Jaromír Balcar / Thomas Schlemmer (Hgg.): An der Spitze der CSU. Die Führungsgremien der Christlich-Sozialen Union 1946 bis 1955 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte; Bd. 68), München: Oldenbourg 2007, VIII + 679 S., ISBN 978-3-486-58069-3, EUR 69,80
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Andreas Kießling: Die CSU. Machterhaltung und Machterneuerung, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2004
Andreas Zellhuber / Tim B. Peters (Bearb.): Die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Sitzungsprotokolle 1949-1972, Düsseldorf: Droste 2011
Kay Müller: Schwierige Machtverhältnisse. Die CSU nach Strauß, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2004
Michael Weigl: Die CSU. Akteure, Entscheidungsprozesse und Inhalte einer Partei am Scheideweg, Baden-Baden: NOMOS 2013
Helge Heidemeyer (Bearb.): Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Sitzungsprotokolle 1953-1957, Düsseldorf: Droste 2003
Thomas Schlemmer (Hg.): Die Italiener an der Ostfront 1942/43. Dokumente zu Mussolinis Krieg gegen die Sowjetunion, München: Oldenbourg 2005
Anselm Doering-Manteuffel / Lutz Raphael / Thomas Schlemmer (Hgg.): Vorgeschichte der Gegenwart. Dimensionen des Strukturbruchs nach dem Boom, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2016
Jaromír Balcár: Panzer für Hitler - Traktoren für Stalin. Großunternehmen in Böhmen und Mähren 1938-1950, München: Oldenbourg 2014
Gegenstand der Quellenedition sind die Protokolle, Redemanuskripte, vorbereitende Aktennotizen, handschriftliche Aufzeichnungen und Dispositionen für die Sitzungsleitung der Führungsgremien der CSU aus der Frühphase der CSU (1946-1949). Sie sind - sofern noch auffindbar - mit dem Anspruch auf Vollständigkeit ediert. Dazu wurden ausgewertet: Akten der CSU-Landesleitung, Nachlässe der Parteivorsitzenden Josef Müller und Hans Ehard und Berichte aus Parteipresse (CS-Union, CSU-Correspondenz und Bayernkurier) (29). Inhaltlich schließt die Edition an die ebenfalls vom Institut für Zeitgeschichte herausgegebene, dreibändige Quellenedition Die CSU 1945-1948. Protokolle und Materialien zur Frühgeschichte der Christlich Sozialen Union an, die von Babara Veit und Alf Mintzel unter Mitarbeit von Thomas Schlemmer herausgegeben wurden (München 1993). Letzterer ist auch einer der Herausgeber der vorliegenden Edition. Ganz bewusst wurden in der 1993 schon erschienen Edition die Archivalien der Führungsgremien der CSU ausgespart. Beide Werke stellen damit zusammen einen wichtigen Baustein zur Erforschung der Frühgeschichte der CSU dar - einer Frühgeschichte, die im Vergleich zu der anderer Parteien nicht so umfassend behandelt worden ist.
Dokumentiert wird die ganz und gar nicht einlinige Frühgeschichte der CSU. Sie ist nicht nur gekennzeichnet durch bisweilen deftige Querelen persönlicher Art, sondern auch durch prinzipielle Richtungsstreitigkeiten im Geflecht zwischen (primär katholischem) Klerikalismus und interkonfessioneller Verankerung in einer bisweilen weit gefassten christlichen Kultur, zwischen bayerischem Partikularismus und einem die Bundesrepublik bejahenden selbstbewussten Föderalismus, zwischen der CSU-Landesgruppe in Bonn und der Partei in Bayern, ferner durch Abgrenzungen und Umarmungen zur konkurrierenden Bayernpartei, und nicht zuletzt durch spannungsreiche Beziehungen zwischen einer dominieren wollenden Parteileitung (vor allem unter Ehard) und einer gerade in der unmittelbaren Nachkriegszeit nicht gut personell und finanziell aufgestellten Parteibasis. Die Erneuerung, Verjüngung der Partei - hier war Franz Josef Strauß nicht unwesentlich beteiligt - und Ausrichtung auf das heutige Profil geschah, als die CSU 1954-1957 durch eine von der SPD geführte höchst bemerkenswerte Koalition mit der FDP, dem Bund der Heimatvertriebenen und der Bayernpartei im Bayerischen Landtag auf die harte Oppositionsbank verwiesen wurde. Doch die damit verbundenen Vorgänge liegen größtenteils außerhalb des Gegenstandsbereiches der vorliegenden Quellenedition.
Soviel zu den Inhalten. Bekanntlich sollte sich eine jede Quellenedition nicht nur durch penible Sorgfalt auszeichnen. Es gehört z. B. auch ein Eigennamenabgleich dazu; des Weiteren sollte sie Kriterien nennen, welche die Auswahl der Quellen begründen und beschränken. Eine einbettende Bibliografie ist hilfreich. Dies alles weist die vorliegende Quellenedition auf.
Eine gute Quellenedition sollte darüber hinaus auch die Quellen aufbereiten und kommentieren. Hier lässt die vorliegende Quellenedition nichts, aber wirklich nichts zu wünschen übrig.
Es scheint so, als ob der Hauptteil der mühevollen Arbeit gerade für die Erschließung aufgebracht wurde, und nicht für die an sich schon schwierige Suche und schwierige Transkription der Aufzeichnungen. Diese waren obendrein bisweilen schwer entzifferbar (Stenogramme) und vielfach durch Abkürzungen und Auslassungen gekennzeichnet.
Die Erschließung ist vorbildlich: Eine knappe und außerordentlich informative Einleitung (Thomas Schlemmer), ein nicht nur (relativ leicht) zu erstellendes Personen- und Ortsregister, sondern auch ein 18-seitiges umfangreiches Sachregister sogar mit thematischen Unterpunkten, ferner ein Anhang mit nicht immer leicht zu eruierenden Kurzbiografien aller Vorstandsmitglieder der CSU und sonstiger Sitzungsteilnehmer. Das allein wäre schon genug. Hinzu kommt ein außerordentlich umfangreicher Anmerkungsapparat nicht nur mit Nachweisen, sondern einer Vielfalt von ergänzenden Informationen zu den Quelleninhalten, z. B.: biografische Daten zu den Personen, die in den Quellen erwähnt sind und die nicht zu dem Personenkreis der Kurzbiografien gehören, genaue bibliografische Daten zu Presseberichten, die auf den Sitzungen erwähnt wurden, Kurzkommentare zu den Ereignissen, die in den Quellen erwähnt worden sind, und eine Fülle von Querverweisen zu Vorgängen, die in anderen Quellen zur Sprache kommen.
So breit, so umfassend zu kommentieren kann in der Regel nur gelingen, wenn die Herausgeber mitten in der Materie sind, was beide, JaromÍr Balcar und Thomas Schlemmer durch einschlägige Veröffentlichungen zur Frühgeschichte der CSU mehrfach unter Beweis gestellt haben. Aber ohne die vielen helfenden Hände und Augen der nur im Vorwort Erwähnten wäre die Kärrnerarbeit nicht zu bewerkstelligen gewesen, die mit einer in solch hohem Maße erfreulichen Edition zwangsläufig verbunden ist (Eigens zu erwähnen wäre z. B. nicht nur Alois Schmidmeier, der die Stenogramme entziffert hat.)
Fazit: Die Quellenedition schließt eine Forschungslücke zur Frühgeschichte der CSU. Editorisch setzt sie Maßstäbe.
Manfred Hanisch