser Befund für die verschiedenen Kranken- und Waisenhäuser nachgewiesen werden. Eine Anfang des 18. Jahrhunderts für das Mergentheimer Hospital eigens gegründete Apotheke wurde aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen nach einigen Jahren wieder aufgegeben: Für die Verwaltung des Ordens war es auf die Dauer günstiger die Arzneimittel in der öffentlichen Apotheke des Ortes zu besorgen.
Spannend kann die rechtliche Regelung entsprechend der Erlasse nachvollzogen werden. Die Ordensregierung reagierte auf Probleme, oder Missstände. So fällt die Veröffentlichung der bereits zitierten Apothekerordnung von 1690 mit Beschwerden der Apothekerwitwe Maria Regina Rhodius und ihres Bruders, des Hof- und Stadtphysikus, gegen einen Chirurgen, der illegal Arzneimittel vertrieb, zusammen. Vorliegende Arbeit zeigt aber ein im Großen und Ganzen sehr harmonisches Bild zwischen Obrigkeit und den ihr unterstellten Personen des Gesundheitswesens. Wir sehen in Mergentheim ein komplikationsloses Zusammenwirken von Apothekern, Ärzten und Landesherren, wie wir dies in anderen Regionen selten beobachten können. Augrund der Kleinheit des Territoriums bestand anscheinend die Möglichkeit direkter Einflussnahme und unmittelbare Durchsetzungskraft der Verwaltungsbehörde. Auch wenn die Organisationsabläufe im Bereich des Ordens vielleicht in Kleinigkeiten von weltlichen Herrschaftsgebieten zu unterscheiden sind, bildet diese Studie somit einen guten Überblick über die Organisation des Gesundheitssystems in Deutschland zu dieser Zeit im Allgemeinen. Dieser studienhafte Charakter macht das Buch freilich nur für den einschlägig Interessierten spannend. Dieser findet jedoch in der Vielzahl von Tabellen und Statistiken im Anhang geeignetes Vergleichsmaterial für ähnliche Fragestellungen. Auch die Aufstellungen der bezogenen oder verordneten Medikamente entsprechen jeweils dem Kontext der Zeit und erscheinen eher wirtschaftsgeschichtlich als medizinhistorisch relevant.
Da jedoch nicht nur der zentrale Ort Mergentheim beschrieben wird, sondern auch die Arzneimittelversorgung in den zur damaligen Zeit verbliebenen kleineren Besitzungen des Deutschen Ordens, wie Neckarsulm, Gundelsheim, Frankfurt-Sachsenhausen und Offenau, sowie die Verwaltung der Ordensspitäler in Ellingen, Nürnberg und Marburg von der Autorin analysiert und erforscht wurden, bildet das Buch somit einen wichtigen Mosaikstein zur Geschichte des Deutschen Ordens und eine präzise pharmaziehistorische Detailstudie.
Gilbert Zinsler