Irmgard Biersack: Die Hofhaltung der "reichen Herzöge" von Bayern-Landshut (= Regensburger Beiträge zur Regionalgeschichte; Bd. 2), Regensburg: Edition Vulpes 2006, 308 S., ISBN 978-3-939112-14-3, EUR 24,00
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Das anzuzeigende Buch, hervorgegangen aus einer Regensburger Magisterarbeit, schließt eine gewichtige Forschungslücke zur Geschichte der niederbayerischen Herzöge von Bayern-Landshut. Die Verfasserin hat sich zum Ziel gesetzt, die Hofhaltung der drei so genannten "reichen Herzöge", Heinrich (1393-1450), Ludwig (1450-1479) und Georg (1479-1503), näher zu untersuchen. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen dabei jedoch weniger die großen rauschenden Feste, etwa die bis auf den heutigen Tag in periodischen Abständen gefeierte Landshuter Hochzeit, sondern vielmehr das Alltagsgeschäft. Als Hauptquellen dienen die erhaltenen Ämterrechnungen des Herzogtums Bayern-Landshut, die schon mehrfach Untersuchungsgegenstand wissenschaftlicher Arbeiten waren [1].
Gegliedert ist das Buch in drei große Hauptkapitel, die sich mit der Versorgung des Hofgesindes am Landshuter Hof, dem Hofgesinde der reichen Herzöge und den an der Residenz, der Landshuter Burg, durchgeführten Baumaßnahmen beschäftigen.
Mit enormen Aufwand und Fleiß hat Biersack die zahlreichen Rechnungsbücher im Hinblick auf diese Fragen ausgewertet und dabei der Forschung eine überaus große Materialmenge zur Verfügung gestellt.
Im ersten großen Abschnitt, welcher vornehmlich der Verköstigung des herzoglichen Hofes gewidmet ist, wird der Leser auf eine Reise durch die Vielfalt an Nahrungsmitteln für Mensch und Tier geleitet. Dabei manifestiert sich zugleich auch die ganze Reichhaltigkeit dieser Quellengattung. Letztlich zeichnet sich so nicht nur "ein lebhaftes Bild der täglichen Verpflegung am Landshuter Herzogshof" ab (113), auch das Repräsentationsbedürfnis der Landshuter Herzöge wird anschaulich illustriert, etwa wenn die Quellen von Färbung oder gar Vergoldung einzelner Speisen berichten. Aber auch Kuriositäten kommen nicht zu kurz: So erfährt man beispielsweise von einem Löwen, welchen Herzog Georg 1482 von seinem wittelsbachischen Vetter, Herzog Albrecht IV. von Bayern-München, geschenkt bekam (50).
Das Hofgesinde steht im Mittelpunkt des zweiten großen Themenblocks. Wertvoll im Hinblick auf weitere Forschungen dürfte dabei v. a. die listenförmige, prosopographische Zusammenstellung der in ausgewählten Rechnungsbänden bezeugten Bediensteten und anderen Personen sein, welche der Arbeit im Anhang beigegeben wurde (256-280). Kritisch anzumerken ist hier jedoch, dass zuweilen die Identifizierung einzelner auftretender Personen nicht gelang. So etwa bei Paulus Kal, dem Verfasser eines berühmten Fechtbuches, das er seinem Dienstherrn Herzog Ludwig dem Reichen widmete, allerdings nicht als Schuhmeister, wie er hier bezeichnet wird (153), sondern als Schirmmeister [2]. Dies ist allerdings ein Versehen, das man angesichts der immensen Fülle des Namenmaterials nicht allzu hoch bewerten darf. Die Lektüre dieses Kapitels lohnt sich in besonderem Maße auch wegen des hier eingewobenen Überblicks zur Organisation des herzoglichen Hofes und seiner Ämterstruktur, welcher zwar in Anlehnung an die einschlägige Literatur, aber stets in Rückbindung an die bearbeiteten Quellen geschieht und so auch verwaltungsgeschichtlich von erheblichem Interesse ist. Zudem zeigt sich hier gleichfalls, dass die Quellengattung der Rechnungen in besonders hohem Maße Informationen transportiert, die auf anderem Weg nicht auf uns gekommen wären. So erfährt man etwa von Hofmusikern und dauerhaft beschäftigten Boten während der Regierungszeit Ludwigs des Reichen (169).
Abschließend unterzieht Biersack die Baumaßnahmen an der Landshuter Burg und an den herzoglichen Gebäuden in der Stadt einer eingehenden Betrachtung. V. a. unter den Herzögen Ludwig und Georg erfuhr die Burg den Ausbau hin zu einer der bedeutendsten Residenzen der deutschen Lande des späteren Mittelalters, was letztlich auf das gesteigerte Macht- und Repräsentationsbedürfnis dieser beiden Herzöge zurückzuführen ist.
Neben einem Quellen- und Literaturverzeichnis, einer Reihe von Tabellen und einem Register, beschließt ein Glossar der wichtigsten Quellentermini das Buch.
Der Wert dieser Arbeit zeigt sich nicht nur in ihrer großen Quellennähe, sondern auch im konsequent durchgehaltenen Vergleich mit anderen fürstlichen Hofhaltungen der Zeit. Dass der Landshuter Hof der "reichen Herzöge" dabei weitaus mehr Geldmittel für Repräsentation ausgab als andere Höfe im deutschsprachigen Raum, kann zwar seit den Forschungen Walter Zieglers, Reinhard Staubers sowie Michael Cramer-Fürtigs nicht mehr wirklich überraschen, wird hier allerdings sehr eindrucksvoll und aus den Quellen heraus bestätigt [3].
Störend wirken neben kleineren Tippfehlern, etwa "Analistik" (11, 227), einzig die vielen Abkürzungen, (z. B. HKAR für Hofkastenamtsrechnung oder KÜMR für Küchenmeisterrechnung), die zwar allesamt im Abkürzungsverzeichnis nachgewiesen sind, den Textfluss aber gleichwohl stocken lassen. Weniger wäre hier zugunsten einer besseren Lesbarkeit mehr gewesen. Diese Marginalie kann jedoch den positiven Gesamteindruck des Buches nicht beeinträchtigen: Biersack hat ein bereicherndes und anregendes Buch geschrieben, dem man nur eine gute Aufnahme wünschen kann. Einmal mehr bestätigt sich hier das von Raoul C. van Caenegem und François L. Ganshof geprägte Zitat, wonach "Rechnungen [...] zu den allerwichtigsten Quellen der Mediävistik" zu zählen sind. [4] Künftig wird eine Geschichte Bayerns im 15. Jahrhundert und v. a. eine Geschichte des Herzogtums Niederbayern-Landshut, die ein dringendes Desiderat der bayerischen Landesgeschichte insgesamt ist, jedenfalls auch auf dieser Arbeit beruhen müssen. Der Fertigstellung von Biersacks Dissertation über die Reichspolitik Herzog Ludwigs des Reichen ist daher mit Spannung entgegenzublicken!
Anmerkungen:
[1] So bereits in der Habilitationsschrift von Walter Ziegler: Studien zum Staatshaushalt Bayerns in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die regulären Kammereinkünfte des Herzogtums Niederbayern 1450-1500, München 1981.
[2] Bayerische Staatsbibliothek München, Cgm 1507. Digitalisat unter: http://www.digitale-sammlungen.de/~db/bsb00001840/images/index.html.
[3] Vgl. neben Zieglers Habilitationsschrift auch Michael Cramer-Fürtig / Reinhard Stauber: Der Burghauser Schatz der Reichen Herzöge. Bemerkungen zur Quellenlage und Probleme der Größenbestimmung, in: Verhandlungen des Historischen Vereins für Niederbayern 114/115 (1988/89) 5-27.
[4] Raoul Charles van Caenegem / François Louis Ganshof: Kurze Quellenkunde des Westeuropäischen Mittelalters. Eine typologische, historische und bibliographische Einführung, Göttingen 1964, 97.
Bernhard Lübbers